Krause, Karen

Solidarität, Lebensqualität und Klimaschutz

Das Fortschreiten der Klimakrise fordert mit zunehmender Dringlichkeit eine nachhaltige gesellschaftliche Transformation. Ein bisher ungenutztes Potential zur Förderung eines solchen Wandels liegt in der Solidarität (Beck, 2000). Es wird angenommen, dass eine solidarische Lebensweise sogar mit einer Steigerung individueller Lebensqualität in Verbindung steht (WBGU, 2016). Gesellschaftliche und psychologische Diskurse argumentieren, dass solidarisches Verhalten anderen gegenüber zu einer Haltung führt, die den Aufbau einer nachhaltigen, der Klimakrise begegnenden Gesellschaft fördert. Durch die Untersuchung solidarischer Lebensqualität können somit neue Ansatzpunkte entstehen. Empirische Belege über Unterfacetten von Solidarität würden eine Grundlage schaffen, auf deren Basis Interventionsprogramme inhaltlich und methodisch in ihrer Effizienz gesteigert werden können. Vor diesem Hintergrund war dies der zentrale Forschungsgegenstand der Studie. Aus der Literatur lassen sich theoretische Annahmen zu solchen Unterfacetten ableiten; etwa Compassion, welche als empathische Reaktion definiert wird, die prosoziales Verhalten motiviert (Singer & Klimecki, 2014), das utopische Moment als grundlegende Voraussetzung für Solidarität als normatives Konstrukt (Scherr, 2013), Selbstwirksamkeit als entscheidender Faktor bei der Entstehung kollektiver Wirksamkeit und Umweltverhalten (Reese & Junge, 2017), auch Vertrauen (Drury et al., 2015), Resilienz (Pauen, 2012) und Identitätserweiterung (Suarez-Orozco & Suarez-Orozco, 2003). Auf theoretischer Grundlage kann also angenommen werden, dass ein Zusammenhang dieser Konstrukte zu Solidarität existiert und sie die Fähigkeit, zu einer nachhaltigen Gesellschaft beizutragen, befördern. Diese Studie lieferte erste empirische Belege für diese theoretischen Annahmen.

Ziel der Untersuchung waren drei Aspekte:

1) Prüfung, ob theoretisch abgeleitete Unteraspekte von Solidarität sich bestätigen lassen

2) Prüfung, ob dieses neue Verständnis von Solidarität im Zusammenhang mit einer erhöhten Lebensqualität stehen

3) Prüfung, ob solidarische Persönlichkeitseigenschaften im Zusammenhang mit umweltfreundlichen Überzeugungen stehen.

Methode

Angelehnt an das Vorgehen von Schwarz et al. (2012) zur Erfassung von Werten wurde in dieser Studie zunächst eine fiktive Person beschrieben. Die Proband*innen sollten dann beantworten, inwiefern sie dieser Person ähneln, für wie solidarisch sie diese Person halten würden und ob sie dieser Person eine hohe Lebensqualität zusprechen würden. Dabei war die Beschreibung der Person an den empirisch abgeleiteten Unterfacetten der Solidarität orientiert. Die getroffenen Angaben der Proband*innen zeigten per Faktorenanalyse, ob sich die abgeleiteten Facetten quantitiativ bestätigen und welche Ausprägungsmuster gefunden werden. Die Abfrage zur Lebensqualität erfolgte mittels semantischen Differentials, dessen einzelne Paare sich an dem Lebensqualitätskonzept von Veenhoven (2013) orientierten.

Ergebnisse

In der Untersuchung über das SoSci-Survey-Panel konnte eine Stichprobe von n = 702 Personen gewonnen werden, die den Fragebogen vollständig beantwortete.

Laut meiner Theorie würde eine Faktorenanalyse zeigen, dass all diese Unterfacetten trotzdem zu einem zugrundeliegenden Konstrukt – Solidarität – gehören würden. Meine Ergebnisse zeigen, dass das bis auf die Unterfacette Selbstwirksamkeit der Fall ist.

Weiterhin konnte gezeigt werden, dass zwischen allen Unterfacetten der Solidarität wie auch im Mittelwert ein hoher korrelativer Zusammenhang zwischen Lebensqualität und Solidarität besteht. Das bedeutet, dass zwischen den Unterfacetten und dem Empfinden von Lebensqualität ein hoher, nicht zufälliger Zusammenhang besteht; ist Solidarität höher ausgeprägt, wird auch eine höhere Lebensqualität empfunden.

In der regressiven Analyse wurde geprüft, ob sich „Lebensqualität aus Solidarität vorhersagen“ lässt, ob also Solidarität ein sogenannter Prädiktor für Lebensqualität ist. Auch das ist laut meiner Ergebnisse der Fall. (B = .584, p < .000, R = .62, R² = .392)

Hinsichtlich Solidarität und Klimaschutz zeigen meine Ergebnisse, dass auch hier sowohl ein hoher korrelativer (r = .499, p =.01) als auch ein regressiver Zusammenhang (B = .450, p < .000, R = .449, R² = .201) besteht. Das bedeutet, dass solidarische Menschen auch eine höhere Affinität zu Klimaschutz berichten.

Literatur

Beck, U. (2000). Die Zukunft von Arbeit und Demokratie. Suhrkamp.

Drury, J., Brown, R., González, R., & Miranda, D. (2016). Emergent social identity and observing social support predict social support provided by survivors in a disaster: Solidarity in the 2010 Chile earthquake. European Journal of Social Psychology, 46(2), 209-223.

Pauen, M. (2012). Ohne ich, kein wir: Warum wir Egoisten brauchen. Ullstein eBooks.

Reese, G. und Junge, E. A. (2017): Keep on rockin’in a (plastic-) free world: collective efficacy and pro-environmental intentions as a function of task difficulty. Sustainability 9 (2), 200.

Scherr (2013). Solidarität im postmodernen Kapitalismus. In: Billmann, L., & Held, J. (2013). Solidarität in der Krise. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Schwartz, S. H., Cieciuch, J., Vecchione, M., Davidov, E., Fischer, R., Beierlein, C., ... & Konty, M. (2012). Refining the theory of basic individual values. Journal of personality and social psychology, 103(4), 663.

Singer, T., & Klimecki, O. M. (2014). Empathy and compassion. Current Biology, 24(18), R875-R878.

Suárez-Orozco, C. & Suárez-Orozco, M. M. (2003). La infancia de la inmigración. Madrid: Morata.

Veenhoven, R. (2013). Conditions of happiness. Springer Science & Business Media.

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), (2016). Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen WBGU, Berlin.

Steckbrief

Titel (deutsch): Solidarität, Lebensqualität und Klimaschutz
Titel (englisch): Solidarity, Quality of Life and Climate Protection
Erhebungszeitraum: 11/2020
Stichprobe (effektiv): 702
Stand der Informationen: 26.01.2021

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Karen Krause

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