Bartmann, Katrin; Frenzel, Laura; Mechler, Sandra; Scherret, Marla; Spiller, Helen & Weyersbach, Johanna

Corporate Diversity-Washing

Risiko oder Strategie?

Diversität ist längst ein zentrales Thema in der Unternehmenswelt. Viele Firmen präsentieren sich als weltoffen und inklusiv – sei es durch gezielte Kampagnen, diverse Belegschaften oder bunte Produktkommunikation. Doch nicht immer entspricht diese Außendarstellung der Realität. Wenn Unternehmen Diversität nur vortäuschen, spricht man von Diversity-Washing. Unsere Studien untersuchen auf Basis der Signaling Theory und Expectancy Violations Theory, wie eine diverse Unternehmensdarstellung auf das Image, die Glaubwürdigkeit und die Kauf- bzw. Bewerbungsabsicht wirkt – und welche Folgen es hat, wenn sich diese Darstellung als nicht authentisch entpuppt.

Methode

In einer Online-Befragung wird die Webseite einer fiktiven Firma gezeigt, die entweder acht weiße Männer (Gruppe nicht divers), sechs weiße Männer, eine weiße und eine schwarze Frau (wenig divers) oder je Geschlecht zwei Weiße und zwei Farbige (sehr divers) als Mitarbeitende präsentiert. Anschließend werden Image, Glaubwürdigkeit und Bewerbungsabsicht gemessen. Darauf folgt für alle Teilnehmende eine Statistik zur gezeigten Firma, die zeigt, dass die Belegschaft in der Realität nicht divers ist und deshalb zum Teil Diversity-Washing vorliegt. Dann werden die Variablen erneut gemessen. In einem zweiten Experiment wird ähnlich vorgegangen: Die Diversitäts-Darstellung über die Webseite wird mit der Diversitäts-Darstellung in der Produktkommunikation verglichen. Wieder werden Geschlecht & Ethnie variiert, jedoch nur zwischen divers vs. nicht divers; anstelle der Bewerbungs- wird die Kaufabsicht gemessen. Eine Statistik legt wieder zum Teil das Diversity-Washing offen.

Ergebnisse

Unternehmen senden mit ihrer Kommunikation Signale an die Öffentlichkeit. Diese beeinflussen die Wahrnehmung von Konsument*innen und Stakeholdern. Unsere Untersuchung zeigt: Eine sichtbare Diversitätsstrategie verbessert das Image, steigert die Glaubwürdigkeit und erhöht die Attraktivität eines Unternehmens – sowohl als Arbeitgeber als auch als Anbieter von Produkten.

Die positive Wirkung schlägt jedoch schnell ins Gegenteil um, wenn Unternehmen zwar Vielfalt kommunizieren, aber nicht danach handeln. Sobald Stakeholder eine Diskrepanz zwischen der gezeigten und der tatsächlichen Diversität erkennen, leidet vor allem die Glaubwürdigkeit massiv. Ein interessanter Effekt zeigte sich dabei in unserer Studie: Unternehmen, die sich besonders stark als divers präsentieren und später beim Diversity-Washing erwischt werden, erleiden in der Glaubwürdigkeit stärkere Einbußen als solche, die sich nie divers positioniert haben. Hier tritt ein sogenannter Backfire-Effekt ein – je höher die anfängliche Erwartung, desto stärker die Enttäuschung. Trotz der Risiken gibt es auch einen Puffer-Effekt: Unternehmen, die Diversität kommunizieren, schneiden in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch besser ab als jene, die Vielfalt gar nicht thematisieren – selbst wenn sich die Außendarstellung als übertrieben oder unehrlich herausstellt. Dies deutet darauf hin, dass viele Menschen eine diverse Selbstdarstellung grundsätzlich positiv bewerten, auch wenn sie nicht zu 100 % authentisch ist.

Unsere Ergebnisse zeigen somit insgesamt, dass eine glaubwürdige und gelebte Diversitätsstrategie Unternehmen klare Vorteile bringt. Wer hingegen nur vorgibt, divers zu sein, riskiert erhebliche Reputationsschäden. Unternehmen sollten daher nicht nur über Vielfalt reden, sondern Diversität auch aktiv in ihre Unternehmenskultur integrieren. Andernfalls kann die positive Wirkung schnell ins Gegenteil umschlagen. Die Debatte über Diversity-Washing ist damit nicht nur eine Frage der Unternehmenskommunikation, sondern auch eine Frage langfristiger Glaubwürdigkeit und nachhaltigen Unternehmenserfolgs.

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Steckbrief

Titel (deutsch): Corporate Diversity-Washing: Risiko oder Strategie?
Titel (englisch): Corporate Diversity-Washing: Risk or Strategy?
Erhebungszeitraum: 12/2024
Stichprobe (effektiv): 658
Stand der Informationen: 12.05.2025

Weitere Informationen

https://www.ifp.uni-mainz.de/

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Helen Spiller

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