Starke, Christopher

In Vielfalt geeint?

Effekte von medialem Identity-Framing auf individuelle Solidaritätsbereitschaft in der EU.

In den aktuellen öffentlichen Debatten über den BREXIT oder die Verteilung von Flüchtlingen wird von Politikern, Nichtregierungsorganisationen und Journalisten gleichermaßen der Mangel an Solidarität innerhalb der EU bemängelt. Die Studie untersucht den Einfluss von medialem Identity-Framing auf die individuelle Solidaritätsbereitschaft deutscher Bürger zugunsten anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Grundlegend ist dabei die Idee, dass europäische Identität inhaltlich unterschiedlich ausgedeutet ist, d. h., dass Vorstellungen darüber, was für eine Art von Gemeinschaft die EU bildet, variieren können.

In Anlehnung an Tranow (2012) kann man Solidarität auf Akteursebene als intrinsisch motivierte Solidarnormbefolgung von Individuen verstehen. Auf europäischer Ebene solidarisch zu handeln bedeutet für EU-Bürger also aufgrund einer intrinsischen Motivation private Ressourcen (z. B. Geld) kompensationslos anderen europäischen Ländern oder der EU als Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Tranow unterscheidet dabei vier verschiedene Solidarnormen zur Lösung verschiedener „kritischer Transfersituationen“: Bereitstellungsnormen, Verteilungsnormen, Unterstützungsnormen und Loyalitätsnormen.

In dieser Untersuchungsanlage soll die Frage beantwortet werden, welche Rolle mediales Framing der EU als politische Wertegemeinschaft auf der einen Seite und als Wirtschaftsgemeinschaft auf der anderen Seite in dem Prozess der Ausbildung von individueller Solidaritätsbereitschaft spielt. Dazu wurde ein experimentelles Design entworfen, bei dem bei einem fingierten Pressespiegel das Identity-Framing der EU manipuliert wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass für die Solidaritätsbereitschaft keine Rolle spielt, ob die Befragten die EU eher als Wirtschafts- oder eher als politische Wertegemeinschaft wahrnehmen. Die bedeutendsten Einflussfaktoren auf die individuelle Solidaritätsbereitschaft sind das subjektive Gefühl europäischer Identität, die individuelle Empathiefähigkeit, die politische Positionierung sowie das persönliche Einkommen. Das bedeutet, je mehr sich die Befragten mit der EU identifizieren können, je mitfühlender sie sich selbst einschätzen, je weiter links sie sich auf dem politischen Spektrum einstufen und je mehr sie verdienen, desto eher sind sie bereit anderen EU-Mitgliedsstaaten in Krisenzeiten finanzielle Hilfe zukommen zu lassen. Darüber hat die Zeit, die man in einem anderen europäischen Mitgliedsstaat verbracht hat, einen Einfluss auf europäische Solidarität.

Literatur

Tranow, U. (2012). Das Konzept der Solidarität. Handlungstheoretische Fundierung eines soziologischen Schlüsselbegriffs. Wiesbaden: Springer VS.

Steckbrief

Titel (deutsch): In Vielfalt geeint? Effekte von medialem Identity-Framing auf individuelle Solidaritätsbereitschaft in der EU.
Titel (englisch): United in Diversity? The impact of Identity-Framing on the individual willingness for solidarity in the EU.
Erhebungszeitraum: 01/2016
Stichprobe (effektiv): 442
Stand der Informationen: 30.11.2016

Publikationen

Starke, C. (2016). The Power of Collective Identity: Framing Europe and its Effect on Solidarity within the European Union. Vortrag auf der Jahrestagung der ECREA, Prag (Tschechische Republik), 09.-12. November.

Weitere Informationen

Christopher Starke

Kontakt

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