Ort, Alexander & Sukalla, Freya

Wie man Stigma besser messen kann

Alternative Frageformulierungen im Test

Stigma, also die Abwertung bestimmter Gruppen durch negative Stereotype, hat weitreichende negative Effekte auf die betroffenen Personen und ihre gesellschaftliche Teilhabe. Traditionelle Befragungen zu Stigma beinhalten häufig Aussagen, die explizit stereotype Vorstellungen wie "gefährlich" oder "verantwortungslos" abfragen. Studien deuten darauf hin, dass diese Formulierungen nicht nur Einstellungen messen, sondern auch Stigma aktivieren oder verstärken können. Dies stellt Forschende vor eine ethische Herausforderung: Wie können wir Stigma messen, ohne es gleichzeitig zu reproduzieren? Unsere Studie setzt hier an und untersucht alternative Formulierungen, die Stereotype vermeiden oder positiv umkehren. Ziel ist es, herauszufinden, ob diese neuen Formulierungen zu weniger stigmatisierenden Effekten führen können und gleichzeitig valide Daten liefern.

Methode

In einem Experiment mit 1'512 Teilnehmenden testeten wir drei unterschiedliche Formulierungsansätze in Fragen zu HIV, Adipositas und Schizophrenie: (1) die traditionelle Formulierung mit negativen Stereotypen, (2) positiv umformulierte Aussagen (z.B. "Auch verantwortungsbewusste Menschen können HIV haben") und (3) bipolar neutrale Formulierungen, die mit Gegensatzpaaren wie „verantwortungslos – verantwortungsbewusst“ arbeiten. Die Teilnehmenden wurden zufällig einer der Formulierungen zugewiesen und gebeten, Fragen zu beantworten, die ihre Einstellung zur jeweiligen Gruppe messen sollten. Zusätzlich bewerteten sie die Verständlichkeit und die empfundene Nützlichkeit der Skalen.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass positiv formulierte Fragen die soziale Distanz zur Zielgruppe verringern, vor allem bei Teilnehmenden mit wenig Vorerfahrung mit der stigmatisierten Gruppe. Dies deutet darauf hin, dass alternative Formulierungen besonders bei Personengruppen wirksam sind, die tendenziell stärkere Vorurteile haben. Zudem berichten die Teilnehmenden, dass positiv und neutral formulierte Fragen weniger nützlich und weniger klar sind als die traditionellen Formulierungen. Diese Rückmeldungen weisen darauf hin, dass die alternativen Fragen noch weiter verbessert werden müssen, um sowohl verständlich als auch praktikabel zu sein. Unsere Studie zeigt, dass die Entwicklung von weniger stigmatisierenden Messinstrumenten für die Praxis möglich ist, aber Feinabstimmungen in der Formulierung nötig sind, um die Akzeptanz und Verständlichkeit für Teilnehmende zu erhöhen.

Steckbrief

Titel (deutsch): Wie man Stigma besser messen kann: Alternative Frageformulierungen im Test
Titel (englisch): Rethinking Stigma Assessment
Erhebungszeitraum: 07/2024–08/2024
Stichprobe (effektiv): 1.512
Stand der Informationen: 08.11.2024

Kontakt

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