Klein, Alexander

Soll der Cannabiserwerb und -besitz zum Eigenkonsum strafbar bleiben?

Eine empirische Studie zu Schwereeinschätzungen in der Bevölkerung

Der empirisch-soziologische Verbrechensbegriff stellt den theoretischen Ausgangspunkt dieser Forschung dar (Vgl. Walter, 2019, S. 52 ff.). Der Zweck von Kriminalstrafe liegt dabei ausschließlich in der Befriedigung von gesellschaftlich vorfindbaren Vergeltungsbedürfnissen. Dieser Ausgleich muss durch die staatlichen Stellen vorgenommen werden (Walter, 2014, S. 837 ff.).

Um herauszufinden, ob und in welcher Höhe ein bestimmtes menschliches Verhalten in der deutschen Bevölkerung für strafbar gehalten wird, muss als vorgelagerter Schritt zur Gesetzgebung eine kriminologische Schwereinschätzungsforschung in der Gesamtbevölkerung durchgeführt werden (Walter, 2019, S. 56 f.).

Daran anknüpfend ist es das Ziel dieser Forschung, herauszufinden, ob und in welchem Umfang in der deutschen Bevölkerung Strafbedürfnisse hinsichtlich des Anbaus, des Besitzes und des Erwerbs von Cannabis vorhanden sind. Des Weiteren soll mit Hilfe dieser Forschung die Frage beantwortet werden, welche Faktoren die Schwereeinschätzung im Deliktsbereich des Betäubungsmittelstrafrechts beeinflussen.

Methode

Zur Erreichung dieses Forschungsziels wurden drei alternative Fragebögen (between subjects design) erstellt. Die Probanden erhalten per Zufallsauswahl einen dieser drei Fragebögen. Das between subjects design wurde zur besseren Hypothesenprüfung gewählt. Es werden in den Fragebögen jeweils neutrale Sachverhalte geschildert (Fallvignettendesign), die nach geltendem Recht bis einschließlich 31. März 2024 in der praktischen Strafrechtsanwendung zu ähnlich hohen strafrechtlichen Sanktionsfolgen führten. Es handelt sich dabei um betäubungsmittelrechtliche Delikte (Cannabis und Kokain), eine Trunkenheitsfahrt, eine Körperverletzung, einen Diebstahl und eine Sachbeschädigung. Die betäubungsmittelrechtlichen Delikte beschäftigen sich mit den Tathandlungen des Besitzes, des Erwerbs und des Anbaus. Im Anschluss an die jeweilige Sachverhaltsschilderung können die Befragten eine von acht vorgegebenen Sanktionsmöglichkeiten ankreuzen.

Ergebnisse

Zur Erlangung der entscheidenden kriminologischen Ergebnisse wurde im Zeitraum vom 27. Mai 2024 bis 16. Juni 2024 eine Onlinebefragung durchgeführt.

Zwei Mitarbeitende des Statistischen Beratungslabors der Ludwig-Maximilians-Universität München (Lehrstuhl Prof. Dr. Küchenhoff), Frau Veit und Herr Funk, führten die statistische Auswertung der Befragungsergebnisse durch und fassten diese wie folgt zusammen (nebst weiteren Ergänzungen des Forschungsleiters in der nachfolgenden Kurzzusammenfassung):

Die acht verschiedenen Sanktionsmöglichkeiten wurden mit Hilfe von zwei Cumulative Link Mixed Modellen modelliert, um die im Methodikteil beschriebenen Hypothesen zu überprüfen. Zusätzlich wurden die Daten deskriptiv analysiert. Dabei zeigten sich Unterschiede in der Schwereeinschätzung bezogen auf die oben beschriebenen Delikte, obwohl alle Sachverhaltsschilderungen im ersten und dritten Fragebogen nach der alten Rechtslage bis einschließlich 31. März 2024 in der Praxis grundsätzlich dieselbe Strafe nach sich zogen (Geldstrafe in Form von 45 Tagessätzen bei einem nicht vorbestraften Ersttäter). Auch innerhalb der Betäubungsmitteldelikte gab es Unterschiede in der Schwereeinschätzung. Selbst wenn die Probanden die cannabiskonsumnahen Sachverhaltsschilderungen teilweise als strafrechtsrelevantes Verhalten einstuften, zeigt sich dennoch, dass die jeweils ersten drei Fälle der drei Fragebögen tendenziell ein vergleichsweise niedrigeres Strafmaß aus Sicht der Studienteilnehmenden nach sich ziehen sollen.

Literatur

Walter, Tonio (2014). Das Absolute wird relativ – wie sich Vergeltung als Strafzweck soziologisch begründen lässt.Kriminologie – Jugendkriminalrecht – Strafvollzug. Gedächtnisschrift für Michael Walter, 831–849.

Walter, Tonio (2019). Grundlagen einer empirisch begründeten Vergeltungstheorie.Schriften zur Kriminologie, Band 15. Strafen „im Namen des Volkes“?. Zur rechtlichen und kriminalpolitischen Relevanz empirisch feststellbarer Strafbedürfnisse der Bevölkerung, 49–60.

Steckbrief

Titel (deutsch): Soll der Cannabiserwerb und -besitz zum Eigenkonsum strafbar bleiben? Eine empirische Studie zu Schwereeinschätzungen in der Bevölkerung
Titel (englisch):
Erhebungszeitraum: 05/2024–06/2024
Stichprobe (effektiv): 3.338
Stand der Informationen: 19.09.2024

Publikationen

Die gesamten Ergebnisse zu den einzelnen Hypothesen werden in naher Zukunft in einem Forschungsbericht im Rahmen einer Dissertation an der Universität Regensburg (Lehrstuhl Prof. Dr. Tonio Walter, RiObLG a. D.; Fakultät für Rechtswissenschaft) veröffentlicht.

Kontakt

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