Gräfe, Konstantin; Heutelbeck, Jonathan; Holfert, Gloria; Fricker, Katharina; Reimann, Leon & Schober, Maria

"Authentisch klischeehaft oder klischeehafte Authentizität?

Die Rolle von Genderstereotypen auf die Wahrnehmung von politischer Authentizität.“

Nach welchen Kriterien treffen Bürger*innen heute ihre Wahlentscheidung? Waren früher Parteibindung und politische Inhalte noch entscheidende Faktoren für den Wahlerfolg, so hat die die Personalisierung im politischen Kontext, vor allem im Wahlkampf, in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen (Garzia, 2017; Rahat und Kenig, 2018; Venema & Steffan, 2020; Lübke & Engelmann, 2022). Insbesondere politischen Authentizität wurde zuletzt verstärkt in den Fokus des kommunikations- und politikwissenschaftlichen Interesses gerückt, da sie als Charaktereigenschaft gilt, die Wahlerfolg verspricht (Ceccobellia & Di Gregori, 2022). Doch ist die Ausgangslage nicht für alle Kandidat*innen die selbe. Aktuelle Studien deuten darauf, dass das biologische Geschlecht und Genderstereotype Einfluss auf die Bewertung von Politiker*innen nehmen können (Lübke, 2021; Parry-Giles, 2014; Liu et al., 2015). Aus diesem Grund beschäftigt sich die Studie mit der Rolle von Genderstereotypen auf die Wahrnehmung politischer Authentizität. Politische Authentizität wird dabei definiert als die Einschätzung von Bürger*innen, in welchem Ausmaß Politiker*innen sich selbst treu sind (Lübke & Engelmann, 2022; Enli & Rosenberg, 2018).

Folgende Hypothesen wurden aufgestellt:


H1: Die genderkonforme Selbstdarstellung von Politiker*innen hat einen positiven Effekt auf ihre wahrgenommene politische Authentizität.



H2: Die genderinkonforme Selbstdarstellung einer Politikerin hat einen negativen Effekt auf ihre wahrgenommene politische Authentizität.



H3: Die genderinkonforme Selbstdarstellung eines Politikers hat einen positiven Effekt auf seine wahrgenommene politische Authentizität.

Methode

Die Überprüfung der Hypothesen erfolgte anhand eines Online-Experiments im Within-Subject-Design, genauer anhand eines 2x3-Designs mit Faktor A biologisches Geschlecht des*der Politiker*in (männlich; weiblich) und Faktor B inszenierte Genderstereotype (agentic=männlich, communal=weiblich, neutral). Die Proband*innen wurden auf sechs Versuchsgruppen verteilt, welche einen Tweet fiktiver Politiker*innen (Christian Müller oder Christina Müller) betrachteten. Als Profilbilder wurde beim männlichen Politiker ein Bild des tschechischen Premierministers Petr Fiala und bei der weiblichen Politikerin ein Bild der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern verwendet. Die Tweets beziehen sich auf die Themen Sicherheit (agentic), Familie (communal) und einen Wahlaufruf (neutral). Im Anschluss an die Betrachtung wurden die Proband*innen gebeten, Aussagen über die Wahrnehmung von Authentizität der Politiker*innen zu treffen. Danach wurde erhoben, wie stark die Proband*innen sexistischen Aussagen zustimmen.

Ergebnisse

Bei der Überprüfung von Hypothese 1 zeigte sich lediglich für den Christina-Müller-Stimulus ein geringer Zusammenhang. Die fiktive Politikerin Christina Müller wurde authentischer wahrgenommen, wenn sie sich genderkonform darstellt als wenn sie sich genderinkoform gibt. Die Ergebnisse zur Überprüfung von Hypothese 2 und 3 weisen ebenfalls geringe positive Zusammenhänge auf. So wird Christina Müller weniger authentisch wahrgenommen, wenn sie sich genderinkonform darstellt als wenn sie sich genderkonform zeigt. Christian Müller als fiktiver männlicher Politiker wird authentischer wahrgenommen, wenn er sich genderinkonform darstellt als wenn er sich genderkonform zeigt. Hervorzuheben ist ebenfalls, dass der genderstereotyp weibliche communal Stimulus am meisten wahrgenommene politische Authentizität bei beiden Geschlechtern hervorruft.

Literatur

Ceccobelli, D., & Di Gregorio, L. (2022). The Triangle of Leadership. Authenticity, Competence and Ordinariness in Political Marketing. Journal of Political Marketing, 21(2), 113–125. https://doi.org/10.1080/15377857.2022.2060644

Enli, G., & Rosenberg, L. T. (2018). Trust in the Age of Social Media: Populist Politicians Seem More Authentic. Social Media + Society, 4(1), 205630511876443. https://doi.org/10.1177/2056305118764430

Garzia, D. (2017). The Sage handbook of electoral behaviour (1st edition). SAGE Publications Inc.

Liu, H., Cutcher, L., & Grant, D. (2015). Doing Authenticity: The Gendered Construction of Authentic Leadership: Doing Authenticity. Gender, Work & Organization, 22(3), 237–255. https://doi.org/10.1111/gwao.12073

Luebke, S. M. (2021). Political Authenticity: Conceptualization of a Popular Term. The International Journal of Press/Politics, 26(3), 635–653. https://doi.org/10.1177/1940161220948013

Luebke, S. M., & Engelmann, I. (2022). Do We Know Politicians’ True Selves From the Media? Exploring the Relationship Between Political Media Exposure and Perceived Political Authenticity. Social Media + Society, 8(1), 205630512210770. https://doi.org/10.1177/20563051221077030

Parry-Giles, S. J. (2014). Hillary Clinton in the news: Gender and authenticity in American politics. University of Illinois Press.

Rahaṭ, G., & Kenig, O. (2018). From party politics to personalized politics? Party change and political personalization in democracies (First edition). Oxford University Press.

Venema, N., & Steffan, D. (2020). Context matters: Professionalization of campaign posters from Adenauer to Merkel. Communications, 45(1), 98–121. https://doi.org/10.1515/commun-2018-2020

Steckbrief

Titel (deutsch): "Authentisch klischeehaft oder klischeehafte Authentizität? Die Rolle von Genderstereotypen auf die Wahrnehmung von politischer Authentizität.“
Titel (englisch): „Authentic cliche or cliche authenticity - The role of gender stereotypes on the perception of political authenticity"
Erhebungszeitraum: 03/2023
Stichprobe (effektiv): 731
Stand der Informationen: 19.05.2023

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