Koch, Lilian

Zur Wirkung von Geschlechterkonstruktionen bei der Wahrnehmung von Gewalt in Partnerschaften

Unterschiede zwischen Männern und Frauen werden häufig als gegeben und biologisch begründbar angesehen. Die Konstruktionstheorie nimmt dagegen an, dass Geschlechterbilder sozial produziert werden, d.h. Erwartungen, wie Frauen bzw. Männer zu sein haben, im gesellschaftlichen Diskurs entstehen. Diese Geschlechterstereotype beeinflussen unsere Wahrnehmung von Männern und Frauen. Gewalt wird häufig mit Männlichkeit in Verbindung gebracht, daher wird männliche Gewalt meist zwar als gefährlicher und allgemein negativer, aber gleichzeitig auch als üblicher im Vergleich zu weiblicher Gewalt wahrgenommen. Internationale Studien haben jedoch gezeigt, dass Partnergewalt häufig auch von Frauen ausgeübt wird.

In dieser Studie wurde untersucht, inwiefern soziale Vorstellungen und Stereotype zu Geschlecht einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Partnergewalt haben. Dazu wurden verschiedene Geschichten entworfen, in denen fiktive Situationen von Partnergewalt beschrieben wurden. Die Geschichten unterschieden sich in Form und Härte der Gewalt sowie im Geschlecht von Täter und Opfer. Es gab Szenarios von physischer, psychischer und sexueller Gewalt, wobei für alle Formen sowohl eine leichte als eine auch schwere Variante formuliert wurde. Außerdem wurden sowohl weibliche Täterinnen und männliche Opfer sowie männliche Täter und weibliche Opfer beschrieben, wobei jeweils nur die Namen von Täter und Opfer vertauscht wurden. Aus den unterschiedlichen Kombinationen der Faktoren Geschlecht sowie Form und Härte der Gewalt entstanden 12 verschiedene Geschichten. Jedem Befragten wurde eine Geschichte gezeigt, zu der dann jeweils gleiche Fragen gestellt wurden, auf Basis derer die Befragten die beschriebene Situation einschätzen sollten.

Für alle Gewaltformen konnte festgestellt werden, dass männliche Gewalt immer schlimmer eingeschätzt wurde als weibliche Gewalt. Am deutlichsten war die Diskrepanz bei der Bewertung der leichten sexuellen Gewalt zu sehen: dabei wurde die männliche Gewalt als weitaus schlimmer als weibliche Gewalt eingeschätzt. Außerdem zeigten sich Unterschiede nach Geschlecht der Befragten: im Vergleich zu Probandinnen bewerteten die Probanden männliche Gewalt negativer, weibliche dagegen weniger negativ. Weibliche Befragte nahmen also die männliche Gewalt zwar auch als schlimmer im Vergleich zur weiblichen wahr, jedoch schätzten sie den Unterschied als weniger ausgeprägt ein als männliche Befragte.

Diese Ergebnisse führen zu der Schlussfolgerung, dass die unterschiedliche Wahrnehmung von Partnergewalt einen Einfluss auf die Einstellung zu männlichen Opfern von Gewalt in heterosexuellen Partnerschaften hat. Sie treffen häufig auf Spott oder Ignoranz und können daher nicht mit Hilfestellungen rechnen. Mit dieser Untersuchung soll der bisher kleine deutschsprachige Forschungsstand zum Thema erweitert werden.

Steckbrief

Titel (deutsch): Zur Wirkung von Geschlechterkonstruktionen bei der Wahrnehmung von Gewalt in Partnerschaften
Titel (englisch): The influence of gender constructions on the perception of Intimate Partner Violence
Erhebungszeitraum: 07/2016–07/0206
Stichprobe (effektiv): 776
Stand der Informationen: 06.09.2016

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Lilian Koch

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