Hupfer, Sebastian

Einfluss von Gendersprachformen auf die Nutzungsintention einer Dienstleistung

Die Verwendung von Gendersprache ist in vielen gesellschaftlichen Bereichen zu einem kontroversen Thema geworden. Unternehmen, insbesondere Dienstleister, welche in wiederholten Kundenkontakt stehen, stellt das vor Herausforderungen, da man sich zu dem Thema der Gendersprache kaum neutral positionieren kann. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive folgt die Frage, ob der Einsatz von Gendersprache Konsequenzen auf Nutzungs- und Konsumentscheidungen der Kundschaft haben kann.

In der wissenschaftlichen Literatur ist bekannt, dass Sprachvarietäten (Dialekte, Akzente, Soziolekte usw.) das Kaufverhalten und die Kundenzufriedenheit über Faktoren wie Verständlichkeit oder Social Signaling mit Ingroup und Outgroup Aspekten beeinflussen können (Mai & Hoffmann 2011). Bei Gendersprache, welche als Soziolekt erachtet wird, sind solche Effekte demnach auch erwartbar. Andere Effekte wie die Stärkung der Selbstwirksamkeit und eine stärkere Assoziation von Frauen in bestimmten Situationen konnten schon nachgewiesen werden (Verwecken & Hannover 2015).

Das Experiment soll im Unterschied zu vorherigen sprachwissenschaftlichen und psycholinguistischen Studien untersuchen, ob sich gendersensible Sprache auf Nutzungs- und Kaufintentionen einer Dienstleistung auswirken kann. Daraus sollen Handlungsempfehlungen für Unternehmen abgeleitet werden.

Methode

In dem Online-Experiment soll ein fiktiver Musik-Streamingdienst bewertet werden, der sich in Deutschland etablieren will. Es wird nicht kommuniziert, dass es um Gendersprache geht. Die Probanden bekommen zufallsgeneriert eine von fünf möglichen Versionen eines Werbespots angezeigt. Jede Version ist in einer unterschiedlichen Gendersprachform visuell und auditiv manipuliert (z.B. Hörerinnen und Hörer, Hörer*innen, Hörer). Die Teilnehmer sollen die gesehene Version bewerten sowie Aussagen zum Gefallen und der Nutzungsintention für den Musik-Streamingdienst machen. Es folgen Erinnerungsfragen zu bestimmten Aussagen im Werbespot. Am Ende werden noch die Einstellung zur Gendersprache sowie demografische Daten erfasst. Optional sollen die Teilnehmer ganz zum Schluss noch sich in der Sprachform unterscheidende Slogans nach Präferenz sortieren, um herauszufinden, welche Sprachform die breiteste Akzeptanz findet.

Ergebnisse

Eine ANCOVA hat gezeigt, dass es signifikante Unterschiede der Nutzungsintention durch die verschiedenen Werbespots gibt. Dabei senkte sich diese bei der Verwendung der Sprachformen mit Genderstern (kontrolliert auf Alter und Geschlecht) signifikant im Vergleich zum generische Maskulinum ab. Bei der der Doppelnennung (Hörerinnen und Hörer) war sie nur leicht vermindert und statistisch nicht signifikant. Frauen haben eine signifikant höhere Nutzungsintention nach Anschauen des Werbespots als Männer und diese sinkt geschlechtsunabhängig über das Alter ab.

Es zeigte sich auch, dass Personen mit einer positiveren Einstellung zu Gendersprache den fiktiven Streamingdienst generell eher nutzen würden. Diese Einstellung hat zudem einen moderierenden Effekt auf die Sprachform mit Genderstern, wenn diese visuell im Singular verwendet wird (z.B. Ein*e Hörer*in).

Grundlegend ist bei der Interpretation zu beachten, dass die Effektstärken der Gruppenunterschiede insgesamt klein ausfallen (0,1 < f < 0,2). Ein Manipulationscheck hat zudem ergeben, dass nur 40% der Befragten ihre Sprachform im Werbespot richtig erkannt haben (wobei der Anteil in den Gruppen mit Genderstern signifikant höher ist als bei den anderen Sprachformen, diese Sprachform also mehr auffällt). Eine Unterteilung der Stichprobe in richtig/falsch zugeordnet, zeigte daraufhin, dass die Unterschiede in der Gruppe, welche die Sprachform richtige zugeordnet hatte, noch stärker ausfiel und in dem größeren Teil, der die Sprachform nicht richtig zuordnen konnte, insignifikant wurde. D.h. es gab in dieser Untergruppe keinen statistisch signifikanten Unterschied mehr zwischen den Sprachformen in Bezug auf die Nutzungsintention.

Bei der Frage nach der präferierten Sprachform wurde vor allem die Variante ohne Personenbezeichnungen am positivsten bewertet. Das größte Kompromisspotential hat die Doppelnennung. Die Variante mit Genderstern belegte den letzten Platz.

Die Stichprobe ist in punkto Alter, Geschlecht, Herkunft und Einstellung zur Gendersprache hinreichend repräsentativ bzw. vergleichbar mit anderen Befragungen. Eine starke Abweichung findet sich jedoch beim Bildungsgrad. 63% der Probanden haben einen Hochschulabschluss, während dies in der Grundgesamtheit nur 24% haben. Daher muss mit Rückschlüssen auf die Allgemeinheit zurückhaltend umgegangen werden. Da Gendersprache vor allem in akademischen Kreisen angewendet wird, dürfte die Zustimmung und Akzeptanz in dieser Gruppe vermutlich höher ausfallen als in der Grundgesamtheit. Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass das generische Maskulinum in der Stichprobe durchweg am besten (bzw. wenigstens negativ) abgeschnitten hat.

Die Studienergebnisse implizieren, dass Unternehmen keine negativen Auswirkungen in Bezug auf Nutzungs- und Kaufintention befürchten müssen, wenn sie weiterhin im generischen Maskulinum kommunizieren. Alternativ bietet sich die Doppelnennung an, da diese keine signifikanten negativen Unterschiede zum generischen Maskulinum hervorbrachte (mitunter sogar gleichauf oder insignifikant besser war). Wenn Unternehmen wissen, dass ihre Zielgruppe eine sehr positive Einstellung zur Gendersprache hat und zudem vorrangig weiblich ist, kann Gendersprache konsequent (im Plural und Singular) angewendet werden. Aber auch in dieser Gruppe schnitt das generische Maskulinum nicht schlechter ab. Grundlegend ist zu empfehlen, in der Kundenansprache direkt auf Personenbezeichnungen zu verzichten und sich eher gesamtneutral auszudrücken, da dies den größten Zuspruch der Befragten fand.

Literatur

Mai, R.; Hoffmann, S. (2011). Four Positive Effects of a Salesperson’s Regional Dialect in Personal Selling. Journal of Service Research, 14 (4), 423-437. doi: 10.1177/1094670511414551

Vervecken, D., & Hannover, B. (2015). Yes I Can! Effects of Gender Fair Job Descriptions on Children's Perceptions of Job Status, Job Difficulty, and Vocational Self-Efficacy. Social Psychology, 46(2), 76-92. DOI: 10.1027/1864-9335/a000229

Stahlberg, D. & Sczesny, S. (2001). Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. Psychologische Rundschau, 52(3), 131-140. DOI: 10.1026//0033-3042.52.3.131

Steckbrief

Titel (deutsch): Einfluss von Gendersprachformen auf die Nutzungsintention einer Dienstleistung
Titel (englisch): Influence of gendered language forms on the usage intention of a service
Erhebungszeitraum: 07/2023
Stichprobe (effektiv): 1.007
Stand der Informationen: 13.11.2023

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Sebastian Hupfer

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