Walter-Rogg, Melanie & Raphael Richter

Die Universitätsstudie Bayernwahl (USBW23)

Lehrforschungsprojekt zur bayerischen Landtagswahl 2023

Das Institut für Politikwissenschaft der Universität Regensburg hat bereits zur Landtagswahl 2018 in Bayern ein Lehrforschungsprojekt mit über 200 Studierenden an der Universitäten Regensburg, Passau und der LMU München zum Schwerpunktthema „Wählerwanderung“ durchgeführt. Dafür waren wir für Nachwahlbefragungen in vielen Wahllokalen bayerischer Gemeinden und haben noch weitere Daten zur LTW 2018 erhoben. Neben den Exit Polls, wurden eine bayernweite Telefonbefragung, eine Online-Befragung im SoSci-Panel sowie die Erhebung der Twitter-Daten bayerischer Politiker:innen auf Bundes- und Landesebene 6 Monate vor der Landtagswahl 2018 durchgeführt. Am 4. August ist hierzu beim Verlag Springer VS der Ergebnisband „Die Landtagswahl 2018 in Bayern. Analysen zum Wahlverhalten und zur politischen Kultur im Freistaat“ (Springer VS 2023, https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-41392-7) erschienen bei der einige BA- und MA-Studierende des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Regensburg als Autoren mitwirkten. Zudem haben wir im 3. Kapitel explizit die Ergebnisse unseres Fragebogens, den wir im SoSci-Panel zur LTW 2018 eingereicht hatten, ausgewertet und die Antworten der bayerischen Bildungselite mit den Ergebnissen repräsentativer Befragungen verglichen (vgl. Walter-Rogg, Lambert, Eckl und Freyler 2023). Dabei hatten sich 1.835 Personen aus dem SoSci-Panel beteiligt, die zur LTW 2018 wahlberechtigt waren.

Zur Landtagswahl am 8. Oktober 2023 in Bayern führten wir erneut ein Lehrforschungsprojekt mit dem Thema „Wahlen & Politik in Bayern“ durch. Auch dieses Mal waren viele Studierende der Universität Regensburg an dem Projekt beteiligt, das im Zeitraum von 4 Wochen vor der Bayernwahl 2023 und 4 Wochen danach stattfand. Wieder ist ein Ergebnisband beim Verlag Springer VS geplant. Für die Fortführung unserer Datenbasis und den Vergleich der Einstellungen der Bevölkerung sowie der akademischen Bildungselite des SoSci-Panels ist die Wiederholung der Online-Befragung sehr wertvoll.

Methode

Erhebung qualitativer und quantitativer Datenmodule im Rahmen eines Feldexperimentes mit standardisierten schriftlichen Befragungen, Tiefeninterviews mit teil-standardisierten Leitfäden, Haustürbesuchen und Fokusgruppengesprächen in der Stadt Regensburg sowie eine bayernweite Online-Nachwahlbefragung mit einem ähnlichen Fragebogen im SoSci-Panel für die wahlberechtigten Panelist:innen im Bundesland Bayern.

Die Online-Nachwahlbefragung integriert identische Fragestellungen aus der standardisierten, schriftlichen Vor- und Nachwahlbefragung in einem deutlich umfangreicheren Fragebogen von 32 Fragen zum Wahlverhalten, zur Beurteilung der Spitzenkandidaten, zum Wahlkampf, den Koalitionspräferenzen, zu politischen Sachthemen und zu weiteren politischen Einstellungen der SoSci-Panelist:innen. Die Befragung fand direkt nach der Bayernwahl vom 9.-23. Oktober 2023 statt.

Ergebnisse

Die bayernweite Online-Befragung der Universitätsstudie Bayernwahl 2023 (USBW23) hatte das Ziel, die Wahlentscheidung bei der bayerischen Landtagswahl 2023 zu untersuchen, die politischen Einstellungen der Wähler zu verschiedenen Themen und Koalitionsoptionen abzufragen und die Bewertung des politischen Personals zu erfassen. Anhand der gewonnenen Daten soll die politische Kultur im Freistaat analysiert werden. Die Befragung enthielt darüber hinaus Fragen zu bestimmten politischen Aufgaben und Projekten in Bayern, zum politischen Vertrauen auf den verschiedenen Ebenen, zur politischen Online- und Offline Partizipation und zum Mediennutzungsverhalten.

Um die Ergebnisse der Befragung besser einordnen zu können, untersuchen wir zunächst die Demografie der Teilnehmenden und vergleichen sie mit Informationen des Bayerischen Landesamtes für Statistik im Hinblick auf die deutsche Gesamtbevölkerung ab 18 Jahren. Hier ist zu sehen, dass etwas mehr Frauen (53,3%/Bayern: 50,5%) als Männer (45,9%/Bayern: 49,5%) an der Online-Befragung teilnahmen. Deutlichere Unterschiede sind bei den Merkmalen Alter und Bildung zu verzeichnen. Die jüngste (18-29 Jahre: 7,2%/Bayern 15,3%) und die älteste Gruppe der bayerischen Wahlberechtigten (75 Jahre: 3,9%/14,1%) sind unterrepräsentiert und die mittleren Altersgruppen (30-44-Jahre: 30,4%/21,8% bzw. 45-59 Jahre: 34,3%/25,6%) sind überrepräsentiert. Die Gruppe im Alter von 60-74 Jahren entspricht mit 24,1% in etwa der Verteilung in der Bevölkerung (23,2%).

Große Unterschiede sind hingegen beim Bildungsabschluss zu verzeichnen. In der Befragung geben rund 65,3% an, über einen (Fach-) Hochschulabschluss zu verfügen, wohingegen bayernweit nur rund 17 Prozent einen tertiären Bildungsabschluss haben. Gleichzeitig sind Befragte mit Hauptschulabschluss (3,3%/Bayern: 35,3%), Realschulabschluss (14,1%/Bayern: 21,2%) und Abitur (17,3%/Bayern: 27%) deutlich unterrepräsentiert. Die Auswertungen müssen daher vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass das Sample überproportional aus Personen zwischen 30 und 59 Jahren besteht, die deutlich höher gebildet sind als die bayerische Bevölkerung.

Auch der Vergleich des Zweitstimmenergebnisses nach der Bayernwahl 2023 mit den Angaben der SoSci-Panel-Befragten zu ihrem Wahlentscheid in den Jahren 2023 und 2018 zeigt deutliche Unterschiede. Die höher gebildete Akademikerelite wählt deutlich linker als die bayerische Bevölkerung. Während die Wähler:innen der Grünen, der SPD, der Linken und der ödp klar überrepräsentiert sind, wählen die SoSci-Panelisten im Vergleich zu den bayerischen Wähler:innen deutlich weniger die CSU, die Freien Wähler oder die AfD. Die Ergebnisse der beiden Online-Befragungen im SoSci-Panel weichen somit stark vom tatsächlichen Endergebnis der Bayernwahl 2023 ab. Jedoch bestätigen sie den Forschungsstand zum Wahlverhalten, der zeigt, dass höher gebildete Wähler zu liberalen Parteien wie den Grünen tendieren und konservative und rechte Parteien in diesem Wählersegment wenig auf Anklang stoßen.

Da die Umfragen im Vorfeld der Bayernwahl 2023 bereits daraufhin deuteten, dass die CSU die absolute Mehrheit verfehlen würde, wurden die Teilnehmer gebeten, verschiedene Koalitionsoptionen auf einer Skala von 1 „Überhaupt nicht wünschenswert“ bis 100 „Sehr wünschenswert“ zu beurteilen. Die Ergebnisse zeigen, dass es zwei Regierungskoalitionen gibt, welche die SoSci-Befragten klar für Bayern präferieren: Entweder ein Bündnis aus Grünen und SPD (MW=2,98) oder aus CSU und Grünen (MW=2,88). Knapp ein Drittel der Befragten (N=768) gibt mit einem Mittelwert von 2,88 noch weitere Koalitionsoptionen an wie z.B. ein Bündnis aus „Basis Partei, den Linken und den Grünen“ oder ein Bündnis aus „ÖdP, V-Partei, CSU und SPD“. Bezüglich der wiedergewählten schwarz-orangenen Regierungskoalition sind die Meinungen zweigeteilt: Während 24,2% der Befragten dieses Bündnis wünschenswert finden und 16,7% unentschlossen sind, finden 59,1% der SoSci-Panelisten ein solches Bündnis weniger oder überhaupt nicht wünschenswert. Eine Ampel-Regierung im Freistaat wird jedoch von 60,2% der Befragten abgelehnt, 20,8% sind geteilter Meinung und nur 19% fänden ein solches Bündnis im Maximilianeum wünschenswert. Mehrheitlich abgelehnt wird hingegen eine CSU-Alleinregierung (MW=1,91, 75% nicht wünschenswert) und eine Koalition aus CSU und AfD (MW=1,38, 89% nicht wünschenswert).

Bei der Bewertung der bayerischen Spitzenkandidat:innen fällt zunächst auf, dass auch die höher gebildeten Wahlberechtigten in Bayern nicht alle neun abgefragten Politiker:innen kennen. So geben 50% der Befragten an, Adelheid Rupp – die Landesvorsitzende der Linken in Bayern – nicht zu kennen und 8,3% machen für ihre Bewertung keine Angaben. Auch für den AfD-Spitzenkandidaten Martin Böhm beantworten nur 49,2% der SoSci-Panelist:innen die Frage und beim FDP-Spitzenkandidaten Martin Hagen sind es nur 59,6%. Am bekanntesten sind die beiden Spitzenpolitiker der schwarz-orangenen Regierungskoalition Markus Söder und Hubert Aiwanger. Für sie machen jeweils 98% der Befragten Angaben. Auch bei der Bewertung der Spitzenpolitiker:innen der bayerischen Landesverbände zeigt sich eine überproportionale Vertretung von liberalen bzw. linken Wählern im Sample. Die Politiker mit den besten Bewertungen sind Katharina Schulze und Ludwig Hartmann (beide Grüne) sowie Florian von Brunn (SPD) gefolgt von Ministerpräsident Markus Söder und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf einer 11stufigen Skala von 1 „Halte überhaupt nichts von diesem Politiker/dieser Politikerin bis 11 „Halte überhaupt nichts von diesem Politiker/dieser Politikerin“. Im Mittel sind nur die Bewertungen für die beiden Grünen-Spitzenpolitiker:innen positiv, alle anderen Bewertungen sind eher kritisch. Am schlechtesten schneiden die beiden AfD-Politiker:innen ab. Schlüsselt man die Ergebnisse nach Wählergruppen auf, zeigen sich deutliche Ausstrahlungseffekte: die Kandidat:innen der Partei, welche die SoSci-Panelist:innen gewählt hatten, werden jeweils deutlich besser bewertet.

Schließlich wird ein Blick auf verschiedene politische Entscheidungen geworfen und wie die Befragten dazu stehen. So wurde z.B. gefragt, ob die Wahlberechtigten der Ansicht sind, dass beim umstrittenen Heizungsgesetz die Bürger:innen selbst darüber entscheiden sollten, wie sie heizen wollen. Hier stimmen 37% der Befragten zu, 18% sind unentschlossen und 45% stimmen nicht zu. Entsprechend der Parteizugehörigkeit lehnen die Wähler:innen der Grünen (72%), der Linken (56%), der ödp (52%) und der SPD (49%) diese Aussage mehrheitlich ab und die Wähler der AfD (92%), der Bayerpartei (83%), der Freien Wähler (80%), der CSU (70%) und der FDP (60%) befürworten sie. Dass sich die Parteiwähler:innen in dieser Frage deutlich unterscheiden, zeigt der hohe Eta-Wert von .66.

Auch der Vorschlag der CSU, einen verpflichtenden Sprachtest vor der Einschulung in Bayern einzuführen, um Sprachdefiziten bei Migranten-Kindern zu begegnen, wurde abgefragt. Insgesamt sagen 58% der Befragten, dass sie für diese Maßnahme sind, 22,7% sind unentschlossen und 20% halten diese nicht für sinnvoll. Auch hier sind wieder Unterschiede zwischen den Parteiwähler:innen zu sehen (Eta: .46). Die Wähler:innen der AfD (94%), der CSU, der Bayernpartei, der Freien Wähler (jeweils 85%) und der FDP (77%) befürtworten stärker diese Maßnahme als die Wähler:innen der ödp (55%), der SPD (52%), der Linken (43%) und der Grünen (40%).

Die Wechsel- oder Nichtwahlmotive der SoSci-Panelist:innen und ihre Wahrnehmung der wichtigsten politischen Probleme in Bayern wurden in offenen Fragen erfasst, die ausführlich beantwortet wurden. Für die Auswertung in Form von qualitativen Inhaltsanalysen werden aktuell noch Kategorienschemata erstellt. Ein erster Überblick hat schon gezeigt, dass ähnlich wie in der Analyse der Bayernwahl 2018 auch fünf Jahre später das Migrationsthema eine wichtige Rolle spielt und bundes- und weltpolitische Themen erneut den bayerischen Wahlkampf stark beeinflussen.

Steckbrief

Titel (deutsch): Die Universitätsstudie Bayernwahl (USBW23)
Titel (englisch): The university study Bavaria election (USBW23)
Erhebungszeitraum: 10/2023
Stichprobe (effektiv): 2.272
Stand der Informationen: 28.01.2024

Publikationen

Walter-Rogg, Melanie et al. 2026. Politische Orientierungen und Verhaltensweisen der bayerischen Bürger - Eine Auswertung der SoSci-Online-Befragung der USBW23. In: Die Landtagswahl 2023 in Bayern - Analysen zum Wahlverhalten und zur politischen Kultur im Freistaat. Hrsg. Melanie Walter-Rogg und Raphael Richter, Wiesbaden: SpringerVS, im Erscheinen.

Weitere Informationen

https://www.uni-regensburg.de/philosophie-kunst-geschichte-gesellschaft/methoden-politikwissenschaft/forschung/forschungsprojekte/index.html

Kontakt

melanie.walter-rogg@politik.uni-regensburg.de

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