Beisemann, Sofie; Engelmann, Julian; Feidicker, Theresa; Pfitzner, Mareike & Zantop, Johanna

Wohin mit der Wut?

Eine Experimentalstudie zu politischem Verhalten in Abhängigkeit von Wut und Wirksamkeit

Wut ist als Grundemotion in jedem analogen und digitalen sozialen Raum relevant. Nicht nur deshalb wird sich in vielen Forschungsfeldern mit ihr befasst, sondern auch, weil sie eine mobilisierende Wirkung hat. Sie regt Menschen potenziell zu Verhalten an, das einerseits angreifend und hasserfüllt sein kann, sich aber andererseits auch in Form von Aktivismus und dem Streben nach (gesellschaftlichem) Wandel konstruktiv äußern kann. Besonders in Bezug auf das Internet werden Phänomene wie Hassrede und performativer Aktivismus in dieser Hinsicht diskutiert. Das Anger Activism Model von Turner (2007) besagt, dass die Intensität der wahrgenommenen Wut und die Wirksamkeit ausschlaggebend dafür sind, ob und wie intensiv Aktivismus betrieben wird. Die Grundannahme ist, dass die Wut zu Verhalten mobilisiert und die Wirksamkeit als Gefühl, gegen das wahrgenommene Problem vorzugehen, dazu beträgt, dass die mobilisierende Kraft konstruktiv kanalisiert wird. Für die Kommunikationswissenschaft stellt das Modell deshalb eine interessante Grundlage für konstruktiven Journalismus und strategische Kommunikation dar.

In unserer Studie testen und modernisieren wir das Anger Activism Modell. Darüber hinaus erweitern wir die betrachtete Output Variable (also Verhalten, welches durch Wut motiviert wird), in dem wir unter anderem den Online-Kontext in die wissenschaftliche Untersuchung miteinbeziehen. Das Modell wird dabei im Kontext zweier politischer Themen betrachtet.

Methode

Um der Frage nach dem Potenzial von Wutappellen in Verbindung mit Wirksamkeitsbotschaften nachzugehen, haben wir ein experimentelles Design gewählt. Den Befragten wurden – eigens für diese Studie konzipierte – journalistische Artikel gezeigt. Thematisch handelten diese Artikel entweder von Zug- oder Flugverspätungen, welche in den Artikeln als gesellschaftliches Problem platziert wurden. Ziel der Stimuli war es einerseits, Wut in den Rezipierenden hervorzurufen. Andererseits wurde mit Hilfe der Stimuli die wahrgenommene Wirksamkeit der Teilnehmenden beeinflusst: Manche Gruppen sollten, nachdem sie den Zeitungsartikel gelesen haben, wahrnehmen, dass sie viel gegen das im Artikel geschilderte Problem unternehmen könnten. Der Zeitungsartikel in den anderen Gruppen hingegen sollte nur empfundene Wut bei den Rezipierenden provozieren, nicht jedoch Vorschläge vermitteln, was sie gegen das Problem unternehmen könnten.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie stützen das Anger Activism Modell. Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass Wut und Wirksamkeit einen Einfluss darauf haben, ob Personen aktivistisches Verhalten zeigen, um ein Problem zu bekämpfen, welches sie wütend macht. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass eine differenzierte Betrachtung des durch Wut und Wirksamkeit beeinflussten Verhaltens einer Person wichtig und mehrwertbringend ist. Vor allem die Berücksichtigung des Online-Kontextes für wütendes Verhalten ist relevant. Die Ergebnisse geben Aufschluss darüber, wie Wutappelle in zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen eingesetzt werden können, um bestimmtes Verhalten zu fördern und anderes Verhalten zu verhindern.

Literatur

Turner, M. M. (2007). Using emotion in risk communication: The anger activism model. Public Relations Review, 33(2), 114-119. https://doi.org/10.1016/j.pubrev.2006.11.013

Steckbrief

Titel (deutsch): Wohin mit der Wut? - Eine Experimentalstudie zu politischem Verhalten in Abhängigkeit von Wut und Wirksamkeit
Titel (englisch): Where to put the anger? - An Experimental Study of Political Behavior as a Function of Anger and Efficacy
Erhebungszeitraum: 01/2023–02/2023
Stichprobe (effektiv): 409
Stand der Informationen: 23.05.2023

Kontakt

Julian Engelmann

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