Meier, Adrian; Meltzer, Christine E. & Reinecke, Leonard

Lizenz zum Prokrastinieren?

Selbst-Lizensierung und Selbst-Mitgefühl als Prädiktoren von Selbstvergebung für Online-Prokrastination

Viele Menschen schieben Tätigkeiten, die sie sich vorgenommen haben, auf, und nutzen stattdessen diverse Online-Anwendungen (bspw. soziale Medien, Nachrichtenseiten, YouTube-Videos, Netflix) (bspw. Meier et al., 2016). In Folge solcher Online-Prokrastination erleben Internetnutzer häufig Schuldgefühle, die sich insgesamt negativ auf die psychische Gesundheit auswirken können, sofern sie nicht durch einen Bewältigungs-Mechanismus (sog. Coping) überwunden werden. Selbstvergebung, eine positive Einstellungsänderung in Bezug auf eigenes Fehlverhalten, ermöglicht ein solches Coping (Wohl et al., 2008). Durch die Akzeptanz des eigenen Fehlverhaltens wird dessen rationale Analyse ermöglicht und somit die Grundlage für zukünftige Verhaltensänderung geschaffen. Selbstvergebung wird jedoch häufig als eine Form der nachträglichen Rationalisierung kritisiert, die selbstschädliches Verhalten sogar festigen kann (Wohl & McLaughlin, 2014).

Diese Studie untersucht in einer Befragung zu zwei Zeitpunkten im Abstand von einer Woche u.a., inwieweit Selbstvergebung für Online-Prokrastination als „gesunde“ (funktionale) oder „ungesunde“ (dysfunktionale) Form des Umgangs mit der eigenen Online-Prokrastination angesehen werden kann. Die Ergebnisse verweisen auf einen zwiespältigen Charakter von Selbstvergebung: Teilnehmer, die ihr eigenes Online-Prokrastinationsverhalten stärker rechtfertigt haben (sog. Selbst-Lizensierung), zeigten höhere Selbstvergebung. Gleichermaßen zeigten Teilnehmer, die eine höhere Persönlichkeitsneigung zu sog. Selbst-Mitgefühl (engl. Self-Compassion) haben, eine höhere Neigung zur Selbstvergebung. Während ersteres für einen dysfunktionalen Charakter von Selbstvergebung spricht, unterstreicht letzteres ihre funktionale Seite.

Ergebnisse

Entgegen bisheriger Befunde konnten für den Abstand von einer Woche kaum positive längsschnittliche Wirkungen von Selbstvergebung nachgewiesen werden (bspw. führte höhere Selbstvergebung zu Zeitpunkt 1 nicht zu weniger Online-Prokrastination zu Zeitpunkt 2, vgl. Wohl et al., 2010). Die Ergebnisse der Studie widersprechen somit der bisherigen Forschungslage, die Selbstvergebung als eine mögliche Bewältigungsstrategie zum Umgang mit Aufschiebeverhalten vorschlägt.

Literatur

Meier, A., Reinecke, L., & Meltzer, C. E. (2016). “Facebocrastination”? Predictors of using Facebook for procrastination and its effects on students’ well-being. Computers in Human Behavior, 64, 65–76. https://doi.org/10.1016/j.chb.2016.06.011

Wohl, M. J. A., & McLaughlin, K. J. (2014). Self-forgiveness: The good, the bad, and the ugly. Social and Personality Psychology Compass, 8(8), 422–435. https://doi.org/10.1111/spc3.12119

Wohl, M. J.A., Pychyl, T. A., & Bennett, S. H. (2010). I forgive myself, now I can study: How self-forgiveness for procrastinating can reduce future procrastination. Personality and Individual Differences, 48(7), 803–808. https://doi.org/10.1016/j.paid.2010.01.029

Steckbrief

Titel (deutsch): Lizenz zum Prokrastinieren? Selbst-Lizensierung und Selbst-Mitgefühl als Prädiktoren von Selbstvergebung für Online-Prokrastination
Titel (englisch): License to procrastinate? Self-Licensing and self-compassion as predictors of self-forgiveness for online procrastination
Erhebungszeitraum: 11/2017–12/2017
Stichprobe (effektiv): 1.199
Stand der Informationen: 18.09.2018

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