Graf, Veronika; Hinderhofer, Leonie; Kappel, Jule; Kraft, Julia & Schneiderheinze, Sabrina

Zwischen Fluch und Segen

Binge-Watching und seine Auswirkungen auf die Erholung

Streaming Dienste bieten längst ein völlig neues Nutzungserlebnis, da Filme und Serien nun ohne feste Sendezeiten on-demand angeschaut werden können. Binge-Watching, also das Anschauen von mehreren Folgen einer Serie am Stück (Pittman & Sheehan, 2015), ist in diesem Zusammenhang vermehrt in den Fokus gerückt. Bisherige Forschung zu Binge-Watching konzentrierte sich häufig auf negative Effekte, wie das Hervorrufen von Schuldgefühlen (Granow et al., 2018) oder Abhängigkeit (Riddle et al., 2018). Diese Studie fokussiert positive Effekte von Binge-Watching auf die Erholung. Die übergeordnete Fragestellung lautet „How can binge-watching engagement and symptoms contribute to recovery?”. Dabei wird Binge-Watching differenzierter betrachtet als in bisherigen Studien und schließt sowohl problematische Symptome als auch positive Symptome (Engagement) von Binge-Watching ein (Flayelle et al., 2019). Hierbei wird davon ausgegangen, dass positive Symptome des Binge-Watchings zur Erholung in Form von Psychological Detachment, Relaxation, Mastery und Control beitragen können (Sonnentag & Fritz, 2007). Negative Effekte von Binge-Watching wurden bereits durch verschiedene Studien belegt und sollen daher auch in dieser Untersuchung nicht außer Acht gelassen werden. Es wird angenommen, dass Schuldgefühle den negativen Effekt von problematischem Binge-Watching auf die Erholung mediieren. Zudem wird der Zusammenhang zwischen den Binge-Watching Symptomen und eudaimonischen sowie hedonistischen Unterhaltungspräferenzen untersucht.

Methode

Um die Fragestellung „How can binge-watching engagement and symptoms contribute to recovery?” zu beantworten, wurde eine quantitative Online-Befragung mit der Software SoSci Survey durchgeführt. Befragt wurden Digital Natives (N=733), also Personen, die nach 1980 geboren wurden, um Verzerrungen zu vermeiden. Durch eine Filterfrage wurden zudem nur diejenigen eingeschlossen, die Serien auf Streaming-Portalen (wie z.B. Netflix, Amazon Prime etc.) schauen. Alle Konstrukte wurden anhand von etablierten Skalen abgefragt.

Ergebnisse

Während sich frühere Studien hauptsächlich auf negative Effekte von Binge-Watching konzentriert haben, untersucht diese Studie positive Effekte. Die Ergebnisse zeigen, dass das Binge-Watching Symptom „positive Emotionen“ zur Erholung in Form von Psychological Detachment, Relaxation, Mastery und Control beitragen kann. Wenn eine Person jedoch erschöpft ist, kommt es zu negativen Binge-Watching Symptomen. Hinsichtlich der problematischen Binge-Watching Symptome zeigt sich, dass diese zu Schuldgefühlen führen. Schuldgefühle mediieren den negativen Effekt von problematischem Binge-Watching auf die Recovery Dimension Control. Eine hohe Trait-Selbstkontrolle, also die Selbstkontrolle einer Person unabhängig von einer konkreten Situation, wirkt sich als Schutzfaktor gegen problematisches Binge-Watching aus, was wiederum die Erholung begünstigt. Es zeigt sich zudem, dass eine eudaimonische Unterhaltungspräferenz mit positiven Binge-Watching-Symptomen in Zusammenhang steht.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass Binge-Watching auch zur Erholung beitragen kann und daher nicht nur mit negativen Auswirkungen in Verbindung gebracht werden sollte.

Literatur

Flayelle, M., Canale, N., Vögele, C., Karila, L., Maurage, P., & Billieux, J. (2019). Assessing binge-watching behaviors: Development and validation of the “Watching TV Series Motives” and “Binge-watching Engagement and Symptoms” questionnaires. Computers in Human Behavior, 90, 26–36. https://doi.org/10.1016/j.chb.2018.08.022

Granow, V. C., Reinecke, L., & Ziegele, M. (2018). Binge-Watching and Psychological Well-Being: Media Use Between Lack of Control and Perceived Autonomy. Communication Research Reports, 35(5), 392–401. https://doi.org/10.1080/08824096.2018.1525347

Sonnentag, S., & Fritz, C. (2007). The Recovery Experience Questionnaire: Development and validation of a measure for assessing recuperation and unwinding from work. Journal of Occupational Health Psychology, 12(3), 204–221. https://doi.org/10.1037/1076-8998.12.3.204

Pittman, M., & Sheehan, K. (2015). Sprinting a media marathon: Uses and gratifications of binge-watching television through Netflix. First Monday, 20(10). https://doi.org/10.5210/fm.v20i10.6138

Riddle, K., Peebles, A., Davis, C., Xu, F., & Schroeder, E. (2018). The addictive potential of television binge watching: Comparing intentional and unintentional binges. Psychology of Popular Media Culture, 7(4), 589–604. https://doi.org/10.1037/ppm0000167

Steckbrief

Titel (deutsch): Zwischen Fluch und Segen: Binge-Watching und seine Auswirkungen auf die Erholung
Titel (englisch): Between Curse and Blessing: Binge-Watching and its Effects on Recovery
Erhebungszeitraum: 10/2021–11/2021
Stichprobe (effektiv): 733
Stand der Informationen: 11.02.2022

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Julia Kraft

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