Langer, David

Effekte der Zielsetzung und des moralischen Kapitals auf das unethische Handeln in Unternehmen

Manager wünschen sich motivierte Mitarbeiter, um den Unternehmenserfolg zu steigern. Eine weit verbreitete und anerkannte Motivationstechnik in der Praxis wie auch in der Organisationsforschung ist die Zielsetzungstheorie (Kleingeld et al., 2011; Miner, 2003). Die Theorie sagt voraus, dass das Setzen von herausfordernden Zielen Menschen zu einer höheren Leistung anspornt als das Setzen von leichten Zielen (Locke & Latham, 1990). Sowohl neuere Forschung als auch aktuelle Unternehmensskandale weisen allerdings auf unerwünschte Nebenwirkungen hin: Danach können zu hoch gesteckte Ziele unethische Handlungen hervorrufen (Ordóñez & Welsh, 2015; Welsh et al., 2019).

Diese Studie untersucht die Effekte der Zielsetzungstheorie auf das unethische Handeln unter Berücksichtigung des moralischen Kapitals eines Unternehmens. Das moralische Kapital bezeichnet eine ethische Unternehmenskultur, bei der die Werte und Normen eines Unternehmens mit den Moraldimensionen der Moral Foundations-Theorie korrespondieren (Kluver et al., 2014). Die Moral Foundations-Theorie behandelt die moralischen Vorstellungen von Menschen und deren Einfluss auf das Handeln. Diese Studie setzt dabei den Fokus auf die Fairnessdimension, die den Grad der Ehrlichkeit von Menschen in kooperativen Austauschbeziehungen beschreibt (Graham et al., 2013). Zusätzlich werden die Effekte der individuellen Leistungsfähigkeit (Latham, 2016) wie auch der ethischen Rechtfertigungsneigung (Shu et al., 2011) auf das unethische Handeln geprüft.

Methode

Ein Experiment ist als Rollenspiel aufgebaut, bei dem die Untersuchten in einer fiktiven Werbeagentur angestellt sind und mit realitätsnahen Arbeitssituationen konfrontiert werden. Zuerst erfolgt eine „Kreativitätsschulung“, um die Fähigkeiten der Befragten zu erfassen. Das moralische Kapital wird über das Beobachten des Verhaltens von zwei Kollegen transportiert. Einer Gruppe wird moralisches Kapital durch eine „ehrliche Bedingung“ übermittelt, indem der Kollege den anderen Kollegen auf Fehler in der Spesenab-rechnung hinweist. Analog wird einer anderen Gruppe unmoralisches Kapitel durch eine „unehrliche Bedingung“ übermittelt, indem der Kollege Hinweise gibt, wie die Spesenabrechnung zum eigenen Vorteil verändert werden kann. Im Anschluss daran wird die moralische Rechtfertigungsneigung gemessen und die Befragten durchlaufen eine Brainstorming-Aufgabe in einem Zeitraum von einer Minute. Diese Aufgabe besteht darin, eine vorgegebene Anzahl an Verwendungszwecken für einen Gegenstand zu notieren (Gruppe leicht = 4, Gruppe mittel = 7, Gruppe schwer = 12, s. Mento et al., 1992). Unmittelbar danach besteht die Möglichkeit, mehr Verwendungszwecke zu berichten als in dem Zeitraum tatsächlich erreicht wurde und somit unethisch zu handeln. Der vermittelnde Effekt der ethischen Rechtfertigungsneigung zwischen dem moralischen Kapital und dem unethischen Handeln wird mit Hilfe des neuartigen „Impossible Mediation Test“ (Yeager & Krosnick, 2017) überprüft, indem die Reihenfolge der Arbeitssituationen für verschiedene Gruppen systematisch variiert wird. Damit können kausale Mediationseffekte in experimentellen Designs ermittelt werden.

Ergebnisse

An der Studie haben 1.762 Befragte mit Berufserfahrung teilgenommen, die nach der vollständigen Aufklärung ihre Einwilligung zur Verwendung der Daten erklärt haben.

Es kann gezeigt werden, dass Befragte bei schwierigen Zielvorgaben gegenüber Befragten bei leichten und mittleren Zielvorgaben im Schnitt mehr Verwendungszwecke angeben, als sie tatsächlich erreicht haben. Die Ergebnisse bezüglich Zielsetzung und unethischem Handeln stehen somit im Einklang mit bisherigen Forschungsergebnissen. Darüber hinaus konnte identifiziert werden, dass die Leistungsfähigkeit bei mittlerer Zielschwierigkeit einen negativen Effekt auf unethisches Handeln im Zielsetzungsprozess hat.

Beide moralischen Kapitalbedingungen reduzieren die moralische Rechtfertigungsneigung, während dies lediglich für die „ehrliche Bedingung“ erwartet wurde. Der Impossible Mediation Test deutet zudem an, dass in diesem Experiment kein kausaler Mediationseffekt zwischen dem moralischen Kapital und dem unethischen Handeln durch die moralische Rechtfertigungsneigung besteht. Die Ergebnisse zeigen allerdings, dass die „unehrliche Bedingung“ bei Männern einen positiven Effekt auf das unethische Handeln hat.

Literatur

Graham, J., Haidt, J., Koleva, S., Motyl, M., Iyer, R., Wojcik, S. P., & Ditto, P. H. (2013). Mor-al Foundations Theory: The Pragmatic Validity of Moral Pluralism. In P. Devine & A. Plant (Hrsg.), Advances in Experimental Social Psychology, Vol 47 (Bd. 47, S. 55–130). Elsevier Academic Press Inc.

Kleingeld, A., van Mierlo, H., & Arends, L. (2011). The effect of goal setting on group per-formance: A meta-analysis. Journal of Applied Psychology, 96(6), 1289–1304. https://doi.org/10.1037/a0024315

Kluver, J., Frazier, R., & Haidt, J. (2014). Behavioral ethics for Homo economicus, Homo heuristicus, and Homo duplex. Organizational Behavior and Human Decision Process-es, 123(2), 150–158. https://doi.org/10.1016/j.obhdp.2013.12.004

Latham, G. P. (2016). Goal-Setting Theory: Causal Relationships, Mediators, and Modera-tors. Oxford Research Encyclopedia of Psychology. https://doi.org/10.1093/acrefore/9780190236557.013.12

Locke, E. A., & Latham, G. P. (1990). A theory of goal setting & task performance. Prentice Hall.

Mento, A. J., Locke, E. A., & Klein, H. J. (1992). Relationship of goal level to valence and instrumentality. Journal of Applied Psychology, 77(4), 395–405. https://doi.org/10.1037/0021-9010.77.4.395

Miner, J. B. (2003). The rated importance, scientific validity, and practical usefulness of organizational behavior theories: A quantitative review. Academy of Management Learning & Education, 2(3), 250–268. https://doi.org/10.5465/amle.2003.10932132

Ordóñez, L. D., & Welsh, D. T. (2015). Immoral goals: How goal setting may lead to unethi-cal behavior. Current Opinion in Psychology, 6(December), 93–96. https://doi.org/10.1016/j.copsyc.2015.06.001

Shu, L. L., Gino, F., & Bazerman, M. H. (2011). Dishonest Deed, Clear Conscience: When Cheating Leads to Moral Disengagement and Motivated Forgetting. Personality and Social Psychology Bulletin, 37(3), 330–349. https://doi.org/10.1177/0146167211398138

Welsh, D., Bush, J., Thiel, C., & Bonner, J. (2019). Reconceptualizing goal setting’s dark side: The ethical consequences of learning versus outcome goals. Organizational Be-havior and Human Decision Processes, 150(January), 14–27. https://doi.org/10.1016/j.obhdp.2018.11.001

Steckbrief

Titel (deutsch): Effekte der Zielsetzung und des moralischen Kapitals auf das unethische Handeln in Unternehmen
Titel (englisch): Effects of Goal-Setting and Moral Capital on Unethical Behavior in Companies
Erhebungszeitraum: 04/2020
Stichprobe (effektiv): 1.762
Stand der Informationen: 14.07.2020

Kontakt

Langer@wiwi.uni-wuppertal.de

© 2009-2024 SoSci Panel