Kunze, Deborah & Sukalla, Freya

Trägt die Offenlegung von Depressionen durch Mediencharaktere zur Reduktion von Stigmatisierung bei?

Zahlreiche Menschen haben depressive Symptome, suchen sich jedoch keine Hilfe bei Expert:innen (z. B. bei Psychotherapeut:innen). Das liegt unter anderem daran, dass Menschen mit Depressionen stigmatisiert, also „in Schubladen gesteckt“ und negativ bewertet, werden. Narrative Medieninhalte, die wie Geschichten aufgebaut sind (z. B. fiktionale Serien), besitzen das Potenzial, dieser Stigmatisierung entgegenzuwirken und Einstellungen gegenüber Menschen mit Depressionen zu verbessern. Doch wie genau sollten narrative Medieninhalte gestaltet werden, damit das erreicht werden kann? Wir wollen mit unserer Studie den Zeitpunkt der Offenlegung der Depressionen eines Mediencharakters als Gestaltungsmöglichkeit narrativer Medieninhalte betrachten. Macht es einen Unterschied, ob und wann ein Mediencharakter von seinen Depressionen erzählt?

Wir vermuten, dass die Stigmatisierung und die gewünschte soziale Distanz zu Menschen mit Depressionen (also z. B. ob jemand mit einer Person mit Depressionen befreundet sein möchte) sinkt, wenn Empathie mit einem Mediencharakter mit Depressionen empfunden wird. Uns interessiert konkret, ob Empathie und damit auch Stigmatisierung und soziale Distanz davon beeinflusst werden, wann der Charakter im Medieninhalt von seinen Depressionen erzählt (zu Beginn oder am Ende der Geschichte).

Methode

Wir haben ein Online-Experiment durchgeführt. Dafür haben wir die Studienteilnehmenden zufällig in unterschiedliche Gruppen unterteilt. Die erste Gruppe hat einen kurzen Ausschnitt einer Comedy-Serie angeschaut, in dem direkt zu Beginn offengelegt wird, dass der Hauptcharakter Depressionen hat. Die zweite Gruppe hat einen identischen Ausschnitt gesehen, dabei allerdings erst am Ende von den Depressionen des Hauptcharakters erfahren. Die dritte Gruppe hat den Serienausschnitt ebenfalls angeschaut, jedoch nichts von den Depressionen des Hauptcharakters erfahren. Alle Studienteilnehmenden beantworteten außerdem Fragen zu empfundener Empathie mit dem Mediencharakter, Stigmatisierung von Menschen mit Depressionen, gewünschter sozialer Distanz und eigenen Erfahrungen mit Depressionen.

Ergebnisse

Erste Ergebnisse zeigen, dass wir keinen allgemeinen Einfluss der Offenlegung der Depressionen des Mediencharakters auf Empathie mit dem Mediencharakter, Stigmatisierung von Menschen mit Depressionen oder gewünschte soziale Distanz feststellen können. In unserer Studie nimmt Empathie mit dem Mediencharakter zudem keinen Einfluss auf die Stigmatisierung von Menschen mit Depressionen oder die gewünschte soziale Distanz. Stattdessen wird die Bedeutung der bisherigen Erfahrungen der Studienteilnehmenden mit Depressionen deutlich. Es zeigt sich, dass bei Teilnehmenden, die bisher wenig Erfahrungen mit Depressionen gemacht haben, nach einer Offenlegung der Depressionen des Mediencharakters die Empathie mit dem Mediencharakter sinkt (im Vergleich zu Medieninhalten ohne Offenlegung der Depressionen des Mediencharakters). Andererseits zeigen Teilnehmende mit wenig Erfahrungen mit Depressionen weniger gewünschte soziale Distanz zu Menschen mit Depressionen, wenn sie Medieninhalte mit Offenlegung gesehen haben (im Vergleich zu Medieninhalten ohne Offenlegung).

Die Offenlegung der Depressionen eines Mediencharakters kann also bei Menschen mit wenig Erfahrungen mit Depressionen einen positiven Effekt haben, indem die gewünschte soziale Distanz reduziert wird. Dieser Prozess scheint jedoch nicht durch Empathie mit dem Mediencharakter beeinflusst zu werden. Das könnte daran liegen, dass wir in der Studie einen Mediencharakter aus einer Comedy-Serie eingesetzt haben und es insgesamt wenig Empathie mit dem Charakter gab.

Steckbrief

Titel (deutsch): Trägt die Offenlegung von Depressionen durch Mediencharaktere zur Reduktion von Stigmatisierung bei?
Titel (englisch): Does Openness about Mental Health Reduce Stigmatization? An Online Experiment on the Effect of the Disclosure of a Media Character’s Depression
Erhebungszeitraum: 09/2022–10/2022
Stichprobe (effektiv): 242
Stand der Informationen: 04.05.2023

Kontakt

Deborah Kunze

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