Meltzer, Christine E.

Zum Einfluss der Medienberichterstattung über Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen

In der deutschen Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen und insbesondere partnerschaftlicher Gewalt (also solche, die von aktuellen intimen Partnern oder Expartnern ausgeübt wird) werden zwei zentrale Punkte kritisiert: 1) dass sie oft Einzelfälle in den Fokus stellt (episodisches Framing) und strukturelle Probleme (wie das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen und mangelnde Plätze in Hilfseinrichtungen, thematisches Framing) vernachlässigt und 2) dass so sie so gut wie nie auf Hilfseinrichtungen verweist (Meltzer, 2021). Diese beiden Aspekte werden in vielen Richtlinien journalistischer Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen angesprochen, wurden jedoch noch nie systematisch auf ihre Wirkung getestet.

Die Ergebnisse könnten zur Verbesserung journalistischer Richtlinien und Praktiken beitragen. In der Ausarbeitung des Fragebogens wurde sich auf etablierte Skalen bezogen. Die Sensibilität der Forschungsfrage ist der Antragstellerin durchaus bewusst. Daher wurden folgende Maßnahmen ergriffen: Am Anfang der Studie wurde eine Triggerwarnung eingefügt. Bei der Frage nach persönlichen Erfahrungen gibt es keine Pflicht zur Antwort eingeführt. Weiterhin wurde ein ausführliches Debriefing am Ende der Studie bereitgestellt und in diesem Kontext Informationen über Hilfshotlines zur Verfügung gestellt. Bei der Gestaltung des Fragebogens wurde besondere Sorgfalt darauf verwendet, sofern möglich, die Wiederholung bestehender Stereotype zu vermeiden.

Methode

Getestet werden soll ein 3 x 2 between subjects design. Es werden drei verschiedene fiktive journalistische Beiträge erstellt, eine reine Einzelfallbeschreibung, eine reine strukturelle Berichterstattung (die zwar fiktiv ist, aber auf realen Zahlen beruht) sowie eine Mischform der beiden Versionen. Jede dieser Versionen wird mit Hinweisen auf (ebenfalls reale) Hilfseinrichtungen versehen oder nicht.

Als AV wird getestet, wie verschiedene Arten der Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen zu unterschiedlichen Akzeptanz von Gewalt gegen Frauen (Gracia & Herrero, 2006) Wahrnehmung der Dringlichkeit des Problems (Gracia, 2006) und Verantwortungszuschreibung (Domestic Violence Blame Scale (DVBS)) führen. Als Moderator wird neben dem Geschlecht Sexismus (Rollero, Glick & Tartaglia, 2014), sowie persönliche Gewalterfahrung mit einbezogen.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen keinen Einfluss der Stimuli auf die geschätzte Prävalenz von partnerschaftlicher Gewalt in der Gesellschaft. Hinsichtlich der wahrgenommenen Dringlichkeit des Problems wurde körperliche, psychische und sexuelle Gewalt in der thematischen Version des Artikels als am schwersten empfunden, im Gegensatz zur episodischen oder hybriden Form. Wider Erwarten geschah dies insbesondere in der Artikelversion ohne Unterstützungsangebote. Bei der Frage, wer die Schuld an der Gewalt trägt, zeigte sich ein anderes Muster: Es wurden keine Unterschiede zwischen den Stimuli in Bezug auf die gesellschaftliche Schuld, die Schuld des Opfers oder die Schuld des Täters für partnerschaftliche Gewalt festgestellt. Allerdings wurde die situative Schuld von den Teilnehmern, die die Hybridform des Artikels lasen, am stärksten wahrgenommen. Das Vorhandensein von Unterstützungsdiensten zeigte keinen Einfluss auf die Schuldzuweisung.

Steckbrief

Titel (deutsch): Zum Einfluss der Medienberichterstattung über Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen
Titel (englisch): Framing the Narrative: Understanding the Influences of Media Reporting on Intimate Partner Violence Against Women
Erhebungszeitraum: 11/2023
Stichprobe (effektiv): 76
Stand der Informationen: 20.02.2024

Kontakt

christine.meltzer@ijk.hmtm-hannover.de

© 2009-2024 SoSci Panel