Deyerl, Veronika

Diskriminierung psychisch Erkrankter auf dem Arbeitsmarkt

Es ist ein stetiger Anstieg an psychischen Erkrankungen in der deutschen Bevölkerung zu beobachten (vgl. Rabe-Menssen, Dazer & Maaß 2020). Insbesondere Depressionen zählen zu den häufigsten psychischen Störungen. Die WHO stuft diese im Rahmen der Global Burden of Disease Study als eine der Hauptursachen für krankheitsbedingte Behinderungen ein (vgl. Vos et al. 2012: 2184). Betroffene sind besonders auf dem Arbeitsmarkt trotz sozialpolitischer Bemühungen zur Inklusion Stigmatisierung und diskriminierendem Verhalten ausgesetzt (vgl. Rabe-Menssen, Dazer & Maaß 2020; Wolkenstein 2009; von Kardorff 2010; Campbell & Heginbotham 1991).

In vielen Fällen sind zugrundeliegende Einstellungen oder stereotypische Annahmen ursächlich für diskriminierendes Verhalten (vgl. z.B. Corell et al. 2002). Somit geht diskriminierendem Verhalten die Wahrnehmung von Unterschieden zwischen Individuen und deren Benennung (Labeling) sowie die stereotype Zuordnungen basierende auf der negativen Bewertung voraus(Link & Phelan 2002).

Arbeitgebende, die Depression stark mit Unproduktivität assoziieren, bewerten die Leistung von Bewerbenden mit Depression womöglich tendenziell schlechter, unberücksichtigt dessen, ob jene Einschätzung der Wahrheit entspricht. Dies hat zur Folge, dass Personen mit Depression unabhängig ihrer Leistung generell als weniger geeignete Arbeitskräfte angesehen werden und womöglich seltener eingestellt werden. Es kommt folglich zu einer strukturellen Ungleichbehandlung aufgrund der psychischen Krankheit, welche den Arbeitsmarktzugang Betroffener erheblich erschwert.

Methode

Zur Untersuchung impliziter Einstellungen diesbezüglich wird ein eigens konstruierter impliziter Assoziationstest (IAT) durchgeführt. Dieser misst die Assoziationsstärke der Probanden zwischen den Begriffen Depression und Unproduktivität sowie psychische Gesundheit und Produktivität. Zusätzlich wird eine Vignetten Studie zur Erfassung potenziellen diskriminierenden Verhaltens gegenüber Personen mit Depression im Arbeitsmarkkontext durchgeführt. Hierzu bewerten Teilnehmende fiktive Bewerbende hinsichtlich ihrer Eignung, die in Geschlecht (männlich/weiblich), Vorerkrankung (Depression/Diabetes/ keine Erkrankung) und Referenzen (ja/nein) variieren. Die erhobenen Daten werden mit Hilfe von linearen Regressionsmodellen und Mehrebenen-Analysen ausgewertet, um den Zusammenhang zwischen impliziten Einstellungen und diskriminierenden Verhalten in diesem Bereich zu untersuchen.

Ergebnisse

Es zeigte sich, dass der Großteil der Befragten eine starke unterbewusste Assoziation zwischen Depression und Unproduktivität bzw. psychischer Gesundheit und Produktivität besaß. Dieses Ergebnis war auch größtenteils konstant nach Kontrolle für unterschiedliche soziodemografische Merkmale. Lediglich für die Merkmale Geschlecht und Vorerfahrungen mit der Erhebungsmethodik des IATs konnten geringfügige signifikante Unterschiede festgestellt werden. So wiesen Frauen im Durchschnitt eine geringfügige schwächere Assoziationsstärke auf als Männer. Personen, die bereits zuvor an einem impliziten Assoziationstest teilgenommen hatten, besaßen hingegen eine geringfügig stärkere Assoziationsstärke.

Hinsichtlich der Vignettenstudie, wurde die Einstellungswahrscheinlichkeit im Mittel als deutlich geringer angegeben, sobald die bewerbende Person an einer Depression erkrankt sei im Vergleich zu bewerbenden Personen ohne Erkrankung. Die Einstellungswahrscheinlichkeit von Personen mit Diabetes wurde hingegen nur als geringfügiger niedriger eingeschätzt als von gesunden Personen. Entgegen der zuvor aufgestellten Hypothese, ließ sich zudem nicht feststellen, dass die zuvor durch den IAT-Test gemessene unterbewusste Assoziationsstärke in Zusammenhang mit dem gemessenen Einstellungswahrscheinlichkeiten stand.

Literatur

Rabe-Menssen, C., Dazer, A., & Maaß, E. (2021). Report psychotherapie 2021. //Deutsche PsychotherapeutenVereinigung eV.

Vos, T., Flaxman, A. D., Naghavi, M., Lozano, R., Michaud, C., Ezzati, M., ... & Harrison, J. E. (2012). Years lived with disability (YLDs) for 1160 sequelae of 289 diseases and injuries 1990–2010: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2010. //The lancet, 380(9859), 2163-2196.

Wolkenstein, L. (2009). Interventionen zur Verbesserung der Einstellung gegenüber psychisch erkrankten Menschen. //Evaluation am Beispiel von Menschen mit Bipolaren Störungen. Hamburg.

von Kardorff, E. (2010). Zur Diskriminierung psychisch kranker Menschen. // In: Hormel, U., Scherr, A. (eds) Diskriminierung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92394-9_13

Campbell, T., & Heginbotham, C. (1991). Mental illness: prejudice, discrimination and the law.

Correll, J., Park, B., Judd, C. M., & Wittenbrink, B. (2002). The police officer’s dilemma: Using ethnicity todisambiguate potentially threatening individuals.// Journal of Personality & Social Psychology, 83, 1314–1329.

Link, B. G., & Phelan, J. C. (2001). Conceptualizing stigma.// Annual review of Sociology, 27(1), 363-385.

Steckbrief

Titel (deutsch): Diskriminierung psychisch Erkrankter auf dem Arbeitsmarkt.
Titel (englisch): Discrimination against mentally ill people on the labor market.
Erhebungszeitraum: 10/2024–11/2024
Stichprobe (effektiv): 344
Stand der Informationen: 22.02.2025

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Veronika Deyerl

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