Klingelhoefer, Julius; Gilbert, Alicia & Meier, Adrian

Ausschalten und Abschalten

Situationsbezogene Digital Disconnection

Viele Nutzende stehen digitalen Kommunikationstechnologien ambivalent gegenüber. Häufig wird angegeben, dass digitale Medien zu häufig oder lange genutzt werden, ablenkend wirken, und teilweise mit negativen Erfahrungen, wie Stress verbunden sind. Verschiedene Ansätze zur Milderung dieser negativen Konsequenzen reichen von Digital Detox über Bildschirmzeit-Apps hin zu Selbstregulationsstrategien, die wir unter Digital Disconnection zusammenfassen können. Solche Maßnahmen wirken sich aber nicht immer positiv auf das eigene Wohlbefinden aus und haben teilweise sogar negative Effekte (Radtke et al., 2022).

Auf Basis dieser bisherigen Befunde vermuten wir, dass Verzicht nicht immer gut oder schlecht ist und Nutzende eine Balance zwischen Vorteilen und Herausforderungen digitaler Medien finden sollten, um das Wohlbefinden zu erhöhen (vgl. Vanden Abeele, 2021). Insbesondere bei längerfristigen Einschränkungen und sehr globalem Verzicht, z.B. auf das Smartphone oder bestimmte Apps, würden wir vermuten, dass negative Folgen, z.B. weniger Verbundenheit mit anderen, überwiegen.

Auch vermuten wir, dass es eine Rolle spielt, welche Ziele mit dem Verzicht verfolgt werden und ob eine Reduzierung der Nutzung freiwillig geschieht oder, wie z.B. in einer experimentellen Studie, vorgegeben wird (Ryan & Deci, 2017).

Methode

Um diese Annahmen zu untersuchen, haben wir ein Studiendesign verwendet, welches es zum einen erlaubt, Zusammenhänge zwischen Personen zu untersuchen und zum anderen, Zusammenhänge von bestimmten Situationen zu untersuchen, z.B. inwiefern auf eine Einschränkung der Nutzung zu einem Zeitpunkt mit weniger Stress zusammenhängt.

Dazu füllten die Teilnehmer*innen zunächst eine Vorbefragung mit Charakteristika der Person und soziodemographische Angaben aus. Anschließend installierten die Teilnehmer*innen eine App auf ihrem Smartphone, welche fünfmal am Tag über einen Zeitraum von zwei Wochen kurze Fragebögen (unter 1 min. Bearbeitungszeit) ausspielte. Eine Beispielfrage ist „Wie fühlen Sie sich jetzt gerade?“, welche auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 7 (gut) beantwortet werden konnte.

Diese Zusammenhänge untersuchten wir mit einem Mehrebenen-Regressionsmodell, welches unterscheiden kann, ob Zusammenhänge auf der Situations- oder Personenebene liegen.

Ergebnisse

Unsere vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass die Reduzierung der digitalen Mediennutzung tatsächlich mit bestimmten Veränderungen einhergeht, z.B. mit einem besseren allgemeinen Wohlbefinden. Diese Zusammenhänge zeigen sich vor allem auf der Situationsebene: in Situationen, in denen die Nutzung eingeschränkt wird, traten diese Veränderungen auf, aber Personen, die generell viel verzichteten, fühlten sich nicht viel wohler als Personen, die sich weniger einschränkten.

Diese Zusammenhänge scheinen zusätzlich von Eigenschaften der Personen beeinflusst zu werden. Unter bestimmten Rahmenbedingungen, z.B. Persönlichkeitseigenschaften, sind die Zusammenhänge stärker. Beispielsweise sind bei Personen mit hoher Achtsamkeit die gefundenen situationsbezogenen positiven Zusammenhänge stärker.

Die Ergebnisse der Studien deuten insgesamt an, dass situationsbezogener, freiwilliger und eingeschränkter Verzicht effektiver sein könnte als allgemeiner und unspezifischer Verzicht.

Literatur

Radtke, T., Apel, T., Schenkel, K., Keller, J., & Lindern, E. (2022). Digital detox: An effective solution in the smartphone era? A systematic literature review. Mobile Media & Communication, 10(2), 190–215. https://doi.org/10.1177/20501579211028647

Ryan, R. M., & Deci, E. L. (2017). Self-determination theory: Basic psychological needs in motivation, development, and wellness. Guilford Press.

Vanden Abeele, M. M. P. (2021). Digital wellbeing as a dynamic construct. Communication Theory, 31(4), 932–955. https://doi.org/10.1093/ct/qtaa024

Steckbrief

Titel (deutsch): Ausschalten und Abschalten: Situationsbezogene Digital Disconnection
Titel (englisch): Momentary Digital Disconnection
Erhebungszeitraum: 11/2022–03/2023
Stichprobe (effektiv): 351
Stand der Informationen: 12.04.2023

Publikationen

ausstehend

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