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Welche Eigenschaften, Fähigkeiten und Medien helfen Menschen plausible von unplausiblen Verschwörungstheorien zu unterscheiden?
Im alltäglichen Sprachgebrauch wird das Label Verschwörungstheoretiker:in häufig dazu verwendet, Personen aus der öffentlichen Debatte auszuschließen (Husting & Orr, 2007). Dies liegt auch an der impliziten Annahme, dass Verschwörungstheorien prinzipiell unwahr sind. Im wissenschaftlichen Diskurs setzt sich zusehends eine andere „minimalistische“ Definition durch (z.B. Duetz, 2022), bei welcher der Wahrheitsgehalt bzw. die Plausibilität der Aussage zweitranig ist (Nera & Schöpfer, 2023). Vielmehr steht das geheime Zusammenarbeiten von Akteur:innen im Vordergrund (z.B. Douglas & Sutton, 2023). Diese Studie unterscheidet zwischen plausiblen (z.B. der durch Edward Snowden aufgedeckte Überwachungsskandal der NSA) und unplausiblen (z.B., dass die Anschläge vom 11. September von den USA geplant wurden) Verschwörungstheorien, um herauszufinden, ob Individuen zwischen beiden unterscheiden können. Mit Hilfe zweier Indices aus der Signalentdeckungstheorie, welche bereits in der Forschung zu Misinformation zur Anwendung kommen (Guay, 2023; Batailleretal, 2022), können die individuelle Unterscheidungsfähigkeit (z.B. wie gut sind Personen darin, plausible und unplausible Verschwörungstheorien zu unterscheiden) und die allgemeine Tendenz, in eine bestimmte Richtung zu antworten (z.B. alle Verschwörungstheorien egal ob plausibel oder unplausibel werden als glaubwürdig wahrgenommen) getrennt werden.
Methode
In dieser präregistierten Studie wurde korrelativ untersucht, 1.) welchen Einfluss politische Voreinstellungen auf die allgemeine Tendenz, an alle Verschwörungstheorien zu glauben, haben; sowie 2.) inwiefern Mediennutzungsverhalten und Wissen über Medien die Unterscheidungsfähigkeit beeinflussen und 3.) ob kognitive Reflexionsfähigkeit und die Tendenz zu „acitively open-minded thinking“ Individuen dabei unterstützen, besser zwischen plausiblen und unplausiblen Verschwörungstheorien zu unterscheiden. Hierfür wurden die Proband:innen mit acht plausiblen und acht unplausiblen konfrontiert und sollten ihre persönliche Einschätzung bezüglich deren Plausibilitätsgrads geben. Die Auswertung erfolgte anhand zweier multipler Regressionen, jeweils eine pro Index (individuelle Unterscheidungsfähigkeit & allgemeine Tendenz).
Ergebnisse
Verschwörungsmentlität zeigt sich in einer Zustimmung zu Aussagen wie: "Ich denke, es geschehen viele sehr wichtige Dinge in der Welt, über die die Öffentlichkeit nie informiert wird." oder "Ich denke, Ereignisse, die auf den ersten Blick nicht miteinander in Verbindung zu stehen scheinen, sind oft das Ergebnis geheimer Aktivitäten." (Bruder et al., 2013). Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Menschen mit einer ausgeprägten aber eher abstrakten Verschwörungsmentalität sowohl plausible als auch unplausible spezifische Verschwörungstheorien eher für glaubwürdig halten. Allerdings war der Effekt größer für den Glauben an unplausible Verschwörungstheorien.
Personen die in Tests zu ihrer kognitiven Reflexionsfähigkeit und ihrem Wissen zum Mediensystem besser abschnitten, sowie Menschen, welche von sich behaupten aktiv aufgeschlossenen zu Denken (z.B. "Sich von einem Gegenargument überzeugen zu lassen ist ein Zeichen für einen guten Charakter.") waren besser darin, plausible von unplausiblen Verschwörungstheorien zu unterscheiden.
Dagegen waren Nutzer:innen von alternativen Medien (z.B. Russia Today, Tichys Einblick, die Junge Freiheit, Reitschuster, Achtung, Reichelt!) und Personen die sich tendenziell "rechts" auf dem politischen Spektrum veorten schlechter darin, plausible und unplausible Verschwörungstheorien auseinander zu halten. Explorativ konnte festgestellt werden, dass Zeitungsleser (z.B. FAZ, Süddeutsche, Spiegel, Focus, Die Zeit) eine gute Unterscheidungsfähigkeit vorweisen.
Literatur
Batailler, C., Brannon, S. M., Teas, P. E., & Gawronski, B. (2022). A Signal Detection
Approach to Understanding the Identification of Fake News.// Perspectives on
Psychological Science : A Journal of the Association for Psychological Science, 17//(1),
78–98. https://doi.org/10.1177/1745691620986135
Bruder, M., Haffke, P., Neave, N., Nouripanah, N., & Imhoff, R. (2013). Measuring individual
differences in generic beliefs in conspiracy theories across cultures: Conspiracy
mentality questionnaire. Frontiers in Psychology, 4, 225.
https://doi.org/10.3389/fpsyg.2013.00225
Douglas, K. M., & Sutton, R. M. (2023). What Are Conspiracy Theories? A Definitional
Approach to Their Correlates, Consequences, and Communication. //Annual Review of
Psychology, 74,// 271–298. https://doi.org/10.1146/annurev-psych-032420-031329
Duetz, J. C. M. (2022). Conspiracy Theories are Not Beliefs. Erkenntnis. Advance online
publication. https://doi.org/10.1007/s10670-022-00620-z
Guay, B., Berinsky, A. J., Pennycook, G., & Rand, D. (2023). How to think about whether
misinformation interventions work. Nature Human Behaviour, 7(8), 1231–1233.
https://doi.org/10.1038/s41562-023-01667-w
Husting, G., & Orr, M. (2007). Dangerous Machinery: "Conspiracy Theorist" as a
Transpersonal Strategy of Exclusion. Symbolic Interaction, 30(2), 127–150.
https://doi.org/10.1525/si.2007.30.2.127
Nera, K., & Schöpfer, C. (2023). What is so special about conspiracy theories? Conceptually
distinguishing beliefs in conspiracy theories from conspiracy beliefs in psychological
research. Theory & Psychology, 33(3), 287–305.
https://doi.org/10.1177/09593543231155891
Steckbrief
Titel (deutsch): | (Fehl)informiert! Welche Eigenschaften, Fähigkeiten und Medien helfen Menschen plausible von unplausiblen Verschwörungstheorien zu unterscheiden? |
Titel (englisch): | (Not) so Different? Differences Between Individuals Believing in Plausible vs. Implausible Conspiracy Theories. |
Erhebungszeitraum: | 03/2024 |
Stichprobe (effektiv): | 1.144 |
Stand der Informationen: | 17.06.2024 |