Möri, Michelle; Wirz, Dominique S. & Fahr, Andreas

Parasoziale Beziehungen mit moralisch ambivalenten Mediencharakteren

Die Rolle der fünf moralischen Dimensionen

Moralisch ambivalente Mediencharaktere (MAC) sind zu einem beliebten Typus in neueren Medienproduktionen geworden (Krakowiak & Oliver, 2012; Krakowiak & Tsay-Vogel, 2013). Bisherige Forschung hat sich vor allem damit befasst, unter welchen Umständen diese Charaktere trotz ihrer Imoralität gemocht werden (z.B. Eden et al., 2015; Krakowiak & Oliver, 2012; Tamborini et al., 2013). Über parasoziale Beziehungen (PSB) zu MAC ist jedoch wenig bekannt. Eine Studie von Bonus et al. (2019) zeigt, dass sich unmoralisches Verhalten von Mediencharakteren generell negativ auf PSB auswirkt. Dies war insbesondere der Fall, wenn das Verhalten nicht den Erwartungen an eine zuvor als Held oder Bösewicht eigestufte Figur entsprach.

Anstatt Mediencharaktere in Held oder Bösewicht einzuteilen, kann Moralität entlang der fünf Domänen Fürsorge, Fairness, Loyalität, Autorität und Reinheit bewertet werden (Haidt & Joseph, 2008). Eine Studie von Eden et al. (2015) zeigte, dass sich Moralitätsverstösse je nach Domäne unterschiedlich auf die Wahrnehmung der Charaktere auswirken. In der Studie von Bonus et al. (2019) zeigte sich zudem, dass neben der Erwartungshaltung der Zuschauer:innen individuelle Faktoren für die Entwicklung von PSB eine Rolle spielen. In dieser Studie werden daher auch auf Seite der Zuschauer:innen die fünf moralischen Grundwerte berücksichtigt.

Methode

In einem Pretest wurden 27 fiktionale, potenziell ambivalente Mediencharaktere aus aktuellen Serien von insgesamt 100 Teilnehmer:innen bewertet. Basierend darauf wurden die acht Mediencharaktere für die Haupterhebung ausgewählt. In einem Online-Fragebogen gaben die Teilnehmer:innen an, welche der acht Mediencharaktere sie kennen. Anschliessend wurde ihnen randomisiert einer davon zugeteilt, zu welchem sie die folgenden Fragen beantworteten: Character Liking (Krakowiak & Tsay, 2011; Krakowiak & Tsay-Vogel, 2013), wahrgenommene Moralität des Charakters im Allgemeinen (Tamborini et al., 2013) und entlang der fünf Dimensionen (CMFQ-X; Grizzard et al., 2020), parasoziale Beziehungen zum Charakter (Tukachinsky, 2011) sowie die moralischen Werte der Teilnehmer:innen(Graham et al., 2011, 2013).

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass grundsätzlich moralisches Verhalten der moralisch ambivalenten Mediencharaktere zu stärkeren parasozialen Beziehungen bei den ZuschauerInnen führte. Für die fünf moralischen Dimensionen wurden dann unterschiedliche Ergebnisse gefunden. Allgemein erhöht moralisches Verhalten und moralisches Verhalten in Bezug auf Fürsorge, Fairness, Loyalität und Reinheit die Stärke der parasozialen Beziehungen, unabhängig der moralischen Grundwerte der ZuschauerInnen. Für die Moralitätsdimension Autorität wurden unterschiedliche Ergebnisse gefunden. Die Ergebnisse unterstreichen, dass es nicht reicht, Moralität als zweidimensionales Konstrukt anzuschauen. Gerade bei komplexen und vielschichtigen Charakteren wie den moralisch ambivalenten Mediencharakteren lohnt es sich, die fünf moralischen Dimensionen separat zu analysieren, um ein nuancierteres Bild zu bekommen.

Literatur

Bonus, J. A., Matthews, N. L., & Wulf, T. (2021). The impact of moral expectancy violations on audiences’ parasocial relationships with movie heroes and villains. Communication Research, 48(4), 550–572. https://doi.org/10.1177/0093650219886516

Eden, A., Oliver, M. B., Tamborini, R., Limperos, A., & Woolley, J. (2015). Perceptions of moral violations and personality traits among heroes and villains. Mass Communication and Society, 18(2), 186–208. https://doi.org/10.1080/15205436.2014.923462

Grizzard, M., Fitzgerald, K., Francemone, C. J., Ahn, C., Huang, J., Walton, J., McAllister, C., & Eden, A. (2020). Validating the extended character morality questionnaire. Media Psychology, 23(1), 107–130. https://doi.org/10.1080/15213269.2019.1572523

Haidt, J., & Joseph, C. (2008). The moral mind: How five sets of innate intuitions guide the development of many culture-specific virtues, and perhaps even modules. In The innate mind: Foundations and the future (Vol. 3, pp. 367–391). Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/acprof:oso/9780195332834.003.0019

Krakowiak, K. M., & Tsay, M. (2011). The role of moral disengagement in the enjoyment of real and fictional characters. International Journal of Arts and Technology, 4(1), 90. https://doi.org/10.1504/IJART.2011.037772

Krakowiak, K. M., & Tsay-Vogel, M. (2013). What makes characters’ bad behaviors acceptable? The effects of character motivation and outcome on perceptions, character liking, and moral disengagement. Mass Communication and Society, 16(2), 179–199. https://doi.org/10.1080/15205436.2012.690926

Tamborini, R., Eden, A., Bowman, N. D., Grizzard, M., Weber, R., & Lewis, R. J. (2013). Predicting media appeal from instinctive moral values. Mass Communication and Society, 16(3), 325–346. https://doi.org/10.1080/15205436.2012.703285

Tukachinsky, R. (2011). Para-romantic love and para-friendships: Development and assessment of a multiple-parasocial relationships scale. American Journal of Media Psychology, 3(1/2), 73–94.

Steckbrief

Titel (deutsch): Parasoziale Beziehungen mit moralisch ambivalenten Mediencharakteren - Die Rolle der fünf moralischen Dimensionen
Titel (englisch): Parasocial relationships with morally ambiguous media characters - the role of moral foundations
Erhebungszeitraum: 02/2022
Stichprobe (effektiv): 250
Stand der Informationen: 03.04.2023

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Michelle Möri

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