Walter-Rogg, Melanie & Heinrich, Tassilo

Die Universitätsstudie Bayernwahl (USBW18)

Die bayerische Landtagswahl 2018 fand unter besonderen Herausforderungen statt. Generell sind bayerische Landtagswahlen bundespolitisch bedeutsam, da die CSU als kleine Schwester der CDU stets an unionsgeführten Bundesregierungen beteiligt ist. Gleichzeitig vertritt der CSU den Anspruch, die Interessen Bayerns bundesweit und im Freistaat zu vertreten. Sie nimmt somit eine Doppelrolle ein: als Koalitionspartner, der Entscheidungen der Bundesregierung mitgestaltet und als Vertretung bayerischer Interessen in der Regierung und im Parlament.

An Brisanz gewann die Landtagswahl 2018, da erstmals die AfD bei einer Landtagswahl in Bayern angetreten war. Bereits 2017 war sie in den deutschen Bundestag eingezogen. Mit ihrer ablehnenden Haltung der liberalen Flüchtlingspolitik im Zuge der Flüchtlingskrise konnte sie dabei primär migrationskritische Wähler von sich überzeugen und sich als eine wesentliche Oppositionspartei im rechten Spektrum etablieren. Mit ihren rechten Positionen forderte die AfD daher die in Bayern alles dominierende CSU heraus und konkurrierte um die Gunst konservativer Wähler.

Um sich der Konkurrenz der AfD zu erwehren und die absolute Mehrheit auch nach der Landtagswahl 2018 erhalten zu können (2017 erreichte die CSU 47,7 Prozent der Stimmen und konnte ohne Koalitionspartner in Bayern regieren), setze die CSU daher auf einen stark konservativen Kurs, der u.a. eine stärkere Einschränkung der Migration vorsah. Die starke Betonung konservativer Positionen sollte verhindern, dass die CSU wie bereits bei der Bundestagswahl 2017 Wähler an die AfD verliert. Die Schärfung des konservativen Profils barg jedoch die Gefahr, liberale Wähler zu verprellen, die die liberale Position der Bundesregierung (und allen voran von Angela Merkel) in der Flüchtlingskrise unterstützt hatten.

Die Online-Befragung der Universitätsstudie Bayernwahl 2018 hatte das Ziel, die Wahlentscheidung bei der bayerischen Landtagswahl 2018 zu untersuchen, die politischen Einstellungen der Wähler zu verschiedenen Themen abzufragen und die Bewertung des politischen Personals zu erfassen. Anhand der gewonnenen Daten soll die politische Kultur im Freistaat analysiert werden. Die Befragung enthielt darüber hinaus Fragen zu bestimmten politischen Projekten in Bayern und zum Mediennutzungsverhalten.

Methode

Die Befragung wurde unter Panelteilnehmern in Bayern durchgeführt. Darüber hinaus wurden über Links auf Social Media weitere Befragte zur Teilnahme motiviert. Die Befragung begann am 15.10.2018, einen Tag nach der Landtagswahl, und endete 14 Tage später am 29.10.2018. Die Befragung enthielt einen Mix aus verschiedenen Fragetypen, wie Single-Choice, Multiple-Choice und Ranking-Fragen. Darüber hinaus wurden Items zu den wichtigsten Themen oder den Gründen, weshalb man 2018 eine andere Partei als 2013 gewählt hatte, offen abgefragt und später inhaltsanalytisch vercodet.

Ergebnisse

Um die Ergebnisse der Befragung besser einordnen zu können, soll zunächst ein Blick auf die Demografie der Teilnehmenden geworfen und mit Daten des Bayerischen Landesamtes für Statistik abgeglichen werden. Das Geschlechterverhältnis in der Befragung ist recht ausgeglichen (50,5% Frauen, 49,5% Männer) und entspricht in etwa der Verteilung, die man in der Bevölkerung erwarten würde. Deutliche Unterschiede sind jedoch bei den Merkmalen Alter und Bildung zu verzeichnen. Rund ein 30 Prozent der Befragten waren zwischen 18 und 29 Jahre alt (amtliche Statistik: 16%) und nur rund 14 Prozent waren 60 Jahre oder älter (amtliche Statistik: 35%). In den weiteren Alterskategorien halten sich die Abweichungen in Grenzen. Deutliche Unterschiede sind auch beim höchsten Bildungsabschluss zu verzeichnen. In der Befragung gaben rund 62 Prozent an, über einen (Fach-) Hochschulabschluss zu verfügen, wohingegen bayernweit nur rund 17 Prozent einen tertiären Bildungsabschluss haben. Gleichzeitig sind Befragte mit Hauptschul- (2%) und Realschulabschluss (8%) deutlich unterrepräsentiert. Die Auswertungen müssen daher vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass das Sample deutlich jünger und deutlich höher gebildet war.

Auf die Frage, wen man bei der bayerischen Landtagswahl 2018 gewählt habe, gaben rund zwölf Prozent der Befragten an, für die CSU gestimmt zu haben. Ganze 13 Prozent stimmten für die SPD, mehr als 40 Prozent für die Grünen, 6 Prozent für die Freien Wähler und nur etwa drei Prozent für die AfD. Die Ergebnisse weichen somit stark vom tatsächlichen Endergebnis ab. Jedoch bestätigen sie den Forschungsstand zum Wahlverhalten, der zeigt, dass jüngere und höher gebildete Wähler zu liberalen Parteien wie den Grünen tendieren und konservative und rechte Parteien in diesem Wählersegment kaum auf Anklang stoßen.

Da die Umfragen im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl 2018 bereits daraufhin deuteten, dass die CSU die absolute Mehrheit verfehlen würde, wurden die Teilnehmer gebeten, verschiedene Koalitionsoptionen auf einer Skala von 1 "Überhaupt nicht wünschenswert" bis 100 "Sehr wünschenswert" zu beurteilen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Koalition von CSU und den Grünen mit einer durchschnittlichen Bewertung von rund 55 am beliebtesten war, gefolgt von den unrealistischen Optionen eine Koalition aus SPD und den Grünen. Die spätere Regierungskoalition aus CSU und den Freien Wählern lag im Ranking nur auf dem fünften Platz.

Auch bei der Bewertung der Spitzenpolitiker der bayerischen Landesverbände zeigt sich überproportionale Vertretung von liberalen bzw. linken Wählern im Sample. Die Politiker mit den besten Bewertungen waren Katharina Schulze und Ludwig Hartmann (beide Grüne) sowie Natascha Kohnen (SPD). Ministerpräsident Markus Söder lag noch hinter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf dem vorletzten Platz im Ranking. Schlüsselt man die Ergebnisse nach Wählergruppen auf, zeigen sich deutliche Ausstrahlungseffekte: die Kandidaten der Partei, die ein Teilnehmer gewählt hatte, wurden jeweils deutlich besser bewertet.

Schließlich soll ein Blick auf die wichtigsten Probleme in Bayern geworfen werden. Hier wurden die Befragten geben, Themen zu nennen. Diese wurden später inhaltsanalytisch untersucht und in einem Codeschema zusammengefasst. Als wichtigste Themen wurden Wohnen (rund 19%), Politische Strukturen (17%), Migration (16%) und Umwelt (11%) genannt. Die Verteilung verdeutlicht die Verflechtung von bundespolitischen und landespolitischen Themen. In den Politikfeldern Migration und Umweltschutz haben Landesregierungen nur bedingten Einfluss - vielmehr verdeutlichen die Ergebnisse, dass die Landtagswahlen zunehmend Referenden über die Leistung auf Bundesebene darstellen und Druck aufbauen sollen, um Lösungen für bundespolitische Problemlagen zu finden. Der Themenkomplex Wohnen, Bauen und Mietpreise ist zwar kein genuin bayerisches Problem, allerdings hob die CSU mit Wahlgeschenken wie einem Zuschuss zum Wohnungs- und Hausbau das Thema auf die Agenda. Unter dem Punkt politische Strukturen versammeln sich vor allem kritische Positionen zur Landesregierung, sodass dieses Thema primär von Teilnehmern genannt wurde, die unzufrieden mit der bisherigen Landesregierung waren.

Insgesamt lassen sich aus der Befragung interessante Erkenntnisse ableiten, vor allem im Hinblick auf das besser gebildete Wählersegment. Darüber hinaus deuten die Umfrageergebnisse auf die strategische Problemlage der CSU hin: Das liberale Wählermilieu zeigt sich grundsätzlich offen für eine CSU-Regierung, jedoch präferieren diese Wähler eine Koalition mit den Grünen und in vielen Politikbereichen eine progressivere Politik. Der konservativere Kurs der CSU könnte dazu führen, diese Wähler dauerhaft zu verlieren.

Steckbrief

Titel (deutsch): Die Universitätsstudie Bayernwahl (USBW18)
Titel (englisch): Universitystudy Bavarian Election (USBW18)
Erhebungszeitraum: 10/2018
Stichprobe (effektiv): 1.835
Stand der Informationen: 02.05.2023

Publikationen

Walter-Rogg, Melanie, Franziska Lambert, Leonie Eckl und Cedric Freyer. 2023. Politische Orientierungen und Verhaltensweisen der bayerischen Bürger - Eine Auswertung der SoSci-Online-Befragung der USBW18. In: Die Landtagswahl 2018 in Bayern - Analysen zum Wahlverhalten und zur politischen Kultur im Freistaat. Hrsg. Melanie Walter-Rogg und Tassilo Heinrich, Wiesbaden: SpringerVS.

Kontakt

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