Linde, Marina; Reinecke, Leonard & Meier, Adrian

Gearbeitet, gechattet, erholt?

Eine Untersuchung des Erholungspotenzials der privaten Instant Messaging-Nutzung bei der Arbeit

Smartphones sind mittlerweile weit verbreitet, was u.a. auch dazu führt, dass die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit zunehmend verschwimmen. Obwohl allgemein davon ausgegangen wird, dass Personen, wenn sie bei der Arbeit sind, auch die ganze Zeit arbeiten könnten, würden, und sollten, steht dem eine umfassende Mediennutzung für private Zwecke während der Arbeitszeit entgegen. Eine immer wichtigere Rolle spielt dabei die Nutzung sogenannter Instant Messaging-Dienste, also das Versenden und Empfangen kurzer Chatnachrichten, z. B. über WhatsApp, Facebook Messenger, Telegram oder Line. Diese Nutzung für soziale Interaktion könnte sich positiv auf das Wohlbefinden auswirken; man könnte sich hinterher erholter fühlen und dadurch produktiver sein.

Im Rahmen meiner Masterarbeit soll untersucht werden, welche Mechanismen zwischen privatem Instant Messaging (IM) am Arbeitsplatz und Erholung wirken. Vermutet wird der bereits beschriebene positive Einfluss über die Variablen Bedürfnisbefriedigung und Unterhaltungserleben, wie sie bereits für die Nutzung von Computerspielen und Facebook nachgewiesen wurden. Alternativ lässt sich jedoch auch ein negativer Einfluss auf die Erholung vermuten, wenn Arbeitsaufgaben aufgeschoben werden oder man sich durch IM ablenken lässt Dadurch könnte man sich schuldig und schlecht fühlen, was Erholung be- bzw. verhindert. Dieses Phänomen wurde bereits für die Nutzung von Videospielen und Fernsehen nachgewiesen. Da es aber bislang noch kaum Erkenntnisse zur Nutzung von Smartphones und insbesondere von Instant Messaging gibt, soll die vorliegende Studie mithilfe einer Befragung von erwerbstätigen IM-Nutzern neue Erkenntnisse bringen. Erhoben werden dafür die Motivation, Nutzungssituationen, Empfindungen und Erholungserfahrungen sowie eine Vielzahl möglicher Kontrollvariablen (Soziodemografie, Jobmerkmale, ...). Die Relevanz der Ergebnisse liegt dabei insbesondere in der Alltäglichkeit des Phänomens und der bislang eher kritisierten Mediennutzung am Arbeitsplatz. Dabei könnte diese unter bestimmten Umständen tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Erholung – und damit auf Vitalität und Produktivität – haben.

Methode

Korrelative Online-Umfrage

N=310

Ergebnisse

Das Smartphone begleitet viele Personen durch den Alltag. Besonders beliebt ist dabei die Kommunikation mit Freunden und Bekannten, wofür insbesondere Instant Messaging-Dienste wie WhatsApp genutzt werden. Durch das mobile Internet können die Apps überall genutzt werden und haben so schon längst Einzug in den Arbeitsalltag gehalten: Auch während der Arbeitszeit bleiben viele über Chats mit ihrem privaten Umfeld in Kontakt. Obwohl die Smartphone-Nutzung bei der Arbeit häufig nicht gerne gesehen ist, liegen auf der Grundlage theoretischer Modelle sowie der Studienlage zu ähnlichen Mediennutzungsarten auch positive Folgen nahe. Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht deshalb die Frage, ob privates Instant Messaging (IM) bei der Arbeit Erholung möglich macht.

Über das SoSci-Panel wurde eine Online-Befragung von 313 Erwerbstätigen, die IM im genannten Kontext nutzen, realisiert. Es zeigt sich, dass die Befragten IM im Arbeitsalltag nur in geringem Maße nutzen. Dennoch kann nachgewiesen werden, dass das Schreiben der Nachrichten die drei Grundbedürfnisse im Sinne der Self-Determination Theory – Kompetenz, Autonomie und soziale Verbundenheit – befriedigt, was in Verbindung zu einer als höher eingeschätzten Erholung steht. Wenn sich die Befragten durch IM sozial verbunden fühlen, schätzen sie die Nutzung auch eher als unterhaltsam ein. Darüber hinaus wurde ein zweiter Wirkungspfad untersucht. Dabei steht das Aufschieben von Arbeitsaufgaben – als Reaktion auf die Ablenkung durch das Smartphone oder gezielt durch Prokrastination – im Mittelpunkt. Diejenigen Befragten, die eine geringere Selbstkontrolle haben, lassen sich dabei eher ablenken oder prokrastinieren mit IM, was wiederum zu Schuldgefühlen führt. Anders als vermutet sind diese jedoch in der Stichprobe nur gering ausgeprägt und stehen in keinem Zusammenhang zur Erholung. Auch wird betrachtet, ob sich die selbst eingestufte Erholung durch Instant Messaging auf das generelle Wohlbefinden auswirkt. Abgefragt wurde dafür die Vitalität in typischen Arbeitssituationen; es zeigen sich jedoch keine eindeutigen Zusammenhänge. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Instant Messaging im Arbeitsalltag weitestgehend akzeptiert zu sein scheint, was sich auch hinsichtlich der abgefragten sozialen Normen zeigt. Für die überwiegend geringe Nutzung in der Stichprobe können trotzdem Erholungspotenziale identifiziert werden, sodass IM – in einem bestimmten Rahmen und als kurze Pause im Arbeitsalltag – auch aus Arbeitgebersicht eine nützliche Ressource darstellen könnte. Die vorliegende Studie stellt einen Ausgangspunkt für weiterführende Studien dar, insbesondere mit mehreren Befragungszeitpunkten sowie weiteren Variablen, und bildet einen Baustein, um die Bedeutung des Smartphones im Alltag besser verstehen zu können.

Steckbrief

Titel (deutsch): Gearbeitet, gechattet, erholt? Eine Untersuchung des Erholungspotenzials der privaten Instant Messaging-Nutzung bei der Arbeit
Titel (englisch): Work, chat, recover? A study of the recreational potential of private instant messaging use at work
Erhebungszeitraum: 11/2018–12/2018
Stichprobe (effektiv): 0
Stand der Informationen: 04.03.2019

Weitere Informationen

Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Lehrstuhl für Medienwirkung und Medienpsychologie: https://www.medienpsychologie.ifp.uni-mainz.de/

Kontakt

Marina Linde: marina.linde@gmail.com

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