Hildebrand, Katherina; Masselmann, Judith & Becker, Julia C.

Können Fragebogenitems implizite Vorurteile verstärken?

Eine experimentelle IAT-Studie

Quantitative Vorurteilsforschung beruht häufig auf Umfragen mit Selbstberichten. Befragte sollen darin angeben, inwiefern sie unterschiedlichen Aussagen (sog. Items) bezogen auf eine bestimmte soziale Gruppe zustimmen. Manche Wissenschaftler*innen, die selbst quantitativ und/oder qualitativ arbeiten (z.B. Cecchini, 2019; Lášticová & Findor, 2016; McClelland et al., 2020) haben diesbezüglich ethische, konzeptionelle und methodische Bedenken geäußert und zu Reflexivität aufgerufen: Items könnten die Überzeugungen der Befragten nicht nur erfassen, sondern auch beeinflussen. Im Versuch, das Ausmaß an Vorurteile in der Bevölkerung sichtbar zu machen, könnten somit Forscher*innen dazu beitragen, die Vorurteile unter Befragten aufrechtzuerhalten oder sogar zu verstärken, indem die verwendeten Items negative, stereotypische Darstellungen der betroffenen Gruppe wiedergeben. Dies wiederum könnte nachteilige Folgen für die Beziehungen zwischen sozialen Gruppen in der Gesellschaft nach sich ziehen.

Die vorliegende Studie beschäftigt sich daher mit der Fragestellung, inwiefern negativ formulierte Items in Bezug auf „arabische Migranten“ implizite Vorurteile gegenüber dieser Gruppe verstärken. Implizite Vorurteile beziehen sich auf automatisch aktivierte Vorurteile, die die Verarbeitung und Nutzung sozialer Informationen z.B. im Rahmen von Urteilsbildungsprozessen verzerren können.

Methode

Diese Studie nutzte ein experimentelles Design: Proband*innen wurden einer von zwei Bedingungen zugewiesen. In der Experimentalbedingung füllten Proband*innen eine Reihe von negativ formulierten Items zu "arabischen Migranten" aus, bevor sie an einem Impliziten Assoziationstest (IAT; Greenwald et al., 1998) teilnahmen. In der Kontrollbedingung bearbeiteten Proband*innen direkt den IAT. Der IAT ist ein etabliertes psychologisches Messverfahren, das implizite Vorurteile anhand der Stärke automatischer Assoziationen zwischen sozialen Gruppen und Bewertungen erfasst. Dabei werden die Reaktionszeiten gemessen, mit denen Proband*innen Gesichter bzw. Wörter den Kategorien "arabisch" oder "weiß" bzw. "gut" oder "schlecht" zuordnen. Implizite Vorurteile zeigen sich darin, dass Wörtern der Kategorie "gut“ schneller zugeordnet werden, wenn mit derselben Taste die Zuordnung der Gesichter der Kategorie „weiß“ als wenn mit derselben Taste die Zuordnung der Gesichter der Kategorie „arabisch“ erfolgt.

Ergebnisse

Sowohl in der Experimentalbedingung als auch in der Kontrollbedingung haben Teilnehmende Gesichter bzw. Wörter den Kategorien "weiß" bzw. "gut" und "arabisch" bzw. "schlecht" schneller zugeordnet, wenn auf die jeweiligen Reize mit derselben Taste reagiert wurde. Dieses Ergebnis steht mit einem Großteil der IAT-Forschung im Einklang, wonach die meisten Menschen die eigene Gruppe bzw. die Mehrheitsgruppe (zumindest leicht) bevorzugen.

Unsere Hypothesentestung erfolgte anhand eines sogenannten Welch t-Test, der prüft, ob der Unterschied zwischen zwei Mittelwerten gegen den Zufall abgesichert werden kann. Der Vergleich zwischen der Experimentalbedingung und der Kontrollbedingung im Hinblick auf den durschnittlichen IAT-Score als Maß für implizite Vorurteile hat keinen signifikanten Unterschied ergeben. Tatsächlich fiel der Unterschied zwischen den beiden Bedingungen bereits deskriptiv (d.h. wenn man nur die gemessenen Mittelwerte betrachtete, ohne diese einer statistischen Analyse zu unterziehen) entgegen der erwarteten Richtugn aus: der durchschnittliche IAT-Score in der Experimentalbedingung was etwas niedriger als in der Kontrollbedingung.

Demnach konnten wir unsere Hypothese, dass die Bearbeitung von negativ formulierten Items, die feindliche, stereotypische Darstellungen von "arabischen Migranten" wiedergeben, implizite Vorurteile verstärkt, nicht unterstützten.

Literatur

Cecchini, M. (2019). Reinforcing and Reproducing Stereotypes? Ethical Considerations When Doing Research on Stereotypes and Stereotyped Reasoning. Societies, 9(4), 79.

Greenwald, A. G., McGhee, D. E., & Schwartz, J. L. K. (1998). Measuring individual differences in implicit cognition: The implicit association test. Journal of Personality and Social Psychology, 74(6), 1464–1480.

Lášticová, B. & Findor, A. (2016). Developing explicit measures of stereotypes and anti-Roma prejudice in Slovakia: Conceptual and methodological challenges. Human Affairs, 26(3), 233-252.

McClelland, S. I., Dutcher, H., & Crawford, B. (2020). In the fabric of research: Racial and gender stereotypes in survey items assessing attitudes about abortion. Journal of Social Issues, 76(2), 239–269.

Steckbrief

Titel (deutsch): Können Fragebogenitems implizite Vorurteile verstärken? Eine experimentelle IAT-Studie
Titel (englisch): Can questionnaire items reinforce implicit prejudice? An experimental IAT study
Erhebungszeitraum: 05/2025
Stichprobe (effektiv): 774
Stand der Informationen: 11.09.2025

Weitere Informationen

https://www.uni-osnabrueck.de/sfb1604/projekte/a1

Kontakt

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judith.masselmann@uni-osnabrueck.de

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