Ulrich, Martin

Der Einfluss von tatspezifischen Merkmalen auf individuelle Sanktionseinstellungen

Wenn Menschen von Straftaten hören, haben viele eine Meinung darüber, welche Strafe für den Täter angemessen wäre. Diese Meinung ist nach der Definition von Adriaenssen et al. (2015) Teil des Konzepts der Sanktionseinstellungen. Diese sind für die Sozialwissenschaften von Bedeutung, da sie sich in der Summe auf die Politik auswirken können. Bspw. kann die Gesetzgebung durch erwartete Trends in den Strafeinstellungen geprägt werden. In Wahlkämpfen versuchen Parteien oft mit der Forderung nach einem harten Durchgreifen gegen (ausländische) Kriminelle zu punkten. Es ist somit wissenschaftlich und gesellschaftlich relevant, zu erforschen, wodurch sich Strafeinstellungen beeinflussen lassen.

Diese Studie konzentriert sich dabei auf einen Aspekt, der bisher nur wenig erforscht wurde: wie sich die Strafeinstellungen von konkreten Tatmerkmalen beeinflussen lassen.

In einer Vignettenanalyse wurden den Befragten kurze, fiktive Geschichten über Straftaten präsentiert. Die Geschichten drehten sich um Fälle von Körperverletzung. Daraufhin gaben die Befragten an, welche Strafe sie für den Täter angemessen finden.

Ergebnisse

Es zeigt sich, dass Befragte einen 34-jährigen Täter härter beurteilten als einen 17-jährigen. Dieser Unterschied ist allerdings im Vergleich zu den anderen getesteten Einflüssen gering. Der Vergleich zwischen einem 21-jährigen und einem 17-jährigen ergab dagegen keinen signifikanten Unterschied. Wiederholungstäter wurden deutlich härter verurteilt als Ersttäter.

Ausländische Täter wurden etwas milder beurteilt als deutsche Täter, solange das Opfer nicht zu schwer verletzt wurde. In der Summe - also über alle Schweregrade der Verletzungen hinweg - machte es für die Befragten jedoch keinen Unterschied, ob der Täter aus Deutschland, den USA oder Syrien stammt. Hier können jedoch weder Effekte der Stichprobe oder von sozialer Erwünschtheit ausgeschlossen werden.

Das Motiv der Tat spielte für die Befragten eine signifikante Rolle. Ein Täter, der sein Opfer wegen einem möglichen Verhältnis mit der eigenen Freundin angreift, wurde von den Befragten (geringfügig) härter verurteilt als ein Täter, der sein Opfer angreift, weil er es verdächtigt, sein Mountainbike umgestoßen zu haben. Ob das Opfer das Mountainbike tatsächlich umgestoßen hatte oder nicht bzw. ob es wirklich ein Verhältnis mit der Freundin des Täters hatte, spielte für die Befragten wiederum keine Rolle.

Der wichtigste Faktor war für die Befragten, wie schwer das Opfer verletzt wurde. Je schwerer die Verletzungen wurden, desto drastischer wurden die Strafen, die die Befragten als angemessen angaben. Dieser Aspekt der Fälle überschattete in seinem Einfluss sogar die anderen getesteten Variablen.

Literatur

Adriaenssen, A. / Aertsen, I. (2015): „Punitive attitudes – Towards an operationalization to measure idividual punitivity in a multidimensional way“ In: European Journal of

Criminology, Vol. 12, Iss. 1, S. 92-112. (doi: 10.1177/1477370814535376) (29.09.2018)

Steckbrief

Titel (deutsch): Der Einfluss von tatspezifischen Merkmalen auf individuelle Sanktionseinstellungen
Titel (englisch): The Influence of aspects of criminal offences and their perpetrators on punitive attitudes
Erhebungszeitraum: 06/2018–07/2018
Stichprobe (effektiv): 1.058
Stand der Informationen: 30.09.2018

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Martin Ulrich

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