Informationsverhalten von Eltern zu Erziehungsthemen im digitalen Zeitalter
Die Erziehung von Kindern erfordert von Eltern eine Vielzahl an Entscheidungen und Informationsquellen. In der digitalen Ära hat der Zugang zu Erziehungsinformationen erheblich zugenommen, was sowohl eine Bereicherung als auch eine Herausforderung darstellt.
Carmen Eschner (2017) analysierte den Wandel von Erziehungskonzepten anhand von Elternratgebern zwischen 1945 und 2015. Es bleibt jedoch unklar, ob diese Ratgeber noch eine bevorzugte Quelle für Eltern sind, da deren Relevanz in Frage gestellt werden kann. Neuere Studien zeigen, dass Eltern zunehmend soziale Netzwerke wie Facebook (Bartholomew et al. 2012), Elternforen (Berger 2012; Gülzau 2018), Blogs (Knauf 2019; Dinter 2023) und Instagram (Menzel 2023) für Erziehungsthemen nutzen. Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2023 49 Prozent der Internetnutzer in sozialen Netzwerken aktiv, wobei Instagram mit 54 Prozent die höchste Nutzung verzeichnete, gefolgt von Facebook (68 Prozent) und TikTok (30 Prozent). In der Mediatisierungsstudie von Röser et al. (2017) wird betont, dass die Geburt eines Kindes eine biografische Zäsur darstellt, die das Medienverhalten von Eltern verändert. Immer mehr Eltern nutzen digitale Formate wie E-Mail, WhatsApp und Social Media, um Erziehungsfragen zu klären.
Aufbauend auf diesen Forschungsergebnissen zielt die vorliegende Online-Studie darauf ab, zu ermitteln, über welche digitalen und analogen Kanäle Eltern sich über Erziehungsthemen und -praktiken informieren.
Methode
Die Studie besteht aus zwei Teilen: einer qualitativen Voruntersuchung und einer quantitativen Online-Umfrage. Zunächst wurden 25 Elternteile in strukturierten Leitfaden-Interviews befragt, um Einblicke in ihr Informationsverhalten und ihre Präferenzen bezüglich Erziehungsquellen zu gewinnen. Die Ergebnisse dieser Interviews bildeten die Grundlage für die Entwicklung der Online-Umfrage.
Die Online-Umfrage zielt darauf ab, eine größere Anzahl von Eltern zu erreichen und deren Nutzung digitaler sowie analoger Quellen zu Erziehungsthemen zu analysieren. Besonderes Augenmerk liegt auf der Wahrnehmung der Vertrauenswürdigkeit der Quellen und den Faktoren, die das Verhalten der Eltern beeinflussen. Die Daten werden mit bi- und multivariaten Analysemethoden ausgewertet, um die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen zu erfassen und zu verstehen, welche Faktoren die Auswahl von Informationsquellen am stärksten beeinflussen.
Ergebnisse
Einblick in erste Ergebnisse:
Wie Eltern sich zu Erziehungsfragen informieren – online und offline
Die Erziehung von Kindern bringt viele Fragen mit sich – gerade für Eltern mit kleinen Kindern. Unsere Studie hat untersucht, wie sich Eltern mit mindestens einem Kind unter acht Jahren zu Erziehungsthemen informieren und mit anderen darüber austauschen. Dabei wurde nicht nur betrachtet, welche Informationsquellen sie nutzen, sondern auch, welche Rolle der Austausch mit anderen spielt – sei es persönlich oder digital.
Ein zentrales Ergebnis: Eltern wünschen sich einerseits authentische Erfahrungen anderer Eltern, andererseits legen sie auch Wert auf wissenschaftlich fundierte Informationen. Der Austausch in Form von persönlichen Berichten ist dabei ebenso gefragt wie seriöse Inhalte. Weniger bedeutsam sind für viele hingegen technische Kommunikationsfunktionen wie etwa Chat- oder Rückfragemöglichkeiten in digitalen Angeboten.
Am intensivsten tauschen sich Eltern mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin aus. Der Kontakt zu den eigenen Eltern oder Schwiegereltern ist ebenfalls wichtig – hier ist das Bild jedoch vielfältiger: Während einige den Austausch regelmäßig suchen, geschieht er bei anderen nur gelegentlich oder selten. Kontakte zu Menschen ohne eigene Kinder spielen hingegen eine deutlich kleinere Rolle.
Im digitalen Bereich zeigt sich, dass viele Eltern regelmäßig Messenger-Dienste wie WhatsApp nutzen, um sich über Erziehungsthemen auszutauschen. Die gezielte Internetsuche wird seltener genutzt und ist für viele auch weniger bedeutsam als der direkte Austausch mit anderen. Podcasts, Blogs und Foren werden unterschiedlich stark genutzt – insgesamt zeigen sich hier eher moderate bis geringe Nutzungsraten. Plattformen wie YouTube, Instagram oder Facebook sprechen nur eine kleinere Gruppe regelmäßig an. Spezialisierte Apps sowie der Austausch im Rahmen von Kita, Schule oder Elternkursen werden ebenfalls eher selten genutzt.
Interessanterweise greifen nur wenige Eltern regelmäßig zu klassischen Formaten wie Ratgeberbüchern oder Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften. Deutlich häufiger werden hingegen Hörbücher genutzt – sie scheinen vielen eine alltagstaugliche Möglichkeit zur Informationsaufnahme zu bieten. Auch Fernsehen, Radio und Beratungsangebote wie Coaches oder Hebammen finden vereinzelt Anklang. Besonders auffällig: Hebammen werden von Eltern häufiger als Ansprechpartnerinnen wahrgenommen als beispielsweise Ärztinnen und Ärzte oder pädagogisches Fachpersonal.
Insgesamt zeigt sich: Eltern informieren sich über viele verschiedene Kanäle – und entscheiden dabei sehr bewusst, wem und welchen Formaten sie vertrauen. Persönliche Erfahrung und Glaubwürdigkeit sind ihnen wichtiger als schnelle Kommunikation oder technische Features. Der Austausch mit anderen – ob digital oder im direkten Gespräch – bleibt ein zentrales Element im Alltag moderner Eltern.
Literatur
Bartholomew, M. K., Schoppe‐Sullivan, S. J., Glassman, M., Kamp Dush, C. M., & Sullivan, J. M. (2012). New Parents’ Facebook Use at the Transition to Parenthood. Family Relations, 61(3), 455–469. https://doi.org/10.1111/j.1741-3729.2012.00708.x
Berger. (2013). Erziehungsdiskurs im Online-Forum: Eine qualitative Untersuchung über elterliche Forendiskussionen zum kindlichen Internetgebrauch und ihren Einfluss auf den Erziehungsalltag. Dissertation. Universität Erfurt.
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Neumann, R., & Smolka, A. (2016). Familienbildung aus Sicht bayerischer Mütter und Väter. Ergebnisse der dritten ifb-Elternbefragung zur Familienbildung. Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg (ifb).
Röser, J., Müller, K. F., Niemand, S., & Roth, U. (2017). Häusliches Medienhandeln zwischen Dynamik und Beharrung: Die Domestizierung des Internets und die Mediatisierung des Zuhauses 2008–2016. In F. Krotz, C. Despotović, & M.-M. Kruse (Hrsg.), Mediatisierung als Metaprozess (S. 139–162). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16084-5_7
Steckbrief
Titel (deutsch): | Informationsverhalten von Eltern zu Erziehungsthemen im digitalen Zeitalter |
Titel (englisch): | How parents seek information on parenting in the digital age |
Erhebungszeitraum: | 01/2025–03/2025 |
Stichprobe (effektiv): | 500 |
Stand der Informationen: | 24.05.2025 |
Publikationen
noch nicht erschienen
Weitere Informationen
https://www.uni-vechta.de/erziehungswissenschaften/team/allgemeine-paedagogik