Hirzle, Teresa

Den richtigen Ton treffen

Bewertung der Wirksamkeit einer Markenaktivismus-Botschaft unter Verwendung verschiedener Tonalitäten.

Die gegenwärtige Zeit ist durch dringende gesellschaftliche Probleme wie den Klimawandel oder Fragen der sozialen Gerechtigkeit geprägt. Dabei werden viele soziopolitische Themen in der Gesellschaft sehr kontrovers diskutiert, z.B. wenn es um Fragen der Einwanderung und Integration oder um Maßnahmen zum Klimaschutz geht. Auch von Unternehmen wird zunehmend erwartet, dass sie sich zu gesellschaftlich relevanten und kontroversen Themen positionieren. Solch öffentliche Stellungnahmen und Initiativen, z.B. in Form von Social Media-Posts, Pressekonferenzen oder Markenkampagnen, werden unter dem Begriff Unternehmens- oder Markenaktivismus (Corporate/Brand Activism) zusammengefasst.

Für Unternehmen stellt sich die Herausforderung, ihre Kommunikation so zu gestalten, dass positive Einstellungs- und Verhaltensänderungen in Bezug auf Thema und Marke erzielt werden können. Dies ist bei kontroversen Themen besonders herausfordernd, da Markenaktivismus nachweislich asymmetrische Effekte erzeugt. Diese Asymmetrie besteht darin, dass Personen, die nicht die Haltung der Marke teilen, sehr negativ auf aktivistische Botschaften reagieren. Umgekehrt reagieren Befürworter der Unternehmensposition nicht im gleichen Maße positiv oder gänzlich neutral.

Basierend auf Einstellungs- und Reaktanztheorien wird in der folgenden Studie untersucht, wie sich die Tonalität (neutral vs. nachdrücklich vs. humorvoll) auf Einstellungen und Verhaltensabsichten der Empfänger*innen der Botschaft auswirkt. Als zentrale Moderatoren werden neben der individuellen Haltung zum Thema KLimawandel auch die unternehmensspezifische Einstellung integriert. Reaktanz und Humor fungieren als Mediatoren, um die den Reaktionen zugrundeliegenden psychologischen Wirkmechanismen besser zu verstehen. Die Ergebnisse sollen Unternehmen helfen, effektive Botschaften zu entwickeln, die zu positiven Einstellungs- und Verhaltensänderungen führen und idealerweise einer weiteren Polarisierung entgegenwirken.

Methode

Um die Wirkung verschiedener Tonalitäten auf Einstellungs- und Verhaltensänderung zu messen, wurde ein Experimentaldesign gewählt. Im Vorlauf des Experiments wurden zwei Pre-Tests durchgeführt: Ein quantitativer Online-Pre-Test für die Auswahl der Stimuli (63 Teilnehmer) und ein qualitativer Face-to-face Pre-Test, um die Verständlichkeit der Fragen zu überprüfen (8 Teilnehmer). Nach der Durchführung des Online-Pretests wurden Stimuli zum Thema Klimaschutz ausgewählt.

Das finale Experiment beinhaltet unter anderem Vorher-Nachher-Messungen der abhängigen Variablen.

Bei der Analyse sollen Varianzanalysen (u.a. Repeated Measures) sowie moderierte Mediationsanalysen mit Hilfe von PROCESS zur Anwendung kommen.

Ergebnisse

Es konnte festgestellt werden, dass es keine allgemeine und konsistente direkte Auswirkung verschiedener Sprachtöne im Markenaktivismus auf die Einstellungen und Verhaltensreaktionen der Verbraucher gab. Dennoch kann nicht gefolgert werden, dass es überhaupt keine Auswirkungen von Markenaktivismus auf die Ergebnisse der Verbraucher gibt. Es wurden einige indirekte Auswirkungen festgestellt. Im Hinblick darauf wurden Mediation, Moderation und moderierte Mediation untersucht. Auch wenn kein direkter Effekt gemessen werden konnte, zeigten die Verbraucherergebnisse aufgrund der intermediären Effekte dennoch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen.

Es stellte sich heraus, dass die Variable "wahrgenommene Authentizität der Markenbotschaft" signifikant die Einstellung zur Werbung, die Einstellung zum Thema (nachher), die Befürwortung des Themas, die Einstellung zur Marke (nachher) und Mund-zu-Mund-Propaganda sowie die Befürwortung der Marke durch eine Mediation beeiflusst. Dies unterstützt die theoretische Forschung, dass Authentizität einer der wichtigsten Aspekte für die Durchführung von erfolgreichem Markenaktivismus ist (Miller 2015; Shoenberger et al. 2020). Darüber hinaus ist es relevant zu erwähnen, dass auch wahrgenommene Witzigkeit - im Falle eines humorvollen Appells in Relation zu einer nachdrücklichen Tonalität - eine signifikante Rolle für einen Mediationseffekt auf Werbungseinstellung und Markeneinstellung (Nachher) und Mund-zu-Mund-Propaganda spielt. Nach Xie et al. (2019) kann Mund-zu-Mund-Propaganda als einer der stärksten Einflussfaktoren auf den Markenaktivismus wirken (S.522ff). Darüber hinaus ist es die beste Quelle für Reputation, da es eine hohe Glaubwürdigkeit aufweist und daher zu einem starken Einfluss führt, der für die Marke günstig oder ungünstig sein kann.

Ein weiteres Ergebnis der Arbeit zeigte sich bei der Analyse der Effekte auf die Verhaltensänderung. Es konnten weder direkte Effekte der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable Verhaltensänderung noch indirekte Effekte durch Moderation oder Mediation gefunden werden. Es kann also davon ausgegangen werden, dass Humor und Durchsetzungsvermögen keinen signifikanten Einfluss auf die Verhaltensänderung eines Konsumenten haben.

Die ersten Tests zeigten außerdem keine signifikanten Effekte für die Veränderung der Einstellung zum Thema und zur Marke. Dennoch konnte eine signifikante moderierte Mediation der Einstellung zum Thema (vorher) über die Reaktanz (Ärger und negative Kognition) auf die Einstellung zur Anzeige sowie eine moderierte Mediation der Einstellung zur Marke (vorher) über die wahrgenommene Witzigkeit auf die Einstellung zur Anzeige festgestellt werden. Da beide Mediatoren, Reaktanz und wahrgenommene Witzigkeit, zusätzlich einen signifikanten Moderationseffekt auf das Konsumentenergebnis Anzeigeneinstellung zeigten, ist dies ein wichtiges Ergebnis. Obwohl sie sich nur über einen Mediator auf eine abhängige Variable auswirken, sollten die vorgelagerten Messungen der themenbezogenen Einstellung und der Markeneinstellung nicht außer Acht gelassen werden. Im Falle einer Nichtübereinstimmung mit der Einstellung der Marke zum Thema oder im Falle einer schlechten Markeneinstellung kann die Einstellung zur Anzeige deutlich schlechter ausfallen. Dies wiederum kann einen relevanten Einfluss auf das Verbraucherverhalten haben. Außerdem wurde in früheren Tests keine signifikante Veränderung der Einstellung zum Thema festgestellt. Darüber hinaus wurde kein direkter Effekt der Sprachtöne auf die Einstellung zum Thema (nachher) gefunden. Neben dem Mediationseffekt der wahrgenommenen Authentizität der Markenbotschaft konnte im Experiment jedoch nachgewiesen werden, dass die Einstellungssicherheit das Ergebnis der Einstellung zum Thema (nachher) signifikant moderiert. Dies ist ein wichtiges Ergebnis für die Theorie. Daraus lässt sich ableiten, dass im Falle eines humorvollen Appells - im Verhältnis zu einer nachdrücklichen Botschaft - die Einstellungssicherheit eines Konsumenten seine themenbezogene Einstellung nach dem Sehen der Werbung positiv beeinflussen kann.

Literatur

Miller, Felicia M. (2015): Ad Authenticity: An Alternative Explanation of Advertising's Effect on Established Brand Attitudes. In: Journal of Current Issues & Research in Advertising 36 (2), p. 177–194. DOI: 10.1080/10641734.2015.1023871.

Shoenberger, Heather; Kim, Eunjin; Johnson, Erika K. (2020): #BeingReal about Instagram Ad Models: The Effects of Perceived Authenticity. In: JAR 60 (2), p. 197–207. DOI: 10.2501/JAR-2019-035.

Xie, Chunyan; Bagozzi, Richard P.; Grønhaug, Kjell (2019): The impact of corporate social responsibility on consumer brand advocacy: The role of moral emotions, attitudes, and individual differences. In: Journal of Business Research 95, p. 514–530. DOI: 10.1016/j.jbusres.2018.07.043.

Steckbrief

Titel (deutsch): Den richtigen Ton treffen: Bewertung der Wirksamkeit einer Markenaktivismus-Botschaft unter Verwendung verschiedener Tonalitäten.
Titel (englisch): Hitting the Right Tone: Assessing the effectiveness of a brand activism message using different language tones.
Erhebungszeitraum: 07/2022
Stichprobe (effektiv): 211
Stand der Informationen: 16.09.2022

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