Naab, Teresa & Schnauber-Stockmann, Anna

Selbsteffekte politischer Äußerungen

Folgestudie

Äußerungen zu mehr oder weniger kontroversen Themen gehören sowohl in der interpersonalen Kommunikation als auch in sozialen Medien zum Alltag. Sie können zum einen die Rezipient*innen solcher Äußerungen beeinflussen. Zum anderen wirken sie auf die sich äußernde Person selbst (sog. Selbst-Effekte, Valkenburg, 2017). Der Kontext, in dem die Äußerung getätigt wird, ist hierbei von entscheidender Bedeutung. Wir unterscheiden zwischen öffentlich (d. h. vor einem größeren Publikum) und privat (d. h. nur für sich selbst formulierte oder vor sehr wenigen Personen) getätigten Äußerungen. Dem Konzept des public commitment folgend fühlen sich Individuen ihren öffentlichen Darstellung verpflichtet (Schlenker et al., 1994). Dies motiviert sie, ihre Einstellungen, Handlungen und Eigenschaften mit ihren öffentlichen Äußerungen in Einklang zu bringen, um kognitive Dissonanz zu vermeiden (Festinger, 1957). Bisherige Forschung zeigt dementsprechend, dass öffentliche Äußerungen im Vergleich zu privaten Äußerungen zu stärkeren Selbst-Effekten führen (z. B. Carr & Hayes, 2019).

Die zwei präregistrierten Studien (https://osf.io/cnvs8/?view_only=2fe83113edbd460e92168e425b8e082e) untersuchte deshalb Unterschiede in Selbst-Effekten öffentlicher vs. privater Äußerungen. Dabei fokussierten sie auf drei Wirkungsbereiche: das Themeninteresse, die wahrgenommene Expertise und Handlungsabsichten der sich Äußernden.

H1: Öffentliche Äußerungen führen zu stärkeren Selbst-Effekten auf a) das Themeninteresse, b) die wahrgenommene Expertise und c) die Handlungsabsichten als private Äußerungen.

Während dieser grundlegende Zusammenhang bereits wiederholt für verschiedene Themenbereiche gezeigt werden konnte, weiß man wenig darüber, welche Mechanismen für die durch ein stärkeres public commitment ausgelösten Selbst-Effekte verantwortlich sind. Zwei zentrale Mechanismen erscheinen relevant: Erstens ist anzunehmen, dass Individuen intensiver nachdenken (elaborieren), wenn sie erwarten, dass sie sich öffentlich äußern (Pingree, 2007). Diese erhöhte Elaboration verstärkt dann die Selbst-Effekte. Zweitens müssen Äußernde einen Text verfassen, d. h. Gedanken verbalisieren und konkretisieren, um sich äußern zu können (Komposition; Pingree, 2007). Es kann angenommen werden, dass eine öffentlichen Äußerung im Vergleich zu einer privaten mit einer mehr Kompositionsaufwand einhergeht, weil Individuen versuchen, ihre Botschaft für die Öffentlichkeit verständlich und klar zu formulieren (Nekmat, 2012).

H2: Der Effekt des Kontextes (öffentlich vs. privat) einer Äußerung auf a) das Themeninteresse, b) die wahrgenommene Expertise und c) die Handlungsabsicht der sich Äußernden geht darauf zurück, dass die sich Äußernden 1) mehr elaborieren und 2) mehr Aufwand in die Komposition stecken.

Methode

In zwei Studien mit Experimental-Design sahen die Proband*innen Werbebilder und erhielten Informationen über die nicht-kommerzielle Kampagne „Der Goldene Kaktus“, die Werbung mit sexistischen Darstellungen von Frauen „auszeichnet“. Eine Gruppe sollte ihre Meinung über die Darstellung von Frauen in der Werbung und über den „Goldenen Kaktus“ vor einem vermeintlich großen Publikum (öffentliche Bedingung) äußern, die andere Gruppe ohne Publikum (private Bedingung).

Ergebnisse

Die Studien erbrachte Hinweise, dass eine größere Öffentlichkeit nicht notwendigerweise zu mehr Elaboration, mehr Komposition und stärkeren Selbst-Effekten führt. Es bleibt zukünftigen Studien vorbehalten zu testen, ob ein kleines, aber bekanntes Publikum Selbsteffekte auslösen kann.

Literatur

Carr, C. T. & Hayes, R. A. (2019). Identity shift effects of self-presentation and confirmatory and disconfirmatory feedback on self-perceptions of brand identification. Media Psychology, 22(3), 418–444. https://doi.org/10.1080/15213269.2017.1396228

Festinger, L. (1957). A theory of cognitive dissonance. Stanford University Press.

Nekmat, E. (2012). Message expression effects in online social communication. Journal of Broadcasting & Electronic Media, 56(2), 203–224. https://doi.org/10.1080/08838151.2012.678513

Pingree, R. J. (2007). How messages affect their senders: A more general model of message effects and implications for deliberation. Communication Theory, 17(4), 439–461. https://doi.org/10.1111/j.1468-2885.2007.00306.x

Schlenker, B. R., Dlugolecki, D. W. & Doherty, K. (1994). The impact of self-presentations on self-appraisals and behavior: The power of public commitment. Personality and Social Psychology Bulletin, 20(1), 20–33. https://doi.org/10.1177/0146167294201002

Valkenburg, P. M. (2017). Understanding self-effects in social media. Human Communication Research, 43(4), 477–490. https://doi.org/10.1111/hcre.12113

Steckbrief

Titel (deutsch): Selbsteffekte politischer Äußerungen - Folgestudie
Titel (englisch): Self-effects of Political Expressions
Erhebungszeitraum: 04/2023–05/2023
Stichprobe (effektiv): 318
Stand der Informationen: 20.07.2023

Publikationen

Naab, T.K. & Schnauber-Stockmann, A. (2023) Self-effects of Public vs. Private Opinion Expression on Perceived Expertise, Issue Interest and Behavioral Intentions. Vortrag auf der 73. Jahrestagung der International Communication Association (ICA) "Reclaiming Authenticity in Communication", Toronto, 25. - 29. Mai 2023.

Weitere Informationen

https://www.phil.uni-mannheim.de/mkw/abteilungen/naab/team/prof-dr-teresa-naab/

https://www.medienstruktur.ifp.uni-mainz.de/anna-schnauber/

Kontakt

naab@uni-mannheim.de

© 2009-2024 SoSci Panel