Meier, Adrian

Wohlbefinden, Arbeitsalltag und Social-Media-Nutzung im Homeoffice

Eine der bedeutendsten Folgen der COVID-19-Pandemie für die Arbeitswelt ist, dass immer mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten und dies wahrscheinlich auch in Zukunft tun werden (Kniffin et al., 2021). Deutschland zeigte sich vor und während der Pandemie jedoch im internationalen Vergleich in der Homeoffice-Quote zurückhaltend. Die Sorge vor fehlender Kontrolle durch Vorgesetzte sowie vermeintlich sinkender Produktivität scheinen zentrale Gründe zu sein. Tatsächlich legen erste Studien nahe, dass Berufstätige im Homeoffice von erhöhter Prokrastination berichten, also dem irrationalen Aufschieben intendierter Arbeit, welche sich negativ auf das psychosoziale Wohlbefinden auswirken kann. Eine umfangreiche Studie zu den Korrelaten von Prokrastination während des Arbeitsalltags im Homeoffice in Deutschland fehlt derzeit jedoch.

Neben sozioökonomischen Faktoren (Alter, Familienstand, Geschlecht, Berufsgruppe etc.) dürften für Prokrastination und Wohlbefinden insbesondere auch Eigenschaften der Arbeits- und Medienumgebung im Homeoffice eine Rolle spielen. Zwar haben sich persönliche und unternehmensinterne soziale Medien (SM) für Arbeitnehmer:innen und Unternehmen als unschätzbar wertvoll erwiesen, um mit der raschen Verlagerung in das Homeoffice zurechtzukommen (z. B. van Zoonen & Sivunen, 2021; Yang et al., 2022). Gleichzeitig ist deren Einsatz in diesem Zusammenhang ein zweischneidiges Schwert (Klingelhöfer & Meier, 2022; van Zoonen et al., 2022): Einerseits können SM ein wichtiger Rettungsanker für Berufstätige im Homeoffice sein, der die Einsamkeit durch regelmäßige Kontakte zu Kolleg:innen, Familie und Freunden verringern kann (z. B. Sahi et al., 2021; van Zoonen & Sivunen, 2021). Andererseits könnte die Kompensation der Einsamkeit durch die gewohnheitsmäßige, automatisch initiierte SM-Nutzung gleichzeitig die Anforderungen an die Selbstregulierung während der Arbeitszeit weiter erhöhen. Eine solche unbeabsichtigte Prokrastination kann sowohl die Leistung als auch das Wohlbefinden der Arbeitnehmer beeinträchtigen (Meier, 2022; Nguyen et al., 2013). In dieser Studie testen wir diese Rolle von Sozialen Medien als zweischneidiges Schwert für Wohlbefinden und Prokrastination während der Arbeit im Homeoffice.

Methode

Die Studie bestand aus zwei Teilen.

Teil (1) umfasste eine Vorbefragung (N = 546), die zwei Ziele verfolgte: (i) Sie dient als eigenständige Querschnittsbefragung deutscher Arbeitnehmer:innen. Die Daten sollen Aufschluss über grundlegende Zusammenhänge zwischen den beschriebenen Konstrukten auf der Personenebene geben, basierend auf einer ausreichend großen Stichprobe und unter Berücksichtigung zentraler Drittvariablen (bspw. Soziodemographie, Persönlichkeitseigenschaften). (ii) Als Vorbefragung sollen zudem Teilnehmer:innen für die anschließende Experience Sampling (ESM) Studie (Teil 2) gewonnen werden.

Teil (2), die ESM-Studie, umfasst sechs Kurzfragebögen pro Tag, die die Teilnehmer:innen über einen Zeitraum von zehn Arbeitstagen zwischen 9 und 19 Uhr erhalten haben. Die Kurzfragebögen umfassten je 18 Items zu aktuellem Wohlbefinden, Arbeit, Prokrastination und Soziale Medien-Nutzung (M = 1 Minute Ausfülldauer pro Fragebogen).

Ergebnisse

Die Teilnehmer:innen berichteten eine ausgeprägte Nutzung vieler verschiedener sozialer Medien, wobei ein nicht zu vernachlässigender Teil der Nutzungszeit auf Kollaborationstools (bspw. MS Teams, Zoom, Slack) fiel. Im Homeoffice wurden deutlich mehr Kollaborationstools genutzt als im Büro. Auch private soziale Medien (bspw. Facebook, Instagram, Whatsapp) wurden im Homeoffice mehr genutzt, allerdings ist hier der Unterschied zwischen den Arbeitsorten geringer.

Die Nutzung des Homeoffice war über die Befragten und verschiedene Berufsgruppen unterschiedlich ausgeprägt. Im Schnitt gaben die Befragten in der Vorbefragung an, in einer typischen Woche drei Tage im Homeoffice zu arbeiten. In den Kurzfragebögen zeigte sich die große Beliebtheit des Homeoffice ebenfalls, hier war das Homeoffice vor dem Büro der häufigste aktuelle Aufenthaltsort.

Im Homeoffice wurde mehr prokrastiniert als im Büro. Wurde im Homeoffice gearbeitet, fiel der Zusammenhang zwischen der Social Media-Nutzung und der Prokrastination negativ aus, im Büro war der Zusammenhang positiv. Insgesamt hing mehr Social-Media-Nutzung mit etwas höherer Prokrastination zusammen.

Es lag kein Unterschied im allgemeinen Wohlbefinden der Befragten zwischen Arbeitssituationen im Büro und im Homeoffice vor. Ebenso hatte auch die Nutzungszeit sozialer Medien keinen Einfluss auf das Wohlbefinden. Die Teilnehmer:innen berichteten eher geringe Niveaus von Ermüdung, Stress, und Einsamkeit, wobei ebenfalls keine oder nur sehr geringe Unterschiede zwischen der Arbeit im Homeoffice oder dem Büro berichtet wurden.

Literatur

Klingelhoefer, J., & Meier, A. (2023). Social media and well-being at work, at home, and in-between: A review. In J. Skopek (Ed.), Research handbook on digital sociology (pp. 398–418). Edward Elgar. https://doi.org/10.31234/osf.io/vurw8

Kniffin, K. M., Narayanan, J., Anseel, F., Antonakis, J., Ashford, S. P., Bakker, A. B., Bamberger, P., Bapuji, H., Bhave, D. P., Choi, V. K., Creary, S. J., Demerouti, E., Flynn, F. J., Gelfand, M. J., Greer, L. L., Johns, G., Kesebir, S., Klein, P. G., Lee, S. Y., . . . van Vugt, M. (2021). Covid-19 and the workplace: Implications, issues, and insights for future research and action. American Psychologist, 76(1), 63–77. https://doi.org/10.1037/amp0000716

Meier, A. (2022). Studying problems, not problematic usage: Do mobile checking habits increase procrastination and decrease well-being? Mobile Media & Communication, 10(2), 272-293. https://doi.org/10.1177/20501579211029326

Nguyen, B., Steel, P., & Ferrari, J. R. (2013). Procrastination’s impact in the workplace and the workplace’s impact on procrastination. International Journal of Selection and Assessment, 21(4), 388–399. https://doi.org/10.1111/ijsa.12048

van Zoonen, W., & Sivunen, A. E. (2022). The impact of remote work and mediated communication frequency on isolation and psychological distress. European Journal of Work and Organizational Psychology, 31(4), 610–621. https://doi.org/10.1080/1359432X.2021.2002299

van Zoonen, W., Treem, J. W., & ter Hoeven, C. L. (2022). A tool and a tyrant: Social media and wellbeing in organizational contexts. Current Opinion in Psychology, 45, Article 101300. https://doi.org/10.1016/j.copsyc.2022.101300

Yang, L., Holtz, D., Jaffe, S., Suri, S., Sinha, S., Weston, J., Joyce, C., Shah, N., Sherman, K., Hecht, B., & Teevan, J. (2022). The effects of remote work on collaboration among information workers. Nature Human Behaviour, 6, 43–54. https://doi.org/10.1038/s41562-021-01196-4

Steckbrief

Titel (deutsch): Wohlbefinden, Arbeitsalltag und Social-Media-Nutzung im Homeoffice
Titel (englisch): Well-being, daily work life and social media use when working from home
Erhebungszeitraum: 01/2022
Stichprobe (effektiv): 273
Stand der Informationen: 13.07.2023

Publikationen

in Vorbereitung

Weitere Informationen

https://www.kommunikationswissenschaft.rw.fau.de/

Kontakt

adrian.meier@fau.de

© 2009-2024 SoSci Panel