Weinmann, Carina

Deliberative Voraussetzungen und Wirkungen von politischer medialer Unterhaltung

In der Kommunikationswissenschaft hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend die Überzeugung durchgesetzt, dass politische Unterhaltung in und durch Medienangebote auch – im demokratischen Sinne – positive Auswirkungen haben kann (vgl. z. B. Dohle & Vowe, 2014; Holbert, Hill, & Lee, 2014). Nicht nur im Kontext politischer Unterhaltung ist jedoch eine entscheidende Frage, welche Merkmale medialer Inhalte und welche Art von Effekten auf Mediennutzer/-innen als ‚positiv‘ oder ‚negativ‘ einzustufen sind und wie dies begründet werden kann. Antworten hierauf können normative Demokratietheorien geben (vgl. z. B. Althaus, 2012). Diese Theorien stellen Maßstäbe dazu auf, wie politische Prozesse ablaufen sollten, damit von einer funktionierenden Demokratie die Rede sein kann (vgl. z. B. Ferree, Gamson, Gerhards, & Rucht, 2002; Strömbäck, 2005). Diese Studie stützte sich auf eine dieser normativen Theorien: die deliberative Demokratietheorie (vgl. z. B. Cohen, 1989; Habermas, 1994). Vertreter/-innen dieser Theorie haben sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr mit der Rolle der Medien in modernen demokratischen Gesellschaften beschäftigt. Unter dem Stichwort „medienvermittelte Deliberation“ sind Kriterien dazu formuliert worden, wie Medien politische Inhalte vermitteln sollten, damit es der politischen Information, Bildung und Beteiligung von Bürger/-innen dient (vgl. z. B. Rinke, 2015). Gleichzeitig wird von den Bürger/-innen erwartet, dass sie sich in deliberativer, d. h. abwägender und reflektierender Form mit den über die Medien gewonnenen politischen Informationen auseinandersetzen (vgl. z. B. Gastil, 2008). Diese Studie hatte nun das Ziel herauszufinden, welche Rolle Unterhaltungsprozesse auf Seiten der Mediennutzer/-innen in diesem Kontext spielen. Genauer ging es um die Beantwortung der folgenden beiden Fragen: 1) Inwiefern führt medienvermittelte Deliberation zu Unterhaltungserfahrungen auf Seiten von Mediennutzer/-innen? 2) Inwiefern führen diese Unterhaltungserfahrungen zu deliberativen Denkprozessen bei Mediennutzer/-innen?

Es wurden zwei Befragungen durchgeführt, um diese Fragen zu beantworten. In der ersten Befragung wurde ein Zeitungsartikel im Hinblick auf verschiedene deliberative inhaltliche Kriterien variiert (d. h. der Artikel wurde im deliberativen Sinne mehr oder weniger qualitativ hochwertig gestaltet) und anschließend das Ausmaß an Unterhaltung, dass die Teilnehmer/-innen während des Lesens des Artikels erlebt hatten, sowie der Grad der sich daran anschließenden deliberativen Denkprozesse erhoben. In der zweiten Befragung wurde ein Ausschnitt aus einer politischen Satiresendung verwendet, um insbesondere den Zusammenhang zwischen Unterhaltungserfahrungen und deliberativen Denkprozessen nochmals zu untersuchen. Insgesamt ergaben sich aus den Befragungen gemischte Befunde im Hinblick auf die Auswirkung deliberativer inhaltlicher Merkmale auf die Unterhaltungserfahrungen von Mediennutzer/-innen. Allerdings zeigten die Ergebnisse beider Befragungen, dass die Unterhaltungserfahrungen der Teilnehmer/-innen sich durchweg positiv auf die bei ihnen stattfindenden deliberativen Denkprozesse auswirkten. Als eine Erkenntnis der Studie kann somit festgehalten werden, dass politische Unterhaltung in und durch Medien förderlich dafür zu sein scheint, dass sich Bürger/-innen in deliberativer, d. h. abwägender und reflektierender Weise mit politischen Inhalten auseinander setzen. Die Studie liefert insofern einen weiteren Hinweis auf den demokratischen Nutzen politischer medialer Unterhaltung.

Literatur

Althaus, S. (2012). What’s good and bad in political communication research: Normative standards for evaluating media and citizen performance. In H. A. Semetko & M. Scammell (Eds.), The SAGE handbook of political communication (pp. 97–112). Los Angeles, CA: Sage.

Cohen, J. (1989). Deliberation and democratic legitimacy. In A. P. Hamlin & P. Pettit (Eds.), The good polity. Normative analysis of the state (pp. 17–34). Oxford, UK: Blackwell.

Dohle, M., & Vowe, G. (Eds.). (2014). Politische Unterhaltung, unterhaltende Politik: Forschung zu Medieninhalten, Medienrezeption und Medienwirkungen. Köln, Germany: Herbert von Halem.

Ferree, M. M., Gamson, W. A., Gerhards, J., & Rucht, D. (2002). Four models of the public sphere in modern democracies. Theory and Society, 31(3), 289–324. doi:10.1023/A:1016284431021

Gastil, J. (2008). Political communication and deliberation. Los Angeles, CA: Sage Publications.

Habermas, J. (1994). Three normative models of democracy. Constellations, 1(1), 1–10. doi:10.1111/j.1467-8675.1994.tb00001.x

Holbert, R. L., Hill, M. R., & Lee, J. (2014). The political relevance of entertainment media. In C. Reinemann (Ed.), Political communication (pp. 427–446). Berlin, Germany: De Gruyter.

Rinke, E. M. (2015). Mediated deliberation. In G. Mazzoleni, K. G. Barnhurst, K. Ikeda, R. C. M. Maia, & H. Wessler (Eds.), The international encyclopedia of political communication (pp. 1–15). Hoboken, NJ: John Wiley & Sons.

Strömbäck, J. (2005). In search of a standard: Four models of democracy and their normative implications for journalism. Journalism Studies, 6(3), 331–345. doi:10.1080/14616700500131950

Steckbrief

Titel (deutsch): Deliberative Voraussetzungen und Wirkungen von politischer medialer Unterhaltung
Titel (englisch): Deliberative Antecedents and Consequences of Political Media Entertainment
Erhebungszeitraum: 02/2017–03/2017
Stichprobe (effektiv): 1.366
Stand der Informationen: 30.05.2017

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