Koch, Eva

Grenzenlose Aufrichtigkeit statt grüner Versprechen?

Wie sich Transparenz in der CSR-Kommunikation auf die Wahrnehmung von Unternehmen auswirkt

„Die Welt brennt und statt Löschwasser holt man grüne Farbe raus“ (Neubauer, 2023). Mit diesen Worten beschreibt die Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer den aktuellen wirtschaftlichen Umgang mit dem voranschreitenden Klimawandel. Greenwashing, das Praktizieren umweltschädlicher Unternehmensaktivitäten unter gleichzeitiger positiver Kommunikation über scheinbar umweltschützende Unternehmensaktivitäten ist ein weit verbreitetes Phänomen (Delmas & Burbano, 2011). Infolge einer Studie, welche zu dem Ergebnis gelangt, dass über die Hälfte der untersuchten Werbebotschaften tatsächlich als Greenwashing einzustufen ist, entschied die Europäische Kommission, dieser unlauteren Praxis Einhalt zu gebieten. Anstelle von unklaren Werbeversprechen, die Verbraucher*innen dazu ermutigen sollen, vermeintlich klimafreundliche Produkte zu erwerben, fordert die Europäische Kommission für die Zukunft Transparenz und Zuverlässigkeit in den Umweltaussagen der Unternehmen (Europäische Kommission, 2023). Da die Umsetzung von Transparenz innerhalb der CSR-Kommunikation bis dato konturenlos geblieben ist, differenziert diese Forschungsarbeit in der Transparenzbetrachtung zwischen einseitiger und zweiseitiger Kommunikation. Bei einseitigen Werbebotschaften werden ausschließlich positive Aspekte des beworbenen Produkts oder der Dienstleistung hervorgehoben, während zweiseitige Werbebotschaften zusätzlich negative Aspekte, wie Herausforderungen, berücksichtigen. Zusätzlich wird das Persuasion Knowledge Model zur Differenzierung des Forschungsinteresses auf die Individualebene beleuchtet, indem untersucht wird inwieweit sich Persuasions- und Themenwissen auf die Verarbeitungsprozesse von (transparenter) CSR-Kommunikation auswirken.

Methode

Um diese Frage zu untersuchen, wurde eine experimentelle Studie im Rahmen einer quantitativen Online-Befragung durchgeführt, wobei Green Advertising als Teilbereich der CSR-Kommunikation im Zentrum stand. Um die Werbepraxis im Bereich der Nachhaltigkeit zu untersuchen, wurde mittels einer Social Media Werbung eines fiktiven Modeunternehmens analysiert, wie sich verschiedene Transparenzstufen über die wahrgenommene Glaubwürdigkeit der Botschaft auf die Glaubwürdigkeit und das Image des Unternehmens auswirkt. Um klare Unterschiede feststellen zu können, wurden die Transparenzstufen in drei Ausprägungen kategorisiert: Fehlende Transparenz (Greenwashing), Einseitige Transparenz und Zweiseitige Transparenz. Zusätzlich wurde untersucht, inwieweit individuelles Persuasionswissen und Themenwissen die Wirkmechanismen von Transparenz beeinflussen.

Ergebnisse

Die Studienergebnisse zeigen, dass nur durch zweiseitige Transparenz positive Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit und das Image des Unternehmens zustande kommen. Insbesondere das hohe Persuasionswissen innerhalb der Stichprobe verdeutlicht, dass Transparenz nicht automatisch zu einer positiveren Wahrnehmung führt. Vielmehr wurde festgestellt, dass einseitige Transparenz, also das Hervorheben positiver Informationen und Nachweise von CSR-Maßnahmen, einen negativeren Effekt auf das Unternehmen hatte als gar keine transparenten Informationen anzubieten, was in dieser Studienumsetzung bedeutet, Greenwashing zu betreiben. Daher ist es nicht ausreichend, lediglich einseitige Transparenz in der Werbepraxis sicherzustellen, um negative Einstellungen auf Seiten der Rezipierenden zu überwinden. Im Vergleich zu einseitiger Transparenz kann Greenwashing gar als attraktivere Werbemaßnahme angesehen werden, da sich diese positiver auf die Unternehmenswahrnehmung auswirkt. Diese Studie bestätigt damit die Erkenntnisse der Persuasionsforschung im Bereich der CSR: Zweiseitige Botschaften führen dazu, dass die Glaubwürdigkeit der Botschaft sowie die Glaubwürdigkeit und das Image des werbenden Unternehmens positiver wahrgenommen werden (Kim et al., 2022; Heinberg et al., 2021).Zusätzlich bestätigen die Erkenntnisse der hiesigen Forschungsarbeit die Studienergebnisse des Göttinger Instituts im Auftrag der deutschen Verbraucherzentrale, wonach Verbraucher*innen häufig nicht in der Lage sind, Greenwashing zu erkennen (Zühlsdorf et al., 2023). Umso bedeutsamer erscheint deshalb der aktuelle politische Wandel, welcher verschiedene Richtlinien, Gesetze und Kontrollmechanismen wie beispielsweise die Green Claims Directive hervorbringt. Hierdurch werden Beschränkungen für manipulative Werbemethoden geschaffen, die im Laufe der Zeit die Attraktivität von Greenwashing verringern und so zu einem Paradigmenwechsel im Bereich des Green Advertisings führen könnten.

Literatur

Delmas, M. A., & Burbano, V. C. (2011). The Drivers of Greenwashing. California Management Review, 54(1), 64–87. https://doi.org/10.1525/cmr.2011.54.1.64

Europäische Kommission. (2023). Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (Richtlinie über Umweltaussagen).

Heinberg, M., Liu, Y., Huang, X., & Eisingerich, A. B. (2021). A Bad Job of Doing Good: Does Corporate Transparency on a Country and Company Level Moderate Corporate Social Responsibility Effectiveness? Journal of International Marketing, 29(2), 45–61. https://doi.org/10.1177/1069031X20981870

Kim, E. A., Shoenberger, H., Kwon, E. P., & Ratneshwar, S. (2022). A narrative approach for overcoming the message credibility problem in green advertising. Journal of Business Research, 147, 449–461. https://doi.org/10.1016/j.jbusres.2022.04.024

Neubauer, L. (2023). LUISA NEUBAUER - Cut the Bullshit—YouTube. https://www.youtube.com/

Zühlsdorf, A., Kühl, S., Radda, D., & Spiller, A. (2023). Grüne Marketingclaims auf Lebensmitteln. Verbraucherstudie zum Verständnis von Umwelt—und klimabezogenen Werbeaussagen.

Steckbrief

Titel (deutsch): Grenzenlose Aufrichtigkeit statt grüner Versprechen? Wie sich Transparenz in der CSR-Kommunikation auf die Wahrnehmung von Unternehmen auswirkt
Titel (englisch): Boundless sincerity instead of green promises? How transparency in CSR communication affects the perception of companies
Erhebungszeitraum: 11/2023–12/2023
Stichprobe (effektiv): 239
Stand der Informationen: 04.03.2024

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