Logemann, Hannah Timna & Tomczyk, Samuel

Wie sich Medienberichte über COVID-19-Verschwörungstheorien auf Konsensüberzeugungen und das Halten an restriktive Maßnahmen auswirken

Eine randomisierte kontrollierte Online-Studie

Seit Beginn der Corona-Pandemie begleiten uns zahlreiche Theorien über die Entstehung und den vermeintlichen Zweck des neuartigen Virus. Verschwörungsmythen, wie dass das Virus als biologische Waffe in einem chinesischen Labor entwickelt wurde, verbreiteten sich rasant und wurden in den Medien ausführlich diskutiert. Die sich häufenden Beiträge über Verschwörungsmythen, über Demonstrationen der Querdenkerszene oder Interviews mit Corona-Leugnern, könnten dazu geführt haben, dass Menschen die Meinungsverteilung in der Gesellschaft falsch einschätzen.

Ziel der Studie ist es, den Zusammenhang zwischen der Nachrichtenberichterstattung über Verschwörungsmythen und der Wahrnehmung des Konsenses in der Gesellschaft zu unter-suchen. In der Vergangenheit konnte mit der Entwicklung des Gateway Belief Models gezeigt werden, dass die Einschätzung des Konsenses unter Wissenschaftler*innen und im sozialen Umfeld einen entscheidenden Einfluss auf die eigenen Einstellungen und Verhaltensweisen hat. Da das Modell jedoch keine Annahmen über die Entstehung der Wahrnehmung des Konsenses trifft, fokussiert sich diese Studie auf die Erweiterung des Modells und dessen Anpassung an den Kontext der Corona-Pandemie.

Die folgenden Forschungsfragen sollen untersucht werden:

1. Wie beeinflusst die Nachrichtenberichterstattung über coronabezogene Verschwörungsmythen den wahrgenommenen Konsens in der Gesellschaft, dass das Coronavirus ernstzunehmen ist?

2. Wirkt sich die Einschätzung des Konsenses in der Gesellschaft auf die eigenen Einstellungen (Glaube an die Ernsthaftigkeit des Virus, Sorge über die Risiken des Virus, Glaube an die Effektivität restriktiver Maßnahmen) aus?

3. Wie hängen die eigenen Einstellungen bezüglich des Coronavirus mit dem Einhalten der restriktiven Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zusammen?

Methode

Proband*innen wurden nach informierter Einwilligung randomisiert einer von drei Gruppen zugewiesen. Alle drei Gruppen schauten zunächst einen ausgewählten Ausschnitt einer ARD-Nachrichtensendung. Dabei handelte es sich entweder um einen Beitrag über Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen, über wissenschaftliche Untersuchungen rund um das Coronavirus oder über einen Corona-Gipfel. Nach dem jeweiligen Video erhielten alle Personen denselben Fragebogen. Hierbei wurden Items unter anderem zur Einschätzung des Konsenses, zu individuellen Einstellungen bezüglich Corona und zum Verhalten bezüglich restriktiver Maßnahmen der Corona-Pandemie erhoben. Die Dauer der Studie betrug etwa 20 Minuten. Insgesamt konnten 472 Proband*innen rekrutiert werden. Effektiv konnten 395 dieser Proband*innen in die statistische Analyse aufgenommen werden.

Ergebnisse

Die Einschätzung des gesellschaftlichen Konsenses unterschied sich nach dem Gucken der Nachrichtenberichte zwischen den Versuchsgruppen. Entgegen den vorangetroffenen Annahmen schätzten allerdings die Versuchspersonen, die den Bericht über die Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen gesehen hatten, den Konsens in der Gesellschaft höher ein, dass das Coronavirus ernstzunehmen ist im Vergleich zu denen, die den wissenschaftlichen oder neutralen Bericht sahen. Es konnte ein positiver Zusammenhang zwischen der Konsenseinschätzung und den Einstellungen gegenüber Corona gefunden werden, welche dann wiederum positiv mit der Compliance mit den Maßnahmen assoziiert waren. Allerdings zeigte das Pfadmodell, dass die Sorge über die gesundheitlichen Folgen des Coronavirus das Verhalten im Gegensatz zu anderen Einstellungen (Glaube an COVID und Glaube an die Wirksamkeit der Maßnahmen) das Verhalten nicht vorhersagen konnte.

Darüber hinaus zeigte der Modellfit, dass das angepasste Modell die Daten nicht gut abbildete. Die Einbeziehung von Kovariaten in das Modell verbesserte jedoch die Modellanpassung, was darauf hindeutet, dass der Impfstatus stark mit der Einstellung zu COVID verbunden ist. Insgesamt konnte durch die Studie gezeigt werden, dass die Berichterstattung einen Einfluss auf die Einschätzung des Konsenses hatte und dass diese Einschätzung wiederum Einstellungen und Verhaltensweisen beeinflusste.

Literatur

van der Linden, S., Leiserowitz, A., & Maibach, E. (2019). The gateway belief model: A large-scale replication. Journal of Environmental Psychology, 62, 49–58. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2019.01.009

Steckbrief

Titel (deutsch): Wie sich Medienberichte über COVID-19-Verschwörungstheorien auf Konsensüberzeugungen und das Halten an restriktive Maßnahmen auswirken - Eine randomisierte kontrollierte Online-Studie
Titel (englisch): How media reports on COVID-19 conspiracy theories impact consensus beliefs, and protective action: a randomized controlled online trial
Erhebungszeitraum: 07/2021
Stichprobe (effektiv): 395
Stand der Informationen: 25.01.2023

Publikationen

Logemann, H. T., & Tomczyk, S. (2022). How Media Reports on COVID-19 Conspiracy Theories Impact Consensus Beliefs and Protective Action: A Randomized Controlled Online Trial. Science Communication. https://doi.org/10.1177/10755470221143087

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