Leyla Dogruel, Sven Jöckel und Claudia Wilhelm

schreiben?

Schon seit Jahrzehnten untersucht die Kommunikationswissenschaft die Frage, ob es einen Unterschied macht, dass ein Journalist oder dass eine Journalistin einen Artikel geschrieben hat. Solche Forschung zu sog. geschlechts-bezogenen Bylines (= Artikelzuschreibungen) hat in diesem Zeitraum zu teils ambivalenten Ergebnissen geführt. Es finden sich Hinweise darauf, dass Autorinnen schlechter bewertet werden als Männer und teils herabgewertet werden (White & Andsager, 1991; Flanagin & Metzger, 2003) aber auch Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass es keine Unterschiede zwischen Journalistinnen und Journalisten gibt (Burkhart & Siglman, 1990). Dabei sind es in letzter Zeit gerade journalistische Beiträge zu gender-bezogenen Themen, die teils hitzige Debatten in Kommentarspalten auslösen und häufig zu Anfeindungen von Frauen führen (Wilhelm & Joeckel, 2018). Frauen werden dafür kritisiert, wenn sie sich nicht konform traditioneller Geschlechterrollen verhalten, indem sie offensiv Position beziehen und sich nicht zurückhaltend verhalten (Anisman-Razin, et al. 2018). Dieses Projekt schließt an diese Debatte an und untersucht, welchen Einfluss das Geschlecht eines/einer Autors/in auf die Bewertung eines Nachrichtenbeitrags zu einem gender-bezogenen Thema hat. Gerade das Zeigen von Emotionen ist dabei sehr stark mit Geschlechterstereotypen, also der Vorstellung welche Merkmale und Verhaltensweisen besonders auf Frauen oder auf Männer zutreffen, verknüpft. Wir untersuchen deshalb, wie Leser/innen von Nachrichteninhalten das Vorschreiben von Emotionen gegenüber Frauen und Männern wahrnehmen und ob es dabei einen Unterschied macht, ob eine Journalistin oder ein Journalist diesen Artikel verfasst. Ebenfalls untersuchen wir, inwieweit solche Norm vorschreibenden Aussagen kritische Reaktionen gegenüber dem/der Autor/in hervorrufen können und zu sog. geschlechts-bezogenen Backlash-Reaktionen („gehört abgestraft“, „hat Lektion verdient“) führen.

Methode

Unsere Studie basiert auf einem experimentellen Design, bei dem wir zwei Faktoren manipuliert, also systematisch verändert haben: Einerseits das Geschlechts des Autors bzw. der Autorin, andererseits, welche Art von gefühlsbezogener Norm vermittelt wird. Dies wurde anhand von zwei Beispieltexten untersucht. In der Befragung haben wir zwei selbst-erstellte Texte verwendet, die jeweils so gestaltet waren, dass sich der Name und das Foto des Autors/ der Autorin unterscheidet (männlicher vs. weibliche Kommentator/in) und die dargestellte Emotion im Text einmal unterstützend und einmal ablehnend dargestellt wurde. Text 1 befasste sich mit dem Thema der sexuellen Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz und ob sich Männer deshalb schämen sollten oder nicht. Der zweite Artikel beschreibt, dass eine Fußballtrainerin berechtigterweise wütend auf die (schlechte) Leistung ihrer Mannschaft reagiert oder ihren Ärger besser kontrollieren sollte. Nach dem Lesen des jeweiligen Beitrags wurde die Bewertung des Artikels und des/der Kommentators/in (z.B. ich finde ihn/sie glaubwürdig, seriös) sowie Verhaltensintentionen (z.B. würde man den Beitrag weiterlesen oder weiterempfehlen) erhoben. Um zu testen, inwiefern individuelle Vorstellung zu Frauen und Männern dabei eine Rolle spielen, wurden zudem Kontrollvariablen wie die Geschlechtsrollenorientierung und ambivalenter Sexismus erhoben.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie sind ambivalent. Zwar werden beide Artikel, wenn sie von Frauen geschrieben sind, seltener gelesen oder gelikt als wenn ein Mann als Autor genannt wurde, doch diese Effekte sind nur in einem Fall (Text 1: Männer sollen sich schämen) überzufällig (signifikant) – im zweiten Fall zeigt sich, dass hier die Glaubwürdigkeit der Autorin signifikant höher eingeschätzt wird als die des Autors. Dieses Ergebnis verläuft genau entgegen unserer Vermutung. Es zeigt sich, dass die Glaubwürdigkeit von Autorinnen höher eingeschätzt wird und dies (negative) Effekte auf die weitere Beschäftigung mit den Artikeln hat. Unsere Manipulation des zugeschriebenen Gefühls hatte keinen Einfluss auf die weitere Beschäftigung mit dem Artikel, wohl aber auf die Glaubwürdigkeit. Die Artikelversion, in der argumentiert wurde, dass Frauen auch mal aus der Haut fahren dürfen, wurde als besonders glaubwürdig eingeschätzt.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass Glaubwürdigkeitszuschreibungen das Interesse sich mit dem Artikel auseinanderzusetzen oder gar den oder die Autor*in abzustrafen (sog. Backlash-Einstellungen) stärker mit generellen Geschlechterrollenorientierungen, Einstellungen zu Sexismus aber auch ganz allgemeinem dem eigenen Geschlecht, dem Themeninteresse und dem Bildungsniveau abhängen als von der Frage, ob ein Mann oder eine Frau einen entsprechenden Artikel geschrieben hat. Die Abwertung von Journalistinnen lässt sich somit nicht generell bestätigen, auch wenn unsere Ergebnisse hier keineswegs vollkommen Entwarnung geben können: Selbst bei in Bezug auf Geschlechtsfragen offen eingestellten, eher hochgebildeten Menschen, finden sich unter bestimmten Umständen – wenn auch schwache – Hinweise darauf, dass das Geschlecht des/der Autor*in einen Einfluss darauf hat, sich mit dem Thema weiter zu befassen.

In unserer Studie haben wir N = 1216 Personen erreicht, bei denen wir uns herzlich bedanken.

Wie angekündigt und auf Basis der Wünsche unserer Befragten haben wir folgende Beträge gespendet:

Terre des Femmes: 50 Euro

Unicef: 50 Euro

Ärzte ohne Grenzen: 120 Euro

Literatur

Anisman-Razin, M., Kark, R., & Saguy, T. (2018). “Putting gender on the table”: Understanding reactions to women who discuss gender inequality. Group Processes & Intergroup Relations, 21(5), 690–706. https://doi.org/10.1177/1368430217744648

Burkhart, F. N., & Sigelman, C. K. (1990). Byline Bias? Effects of Gender on News Article Evaluations. Journalism Quarterly, 67(3), 492–500. https://doi.org/10.1177/107769909006700303

Flanagin, A. J., & Metzger, M. J. (2003). The perceived credibility of personal Web page information as influenced by the sex of the source. Computers in Human Behavior, 19(6), 683–701. https://doi.org/10.1016/S0747-5632(03)00021-9

White, H. A., & Andsager, J. L. (1991). Newspaper Column Readers' Gender Bias: Perceived Interest and Credibility. Journalism Quarterly, 68(4), 709–718. https://doi.org/10.1177/107769909106800412

Wilhelm, C., & Joeckel, S. (2018). Gendered Morality and Backlash Effects in Online Discussions: An Experimental Study on How Users Respond to Hate Speech Comments Against Women and Sexual Minorities. Sex Roles, 19(6), 373. https://doi.org/10.1007/s11199-018-0941-5

Steckbrief

Titel (deutsch): Macht es einen Unterschied, ob Frauen oder Männer über Genderthemen schreiben?
Titel (englisch):
Erhebungszeitraum: 09/2019–10/2019
Stichprobe (effektiv): 0
Stand der Informationen: 17.12.2019

Kontakt

Leyla Dogruel (dogruel@uni-mainz.de)

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