Staudt, Andreas; Baumann, Sophie; Zeiser, Maria; Markwart, Henriette & Möhring, Anne

Untersuchung der Änderungsmotivation laut Transtheoretischem Modell bei Alkoholkonsument*innen

Wissenschaftliche Evidenz der letzten 10 Jahre deutet darauf hin, dass jeglicher Alkoholkonsum das Risiko für Erkrankungen erhöht (John et al., 2021), insbesondere für Krebs (Rehm & Shield, 2021). Präventive Maßnahmen richteten sich bisher fast ausschließlich an Personen mit riskantem Alkoholkonsum (Kaner et al., 2018), die jedoch nur einen Teil aller Alkoholkonsument*innen in der Bevölkerung ausmachen. Unser übergeordnetes Projektziel ist die Entwicklung einer digitalen Kurzintervention, die in der Bevölkerung ein Bewusstsein dafür schafft, dass Alkohol generell ein Gesundheitsrisiko darstellt, auch für diejenigen, die wenig oder moderat Alkohol trinken. Die Intervention wird auf dem Transtheoretischen Modell der Verhaltensänderung (TTM; Velicer et al., 2000) aufgebaut sein und sich an alle Alkoholkonsument*innen richten, unabhängig davon wie viel Alkohol diese trinken. Bisher wurden das TTM jedoch nur bei Personen mit erhöhtem Alkoholkonsum untersucht (Baumann et al., 2013). Inwieweit es sich auf die Gesamtheit aller Alkoholkonsument*innen anwenden lässt, soll mit der vorliegenden Befragung ermittelt werden. Ziel dieser Studie ist daher die Überprüfung der Vorhersagen des TTM bei allen Alkoholkonsument*innen.

Methode

Aus den Erkenntnissen von qualitativen Vorarbeiten (Interviews, Fokusgruppen) im Projekt wurden bestehende Fragebögen zu den TTM-Konstrukten Entscheidungsbalance (Vor- und Nachteile des Alkoholkonsums), Selbstwirksamkeit und (kognitive und behaviorale) Verhaltensänderungsstrategien adaptiert, um explizit die motivationale Situation von Personen mit geringem bis moderatem Alkoholkonsum mit zu berücksichtigen. Zusätzlich wurde ein Fragebogen zur Stigmatisierung von alkoholabstinenten Personen entwickelt, da sich dies in den Interviews als möglicher Faktor einer Verhaltensänderung herausgestellt hat. Die Fragebögen sind komplett standardisiert. An der Befragung teilnehmen konnten Menschen im Alter zwischen 18 und 70 Jahren, die mindestens einmal innerhalb der letzten 30 Tage Alkohol getrunken haben (Einschlusskriterien). Nach erfolgter Datenbereinigung konnten die Angaben von insgesamt 1.157 Personen aus dem SoSci-Panel ausgewertet werden.

Ergebnisse

Die 1.157 Teilnehmenden (57% Frauen) waren im Durchschnitt 47 Jahre alt (SD = 14 Jahre) und hatten mehrheitlich einen hohen Bildungshintergrund. In der Stichprobe fand sich eine große Heterogenität an Alkoholkonsummustern. Die Hälfte der Befragten (52%) wurde aufgrund ihrer Selbstangaben in das Stadium der Absichtslosigkeit eingeordnet. Diese Personen hatten zum Zeitpunkt der Befragung keine Motivation und sahen keine Notwendigkeit, ihr Trinkverhalten zu verändern. Ein Drittel der Befragten (26% Absichtsbildung und 7% Vorbereitung) zeigte sich dagegen motiviert, den eigenen Konsum in Zukunft zu reduzieren. Fünfzehn Prozent der Befragten berichteten davon, seit Kurzem weniger Alkohol zu trinken (Stadium der Handlung). Es zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Trinkverhalten und Motivationsstadium: Je höher der durchschnittliche Wochenkonsum der Befragten war, desto stärker ausgeprägt war ihre Motivation, diesen in Zukunft zu verringern. Bei genauerer Analyse wurde deutlich, dass sich die Vorhersagen des TTM auf die Gesamtheit aller Alkoholkonsument*innen in der Bevölkerung anwenden ließ. Konkret berichteten die Befragten mit steigender Änderungsmotivation von höherer Selbstwirksamkeit. Während Personen im Stadium der Absichtslosigkeit mehrheitlich Nachteile in der Reduktion des eigenen Alkoholkonsums sahen, wurden die Vorteile der Verhaltensänderung mit steigender Motivation höher gewichtet.

Literatur

Baumann, S., Gaertner, B., Schnuerer, I., Bischof, G., John, U., & Freyer-Adam, J. (2013). How well do TTM measures work among a sample of individuals with unhealthy alcohol use that is characterized by low readiness to change?. Psychology of Addictive Behaviors, 27(3), 573-583. https://doi.org/10.1037/a0029368

John, U., Hanke, M., Freyer-Adam, J., Baumann, S., & Meyer C. (2021). Suchtstoffe, Suchtformen und ihre Auswirkungen: Alkohol. In: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., ed. DHS Jahrbuch Sucht 2021. Pabst.

Kaner, E. F., Beyer, F. R., Muirhead, C., Campbell, F., Pienaar, E. D., Bertholet, N., ... & Burnand, B. (2018). Effectiveness of brief alcohol interventions in primary care populations. Cochrane Database of Systematic Reviews, 2018(2): Article CD004148. https://doi.org/10.1002/14651858.CD004148.pub4

Rehm, J., & Shield, K. D. (2021). Alcohol Use and Cancer in the European Union. European Addiction Research, 27(1): 1-8. https://doi.org/10.1159/000507017

Velicer, W. F., Prochaska, J. O., Fava, J. L., Rossi, J. S., Redding, C. A., Laforge, R. G., & Robbins, M. L. (2000). Using the transtheoretical model for population-based approaches to health promotion and disease prevention. Homeostasis in Health and Disease, 40(5), 174-195.

Steckbrief

Titel (deutsch): Untersuchung der Änderungsmotivation laut Transtheoretischem Modell bei Alkoholkonsument*innen
Titel (englisch): Investigating motivation to change according to the Transtheoretical Model in alcohol consumers
Erhebungszeitraum: 03/2024–04/2024
Stichprobe (effektiv): 1.157
Stand der Informationen: 28.06.2024

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