Dreston, Jana & Neubaum, German

Zufälliges Lernen auf sozialen Medien!?

In den letzten Jahren ist die Beliebtheit von sozialen Medien als Nachrichtenplattform gestiegen. Im Jahr 2023 gaben 30% der Befragten weltweit an, dass sie Nachrichten hauptsächlich über soziale Medien konsumieren (Newman et al., 2023). Jüngste Studien deuten jedoch darauf hin, dass die Menschen durch das Scrollen in den sozialen Medien kein politisches Wissen erlangen (Amsalem & Zoizner, 2022). Trotzdem haben sie das Gefühl, über politische Themen gelernt zu haben und informiert zu sein (Dreston & Neubaum, 2022; Lee et al., 2022). Tatsächliches Lernen und wahrgenommenes Lernen stehen also im Wiederspruch.

Grund dafür sind u.a., dass politisch Themen häufig wiederholt in Feeds auftauchen. Die Posts selbst aber nur kurz sind und wenig Informationen enthalten. Dadurch entsteht ein Gefühl der Vertrautheit, das als Wissen interpretiert wird (Schäfer, 2020). Zudem nutzen Menschen soziale Medien häufig nebenbei. Diese geteilte Aufmerksamkeit führt ebenfalls dazu, dass Personen sich informiert fühlen, obwohl sie kein langfristiges tatsächliches Wissen erworben haben (Ran et al., 2016).

In den sozialen Medien können Menschen auf verschiedenen Wegen Nachrichten begegnen: Entweder suchen sie aktiv nach politischen Nachrichten oder sie stolpern zufällig über diese, wenn sie von z.B. Freund:innen oder Nachrichtenaccounts geteilt werden. Bei der aktiven Suche sind Menschen motiviert, sich mit politischen Nachrichten auseinanderzusetzen. Stolpern sie jedoch zufällig darüber, scrollen sie häufig über den Post, ohne den Inhalt genau zu lesen (Matthes et al., 2020). Ist es nun tatsächlich so, dass sie auf diese Weise wenig lernen, aber das Gefühl haben, politisches Wissen zu erwerben?

Hypothese 1a: Die aktive Suche nach Nachrichten in sozialen Medien führt zu mehr wahrgenommenem Wissen als das zufällige Stolpern über politische Nachrichten.

Hypothese 1b: Zufälliges Stolpern über politische Nachrichten in sozialen Medien führt zu mehr wahrgenommenem Wissen als kein Kontakt mit diesen Nachrichten.

Forschungsfrage: Welchen Einfluss hat die aktive Suche nach Nachrichten im Vergleich zum zufälligen Stolpern auf das tatsächliche politische Wissen?

Methode

Die Studie wurde auf aspredicted präregistriert (https://aspredicted.org/DV8_DMM) und bestand aus zwei Messzeitpunkten. Im ersten Teil der Studie schätzten die Teilnehmenden ihr Wissen über verschiedene politische Themen ein. Eine Woche später schickten wir ihnen den zweiten Teil der Studie. Wir baten die Teilnehmenden, sich im folgenden Facebook-Feed über ein bestimmtes politisches Thema zu informieren. Der folgende Feed enthielt neben Posts zu diesem Thema auch andere politische Posts, über die sie „zufällig stolperten“. Anschließend baten wir die Teilnehmenden erneut, ihr politisches Wissen zu verschiedenen Themen einzuschätzen. Durch die wiederholte Messung konnten wir genau messen, wie stark sich ihr wahrgenommenes Wissen erhöht hat. Zusätzlich wurde das tatsächliche Wissen mit einem Gedächtnistest gemessen.

Ergebnisse

Entgegen den Erwartungen führt die aktive Suche nach Informationen nicht zu mehr wahrgenommenem Wissen als das zufällige Stolpern über diese Themen. Auch das zufällige Stolpern steigert nicht das wahrgenommene Wissen im Vergleich zu den Nutzenden, die keinen Kontakt mit diesen Themen hatten. Anders verhält es sich mit dem tatsächlichen Wissen. Die aktive Suche nach politischen Themen führt zu mehr Wissen als das zufällige Stolpern, das wiederum zu mehr Wissen führt als kein Kontakt.

Es zeigt sich, dass Personen zwar kurzfristig durch den zufälligen Kontakt mit Nachrichten lernen können, dies aber nicht ihr wahrgenommenes Wissen erhöht. Wir gehen davon aus, dass dieser Lerneffekt nur von kurzer Dauer ist (Amsalem & Zoizner, 2022). Es scheint also, dass der einmalige Kontakt mit politischen Informationen nicht zwangsläufig immer zu einer falschen Einschätzung des eigenen Wissens führt.

Literatur

Amsalem, E., & Zoizner, A. (2022). Do people learn about politics on social media? A meta-analysis of 76 studies. Journal of Communication. https://doi.org/10.1093/joc/jqac034

Dreston, J. H., & Neubaum, G. (2022). How Incidental and Intentional News Exposure in Social Media Relate to Political Knowledge and Voting Intentions. https://doi.org/10.31234/osf.io/nf9dx

Lee, S., Diehl, T., & Valenzuela, S. (2022). Rethinking the Virtuous Circle Hypothesis on Social Media: Subjective versus Objective Knowledge and Political Participation. Human Communication Research, 48(1), 57–87. https://doi.org/10.1093/hcr/hqab014

Matthes, J., Nanz, A., Stubenvoll, M., & Heiss, R. (2020). Processing news on social media. The political incidental news exposure model (PINE). Journalism, 21(8), 1031–1048. https://doi.org/10.1177/1464884920915371

Newman, N., Fletcher, R., Eddy, K., Robertson, C. T., & Nielsen, R. K. (2023). Reuters Institute Digital News Report 2023.

Ran, W., Yamamoto, M., & Xu, S. (2016). Media multitasking during political news consumption: A relationship with factual and subjective political knowledge. Computers in Human Behavior, 56, 352–359. https://doi.org/10.1016/j.chb.2015.12.015

Schäfer, S. (2020). Illusion of knowledge through Facebook news? Effects of snack news in a news feed on perceived knowledge, attitude strength, and willingness for discussions. Computers in Human Behavior, 103, 1–12. https://doi.org/10.1016/j.chb.2019.08.031

Steckbrief

Titel (deutsch): Zufälliges Lernen auf sozialen Medien!?
Titel (englisch): Incidental learning on social media!?
Erhebungszeitraum: 06/2023–07/2023
Stichprobe (effektiv): 924
Stand der Informationen: 02.11.2023

Weitere Informationen

https://www.uni-due.de/media-psych-edu/dreston_cv

https://www.uni-due.de/media-psych-edu/neubaum_cv

Kontakt

jana.dreston@uni-due.de

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