Henning, Klara & Hüffmeier, Joachim

Welche Gründe führen zur Befürwortung eines bedingungslosen Grundeinkommens?

Ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ist eine monatliche Zahlung an alle Bürger*innen eines Staates, die individuell und ohne Bedingungen oder Voraussetzungen gewährt wird und das soziokulturelle Existenzminimum abdecken soll (Rinke, 2020). In Umfragen und Studien zeigte sich, dass ca. 50% der Befragten die Einführung eines BGE in Deutschland unterstützen (Bundesministerium der Finanzen, 2021; ESS ERIC, 2017; Krämer & Hercher, 2021).

Die vorliegende Studie untersucht, ob häufig angeführte Argumente für ein BGE einen Einfluss auf die Einstellung zu einem BGE haben. Dazu testeten wir den Effekt der folgenden sechs Argumente, die immer wieder in der Forschungsliteratur diskutiert werden (Douma, 2018; Hüffmeier & Zacher, 2021; Kay, 2017; Mau & Liebig, 2002):

Argument 1: Das BGE sorgt dafür, dass Arbeitgeber:innen die Arbeitsbedingungen an vielen Arbeitsplätzen verbessern müssen, weil die Beschäftigten nun die Freiheit haben, ihre Arbeitsplätze zu verlassen .

Argument 2: Das BGE sorgt dafür, dass keine Stigmatisierung, Scham- oder Schuldgefühle durch den Erhalt von Hilfeleistungen auftreten, weil alle Menschen es erhalten.

Argument 3: Das BGE steht im Einklang mit der Überzeugung, dass die Erde der gemeinsame Besitz aller Menschen ist, und sorgt dafür, dass die Erträge der Erde an alle Menschen verteilt werden.

Argument 4: Das BGE schafft finanzielle Sicherheit für die Menschen, deren Arbeitsplätze durch Digitalisierung und Automatisierung wegfallen.

Argument 5: Das BGE reduziert erlebte Stress und Besorgnis und sorgt für mehr Freiheitserleben bei Beschäftigten durch finanzielle Absicherung.

Argument 6: Das BGE sorgt für mehr finanzielle Unabhängigkeit gerade für Frauen, die in Partnerschaften und Familien leben, sodass Geschlechterungleichheiten verringert werden könnten.

Methode

Wir präsentierten den Teilnehmenden (N = 551, davon 211 über das SoSci Panel rekrutiert) eine Definition des BGE und anschließend randomisiert eines der sechs Argumente (in ausführlicher Form) für die Einführung eines BGE. Eine Kontrollgruppe erhielt nur die Definition und kein Argument. Im Anschluss erfassten wir die Einstellung der Teilnehmenden zu Einführung eines BGE in Deutschland, sowie ihre Annahmen über die Auswirkungen, die die Einführung eines BGE auf die Gesellschaft hätte. Letzteres erfassen wir, um zu überprüfen, durch welche Annahmen eine durch die Argumente ausgelöste Einstellungsänderung vermittelt wird.

Dazu erfassten wir die Zustimmung zu den folgenden vier Annahmen:

(1) Ein BGE führt zu mehr Verteilungsgerechtigkeit in der Gesellschaft.

(2) Ein BGE führt zu besseren Arbeitsbedingungen.

(3) Ein BGE führt zu mehr Selbstbestimmung und Freiheitserleben in der Bevölkerung.

(4) Ein BGE verbessert das deutsche Sozialhilfesystem.

Ergebnisse

In unserer gesamten Stichprobe gaben 70.96% der Teilnehmenden an, die Einführung eines BGE in Deutschland zu befürworten oder sehr zu befürworten. Innerhalb der Kontrollgruppe waren es 56.25%. Es zeigte sich konsistent mit bisherigen Forschungsergenissen (Bay & Pedersen, 2006; Roosma & van Oorschot, 2020), dass ein BGE stärker von Personen unterstützt wird, die politisch links eingestellt sind und von Personen, die über ein geringeres Einkommen verfügen.

Der Vergleich der Kontrollgruppe mit den Experimentalgruppen zeigte eine signifikant positivere Einstellung zu eines BGE innerhalb der Gruppen, denen die Argumente 4, 5 oder 6 präsentiert wurden. Für Argument 5 zeigte eine Mediationsanalyse, dass das Argument genau dann einen positiven Einfluss auf die Einstellung zu einem BGE hat, wenn die Personen nach dem Lesen des Arguments davon ausgehen, dass ein BGE Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer:innen verbessern kann (Annahme 2). Für die anderen Argumente konnte kein Mediationseffekt durch die Annahmen der Teilnehmenden über die Auswirkungen eines BGE festgestellt werden.

Literatur

Bay, A.-H., & Pedersen, A. W. (2006). The Limits of Social Solidarity: Basic Income, Immigration and the Legitimacy of the Universal Welfare State. Acta Sociologica, 49(4), 419–436. https://doi.org/10.1177/0001699306071682

Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.). (2021). Bedingungsloses Grundeinkommen. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Ministerium/Wissenschaftlicher-Beirat/Gutachten/bedingungsloses-grundeinkommen.pdf?__blob=publicationFile&v=6

Douma, E. (2018). Sicheres Grundeinkommen für alle: Wunschtraum oder realistische Perspektive? (1. Aufl.). Cividale Verlag.

ESS ERIC. (2017). European Social Survey (ESS), Round 8—2016. https://doi.org/10.21338/NSD-ESS8-2016

Hüffmeier, J., & Zacher, H. (2021). The basic income: Initiating the needed discussion in industrial, work, and organizational psychology. Industrial and Organizational Psychology, 14(4), 531–562. https://doi.org/10.1017/iop.2021.91

Kay, J. (2017). The Basics of Basic Income. Intereconomics, 52(2), 69–74. https://doi.org/10.1007/s10272-017-0648-9

Krämer, A., & Hercher, J. (2021, Januar 21). Bedingungsloses Grundeinkommen: Je länger die Krise andauert, desto größer der Zuspruch in der Bevölkerung.

Mau, S., & Liebig, S. (2002, September 12). A Legitimate Guaranteed Minimum Income? Basic Income European Network, 9th International Congress, Geneva.

Rinke, K. (2020, August 3). Das (bedingungslose) Grundeinkommen | bpb. bpb.de. https://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/316914/das-bedingungslose-grundeinkommen

Roosma, F., & van Oorschot, W. (2020). Public opinion on basic income: Mapping European support for a radical alternative for welfare provision. Journal of European Social Policy, 30(2), 190–205. https://doi.org/10.1177/0958928719882827

Steckbrief

Titel (deutsch): Welche Gründe führen zur Befürwortung eines bedingungslosen Grundeinkommens?
Titel (englisch): Which arguments lead to the endorsement of an unconditional basic income?
Erhebungszeitraum: 04/2022–05/2022
Stichprobe (effektiv): 551
Stand der Informationen: 01.02.2023

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