Pohl, Katharina

Alles nur Slacktivismus?

Soziale Netzwerkseiten werden immer mehr zum festen Bestandteil von politischen Wahlkampagnen (Haßler & Kruschinski, 2019). Ziel dabei ist neben dem Informieren und Interagieren mit den Nutzer*innen auch das Mobilisieren potentieller Unterstützer*innen (Christenson et al., 2014). In diesem Zusammenhang taucht in den letzten Jahren vermehrt der Begriff des „Klickaktivismus“ oder negativ ausgedrückt des „Slacktivism“ auf (Fielitz & Staemmler, 2020). Dieses Phänomen beschreibt niedrigschwellige Aktivitäten auf Sozialen Netzwerkseiten, die durch die geringe Aufwandbereitschaft vermehrt vorkommen und somit fälschlicherweise als positive Resonanz verstanden werden können (Staender et al., 2019). Darunter fallen Partizipationsformen wie das Liken von Beiträgen auf Sozialen Netzwerkseiten (Noland, 2020). Die Forschung ist sich in diesem Kontext uneins darüber, ob slacktivistische Aktivitäten als eine Form „echter“ Partizipation zu bewerten sind oder nicht (Noland, 2020). Darunter fallen alle höherschwelligen Partizipationsformen, wie beispielsweise die Unterstützung einer Wahlkampagne, das Spenden von Geld oder ehrenamtliche Tätigkeiten für Parteien. Aus dieser Unterscheidung der Partizipationsformen heraus ergibt sich eine Frage, die weiterhin nicht final geklärt ist: Beeinflusst Slacktivism die „tatsächliche“ Partizipationsbereitschaft? Oder anders formuliert: Sind Nutzer*innen, die bereits eine slacktivistische Aktivität durchgeführt haben, dazu bereit, politische Akteur*innen darüber hinaus zu unterstützen? Mit dieser Frage möchte sich die vorliegende Studie näher beschäftigen.

Methode

Der Fokus der Studie liegt auf zwei verschiedenen Faktoren. Es ist bereits bekannt, dass bei Nutzer*innen die Informationen über ein Thema entscheidend dazu beitragen, ob sie zur politischen Partizipation bereit wären. Daher wurde der Detailgrad an Informationen als erster Faktor aufgenommen. Darüber hinaus zeigt sich im Wahlkampf anlässlich der Bundestagswahl 2021, dass Negative Campaigning mittlerweile auch in Deutschland ein Thema ist. Daher wurde auch dieser Faktor im Kontrast zur positiven Selbstdarstellung mit in die Studie aufgenommen. Es wurde also eine experimentelle Befragung angelegt, die Stimuli enthält, bei denen der Detailgrad an Informationen (gering vs. hoch) und die Beitragstendenz (negative Campaigning vs. positive Selbstdarstellung) variieren. Mit Hilfe des Befragungsteils werden zum einen die Slacktivismus- und die tatsächliche Aktivismusbereitschaft und zum anderen nutzerspezifische Faktoren, die diesen Prozess beeinflussen könnten, abgefragt.

Ergebnisse

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass der Detailgrad an Informationen keinen nennenswerten Einfluss auf die politische Partizipationsbereitschaft von Nutzer*innen Sozialer Netzwerkseiten ausübt. Die Verwendung von positiver Selbstdarstellung wirkt sich dagegen sowohl auf die Bereitschaft zu slacktivistischen als auch zu höherschwelligeren Aktivismusformen positiv aus.

Darüber hinaus bestätigen die Ergebnisse dieser Studie die negativen Anschuldigungen gegenüber slacktivistischen Aktivitäten nicht. Im Gegenteil, die Ergebnisse zeigen eine positive Wirkung slacktivistischer Aktivitäten auf die Bereitschaft zu höherschwelligeren Partizipationsformen. Sind die Nutzer*innen Sozialer Netzwerkseiten also bereit dazu, einen (politischen) Beitrag zu liken (Slacktivismus), sind sie anschließend auch eher dazu bereit, die im Beitrag angesprochene politische Aktion zu unterstützen (höherschwelligere Partizipation).

Literatur

Christenson, D. P., Smidt, C. D. & Panagopoulos, C. (2014). Deus ex Machina. Political Research Quarterly, 67(1), 108–122. https://doi.org/10.1177/1065912913494017

Fielitz, M. & Staemmler, D. (2020). Hashtags, Tweets, Protest? Varianten des digitalen Aktivismus. Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 33(2), 425–441. https://doi.org/10.1515/fjsb-2020-0037

Haßler, J. & Kruschinski, S. (2019). Vernetzte Kampagne?! In C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Die (Massen-)Medien im Wahlkampf (Bd. 8, S. 73–95). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-24824-6_4

Noland, A. (2020). Like, Share, Retweet: Testing Competing Models of the Theory of Planned Behavior to Predict Slacktivism Engagement. Journal of Nonprofit & Public Sector Marketing, 32(3), 264–285. https://doi.org/10.1080/10495142.2019.1589626

Staender, A., Ernst, N. & Steppat, D. (2019). Was steigert die Facebook-Resonanz? Eine Analyse der Likes, Shares und Comments im Schweizer Wahlkampf 2015. Studies in Communication and Media, 8(2), 236–271. https://doi.org/10.5771/2192-4007-2019-2-236

Steckbrief

Titel (deutsch): Alles nur Slacktivismus?
Titel (englisch): All just slacktivism?
Erhebungszeitraum: 09/2021–10/2021
Stichprobe (effektiv): 901
Stand der Informationen: 01.06.2023

Weitere Informationen

Diese Studie entstand im Rahmen der Nachwuchsforschungsgruppe „DigiDeMo“, die durch das Bayerische Staatsministerium

für Wissenschaft und Kunst gefördert und durch das Bayerische Forschungsinstitut für digitale Transformation (bidt) koordiniert wird.

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Katharina Pohl

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