Auswirkungen und Akzeptanz gegenderter Personenbezeichnungen
Geschlechtergerechte Sprache ist ein kontroverses Thema. Im Fokus der Kritik steht das generische Maskulinum. Die zugrundeliegende Annahme ist, dass der bisherige Sprech- und Schreibgebrauch (u. a.) dazu führe, dass Frauen und nichtbinäre Geschlechtsidentitäten weniger stark mitgedacht und angesprochen werden als Männer. Um diese Gruppen sprachlich stärker zu repräsentieren, haben sich verschiedene Varianten für Personenbezeichnungen etabliert (z. B. Neutralisierungen wie Studierende, der wortinterne Doppelpunkt oder Unterstrich, sowie das Gendersternchen).
Die bisherige Forschung legt nahe, dass das generische Maskulinum tatsächlich zu einem geringeren Einbezug von Frauen führt als alternative Formen (Überblick: Sczesny, Formanowicz & Moser 2016), wobei Beidnennungen am ehesten dazu führen, dass an Männer und Frauen gleichermaßen gedacht wird. Stets zu bedenken sind dabei auch nicht-sprachliche Faktoren wie Stereotypeneffekte, also Vorannahmen darüber, dass bestimmte Personengruppen typischerweise von Männern oder Frauen dominiert werden (Braun et al. 1998).
Die Textverständlichkeit scheint durch Alternativbezeichnungen kaum bis gar nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden (siehe aber z. B. Friedrich et al. 2021).
In der vorliegenden Studie untersuchen wir, wie sich verschiedene Formulierungen (generisches Maskulinum, neutrale Formulierungen, Gendersternchen und Doppelpunkt) auf das Textverständnis und den gedanklichen Einbezug von Frauen und Männern auswirken – und welche Rolle politische Überzeugungen und persönliche Einstellungen zu Sprache und Gleichberechtigung bei der Bewertungen unterschiedlicher Formen spielen.
Methode
Die Versuchspersonen gingen zunächst davon aus, an einer Studie zur Textverständlichkeit teilzunehmen, wurden aber später aufgeklärt. Sie lasen jeweils eine von fünf Varianten desselben Lokalzeitungstextes über ein Stadtfest. Diese wurden ihnen zufällig zugewiesen und unterschieden sich nur darin, wie Personengruppen bezeichnet wurden (z.B. Besucher vs. Besuchende vs. Besucher:innen).
Im Fragebogen wurde erhoben, wie Versuchspersonen die Texte hinsichtlich ihrer Verständlichkeit bewerten, wie gut sie sich an den Inhalt erinnern, und wie hoch sie den Anteil der Geschlechter einschätzen.
Danach wurden Einstellungen zur Sprache ermittelt, etwa die gefühlte Wichtigkeit von Regeln oder die Position zu Eingriffen ins Sprachsystem. Nach der Beurteilung von Alternativformen (etwa Studierende vs. Student*innen) hinsichtlich verschiedener Aspekte wurden Einstellungen zur Gleichberechtigung und zu gendergerechter Sprache sowie die politische Orientierung erhoben.
Ergebnisse
Anders als in früheren Studien unterschieden sich bei uns die Schätzungen des Frauen- oder Männeranteils überhaupt nicht nach Textvariante: Überall wurden im Mittel gleich viele Männer und Frauen geschätzt. Dies spricht womöglich dafür, dass für den gewählten Kontext das Weltwissen den Einfluss sprachlicher Formen deutlich überwiegt.
Als interessanten Effekt konnten wir lediglich beobachten, dass abhängig davon, ob nach Frauen oder nach Männern gefragt wurde, der Anteil der jeweiligen Gruppe höher geschätzt wurde.
Auch, was die Verständlichkeit angeht, konnten wir keine signifikanten Unterschiede zwischen den Varianten feststellen – weder bei den subjektiven Bewertungen noch anhand des objektiveren Abschneidens bei den Inhaltsfragen.
Während die gefühlte Wichtigkeit von Rechtschreib- und Grammatikregeln keinen Zusammenhang mit der Einstellung zu geschlechtergerechter Sprache aufwies, konnten für alle anderen erhobenen Dimensionen mittlere bis starke Zusammenhänge festgestellt werden. Wer also sprachpessimistisch eingestellt ist oder staatliche Eingriffe ins Sprachsystem ablehnt, ist tendenziell auch kritischer gegenüber gendergerechter Sprache. Und wer sich gegen politisch motivierte Eingriffe in die Sprache ausspricht (diese also etwa als „Sprachverbote“ wahrnimmt), kann mit dem Gendern wahrscheinlich besonders wenig anfangen. Ähnliches gilt in umgekehrter Richtung für die Überzeugung, es gebe einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und Wirklichkeit – wer dies glaubt, steht gendergerechter Sprache tendenziell deutlich positiver gegenüber. Dabei weisen die beiden letztgenannten Dimensionen jeweils deutlich stärkere Zusammenhänge mit der Einstellung zu geschlechtergerechter Sprache auf als die politische Orientierung auf der üblichen Links-rechts-Skala.
Was die politische Orientierung selbst angeht, ließ sich feststellen, dass diejenigen, die politisch rechts orientiert waren, geschlechtergerechte Sprache fast ausnahmslos ablehnten, und dass die klarsten Befürworter ihrerseits tendenziell deutlich links eingestellt waren. Die Umkehrschlüsse sind allerdings nicht erlaubt: Wer sich politisch links verortet, kann geschlechtergerechte Sprache auch ablehnen – und die Ablehnung geschlechtergerechter Sprache allein lässt kaum Rückschlüsse auf die politische Einstellung zu.
Literatur
Braun, F., Gottburgsen, A., Sczesny, S., & Stahlberg, D. (1998). Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen. Zeitschrift für Germanistische Linguistik, 26(3), 265–283. https://doi.org/10.1515/zfgl.1998.26.3.265
Friedrich, M., Drößler, V., Oberlehberg, N., & Heise, Elke (2021). The Influence of the Gender Asterisk (“Gendersternchen”) on Comprehensibility and Interest. Frontiers in Psychology, 12. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.760062
Sczesny, S., Formanowicz, M., & Moser, F. (2016). Can gender-fair language reduce gender stereotyping and discrimination? Frontiers in Psychology, 7. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2016.00025
Steckbrief
Titel (deutsch): | Auswirkungen und Akzeptanz gegenderter Personenbezeichnungen |
Titel (englisch): | Effects and acceptance of gendered personal designations |
Erhebungszeitraum: | 10/2024 |
Stichprobe (effektiv): | 372 |
Stand der Informationen: | 07.02.2025 |