Czeranski, Heinrich-Otto

Nutzerkommentare und Medienglaubwürdigkeit

Wie Lügenpresse-Vorwürfe die Wahrnehmung von Online-Medien beeinflussen

Im Jahr 2014 kehrte der Begriff Lügenpresse als diffamierende Kritik an deutschen Medien in den Sprachgebrauch zurück. Verwendet wird er dabei hauptsächlich von Anhängern von populistisch ausgerichteten Bewegungen wie Pegida oder der Partei AfD, welche die Kritik an etablierten Systemen zu einem ihrer Kernthemen macht. Den Journalisten wird hierbei vorgeworfen, mit Politik und Wirtschaft unter einer Decke zu stecken und mit ihren Artikeln lediglich ein Sprachrohr für „das System“ zu bilden. In der Literatur wird diese diffamierende Kritik jedoch von einer solchen, die an der tatsächlichen Aufdeckung von Missständen interessiert ist, unterschieden. Denn hier geht es in erster Linie nicht um eine Besserung der Umstände, sondern darum, einen ideologischen Gegner herabzuwürdigen und somit die eigene Position zu stärken. Ersichtlich wird dies bereits unter anderem daran, dass die verwendeten Ausdrücke aus der NS-Zeit stammen bzw. in dieser entscheidend geprägt wurden.

Da Beleidigungen gegenüber Journalisten vor allem in dem Kommentarspalten von Online-Medien weiter zunehmen, stellt sich die Frage, wie andere Nutzer von diesen hasserfüllten Nutzern beeinflusst werden. Die bisherige Forschung zeigt, dass Kommentare anderer Leser durchaus die eigene Meinung über ein Medium beeinflussen können. Dabei spielt jedoch die Wahrnehmung des Kommentierenden eine erhebliche Rolle.

In dieser Studie wurde daher untersucht, wie sich verschiedene Stufen der Kritik an einem Artikel einer Online-Zeitung auf die Wahrnehmung des Kommentierenden und des Mediums selber auswirken. Dafür wurden den Teilnehmern der Studie ein Artikel gezeigt und jeweils einer von vier möglichen Kommentaren, die unterschiedlich starke Kritik enthalten. In einem dieser Kommentare wird das Medium als „Lügenpresse“ bezeichnet. Daneben sollte untersucht werden, ob eine Antwort der Redaktion auf diesen Kommentar einen Unterschied in der Wahrnehmung ausmacht. Daher enthielt bei einigen Teilnehmern der Kommentar eine Antwort, in der die Redaktion die Sorgfalt ihrer Arbeit betont.

Ergebnisse

Es zeigen sich recht klare Tendenzen, dass einem Medium mit schärferer Kritik auch weniger Vertrauen geschenkt wird. Wenn jedoch der Begriff „Lügenpresse“ fällt, wird der Kommentierende als Populist eingestuft, was dessen Vertrauenswürdigkeit massiv schadet. Tatsächlich wird dem Medium nach solch einem Vorwurf sogar mehr Glaubwürdigkeit zugeschrieben, als wenn überhaupt keine Kritik am Medium erfolgte.

Die Bemühungen der Redaktion, den Dialog zu suchen, wird von den Teilnehmern im Hinblick auf die Vertrauenswürdigkeit positiv gewertet.

Steckbrief

Titel (deutsch): Nutzerkommentare und Medienglaubwürdigkeit. Wie Lügenpresse-Vorwürfe die Wahrnehmung von Online-Medien beeinflussen
Titel (englisch): User comments and media credibility: How „lying press“-accusations affect the perception of online media
Erhebungszeitraum: 01/2018
Stichprobe (effektiv): 439
Stand der Informationen: 27.05.2018

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Heinrich-Otto Czeranski

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