Franke-Bartholdt, Luise; Frömmer, Dirk; Prof. Dr. Wegge, Jürgen & Prof. Dr. Strobel, Anja

Das Schweigen von Mitarbeiter(inne)n zu moralischen Sachverhalten

Die Bedeutung und Auswirkungen von (un)moralischem Verhalten in Organisationen sind in jüngster Zeit verstärkt zum Gegenstand der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion geworden. Moralisches Handeln stellt eine fundamentale Grundlage für den Erfolg und die Reputation von Unternehmen dar. Eine offene Kommunikation über moralische Bedenken, Fehler und potentielle Verbesserungen in Organisationen fördert moralisches Verhalten. Jedoch entscheiden sich Mitarbeiter(innen) in vielen Situationen bewusst dafür, lieber zu schweigen. Wir betrachten das Mitarbeiterschweigen zu moralischen Sachverhalten, „… bei denen die Fairness und Gleichbehandlung verletzt und das Wohlergehen von Personen negativ beeinflusst werden kann“ (Frömmer, Wegge & Strobel, 2012, S. 6), als unmoralisches Verhalten in Organisationen und untersuchen, welche Ursachen und Folgen das Schweigen hat.

Das Verhalten von Führungskräften spielt bei der Entstehung des Mitarbeiterschweigens vermutlich eine zentrale Rolle. Da Vorgesetzte wesentliche Gestalter des Arbeitsumfeldes sind und eine Vorbildfunktion haben, sollten sie wesentlichen Einfluss auf das mehr oder weniger moralische Verhalten von Mitarbeiter(inne)n ausüben. Im Forschungsprojekt FIDES („Führung als Determinante des Schweigens von Mitarbeitern zu moralischen Sachverhalten“) untersuchen wir die Wirkung moralisch gegensätzlicher Führungsformen auf das Mitarbeiterschweigen zu moralischen Sachverhalten. Moralische Führung konzeptualisieren wir als Authentische Führung (Walumbwa, Avolio, Gardner, Wernsing & Peterson, 2008), die durch (1) Selbstreflexion der Führungskraft, (2) Transparenz in Beziehungen, eine (3) ausgewogene Informationsverarbeitung und (4) verinnerlichte moralische Perspektive charakterisiert ist. Unmoralische Führung konzeptualisieren wir als Abusive Supervision (Tepper, 2000), d. h. die kontinuierlich schlechte und feindselige Behandlung von Mitarbeiter(inne)n durch den Vorgesetzten (z. B. andere lächerlich machen, herabwürdigen). Wir gehen davon aus, dass Authentische Führung das Schweigeverhalten der Mitarbeiter(innen) hemmt, während Abusive Supervision als destruktives Führungsverhalten das Schweigeverhalten verstärkt.

Darüber hinaus betrachten wir im FIDES-Projekt die Auswirkungen des Mitarbeiterschweigens auf individueller und organisationaler Ebene. Intentionales Schweigen wird häufig als Rückzugsverhalten und Vorbote von Absentismus und Fluktuation verstanden. So kann das Schweigen von Mitarbeiter(inne)n beispielsweise Ausdruck der Überzeugung sein, an der Arbeitssituation nichts verändern zu können, was sich negativ auf das Wohlbefinden und die Arbeitsleistung auswirken kann.

Die vorliegende Untersuchung nahm eine Teilprüfung unseres Forschungsmodells vor. Die Ergebnisse bestätigten die erwarteten Zusammenhänge: Mehr Authentische Führung war erwartungskonform mit weniger Schweigen, mehr Abusive Supervision hingegen mit häufigerem Schweigen assoziiert. Die Betrachtung der Zusammenhänge von Schweigen und Ergebnisfaktoren ergab, dass häufigeres Schweigen mit geringerem Wohlbefinden und geringerer Leistung einherging. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass das (un-)moralische Verhalten von Führungskräften einen wichtigen Ansatzpunkt darstellt, um das Schweigen von Mitarbeiter(inne)n zu moralischen Sachverhalten zu reduzieren. Führungskräfte sollten als moralische Rollenvorbilder fungieren und einen konstruktiven Umgang mit Fehlern fördern. Eine Reduktion von Schweigen sollte positiv auf verschiedene Ergebnisfaktoren wirken.

Literatur

Frömmer, D., Wegge, J. & Strobel, A. (2012). Bleiben Sie authentisch! Moralische Führung braucht authentische Führungskräfte. Spectrum, 18(1), 6‒9.

Tepper, B. J. (2000). Consequences of abusive supervision. Academy of Management Journal, 43, 178‒190. doi:10.2307/1556375

Walumbwa, F. O., Avolio, B. J., Gardner, W. L., Wernsing, T. S., & Peterson, S. J. (2008). Authentic leadership: Development and validation of a theory-based measure. Journal of Management, 34, 89‒126. doi:10.1177/0149206307308913

Steckbrief

Titel (deutsch): Das Schweigen von Mitarbeiter(inne)n zu moralischen Sachverhalten
Titel (englisch): Employee silence on moral issues
Erhebungszeitraum: 03/2016–04/2016
Stichprobe (effektiv): 373
Stand der Informationen: 26.10.2016

Weitere Informationen

Forschungsprojekt FIDES (TU Chemnitz, TU Dresden)

Kontakt

Luise Franke-Bartholdt

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