Hellmann, Deborah F.

Belästigungsmythenkonsistente Erinnerungsfehler

Menschen haben bestimmte Vorstellungen darüber, was sexuelle Belästigung ist bzw. wie sie zu erklären ist. Mythen über sexuelle Belästigung (Belästigungsmythen) sind in den meisten Gesellschaften weit verbreitet. Sie beinhalten generelle, falsche und persistierende Annahmen über sexuelle Belästigung, die dazu dienen, sexuelle Belästigung von Frauen durch Männer zu verleugnen und zu rechtfertigen (Lonsway et al., 2008, S. 600). Menschen unterscheiden sich zudem in dem Ausmaß, wie sehr sie derartige Mythen akzeptieren bzw. ablehnen. Personen mit einem hohen Ausmaß an Belästigungsmythenakzeptanz sollten beispielsweise der Aussage „Es ist unvermeidbar, dass Männer Frauen am Arbeitsplatz anbaggern.“ eher zustimmen als Personen mit einer niedrigen Belästigungsmythenakzeptanz.

Bisherige Forschung hat unter anderem gezeigt, dass Belästigungsmythen individuelle Einstellungen und Urteile wie beispielsweise Schuldzuschreibungen beeinflussen können (z. B. Temkin & Krahé, 2008). In der Augenzeugenforschung wurde das Konzept der Belästigungsmythenakzeptanz bisher trotzdem weitgehend vernachlässigt. Dass dies hier jedoch eine wichtige Rolle spielen könnten, ergibt sich aus empirischen Befunden, denen zufolge schemakonsistente Inhalte leichter zu erinnern sind als Inhalte, die den eigenen Schemata widersprechen (schemainkonsistente Inhalte; z. B. Hellmann & Memon, 2016; Tuckey & Brewer, 2003).

Daher wurde in der vorliegenden Studie die Hypothese getestet, dass eine hohe Belästigungsmythenakzeptanz zu mehr belästigungsmythenkonformen und weniger belästigungsmythenwidersprechenden Erinnerungsfehlern führt, während eine geringe Belästigungsmythenakzeptanz zu weniger belästigungsmythenkonformen und mehr belästigungsmythenwidersprechenden Erinnerungsfehlern führt. Kurz gesagt: Es sollten lediglich solche Fehler auftreten, die dem eigenen Ausmaß an Belästigungsmythenakzeptanz entsprechen.

Diese Hypothese konnte mithilfe der gewonnenen Daten bestätigt werden. Weiterhin zeigte sich in Einklang mit bisheriger Forschung (z. B. Diehl, Rees & Bohner, 2012) dass Personen mit einem hohen Ausmaß an Belästigungsmythenakzeptanz einer belästigten Frau mehr Schuld und Verantwortung für die Belästigung zuschreiben und die Belästigung als weniger negativ bewerten als Personen mit einem niedrigen Ausmaß an Belästigungsmythenakzeptanz.

Literatur

Diehl, C., Rees, J., & Bohner, G. (2012). Flirting with disaster: Short‐term mating orientation and hostile sexism predict different types of sexual harassment. Aggressive Behavior, 38, 521-531.

Lonsway, K. A., Cortina, L. M. & Magley, V. J. (2008). Sexual harassment mythology: Definition, conceptualization, and measurement. Sex Roles, 58, 599-615.

Temkin, J. & Krahé, B. (2008). Sexual assault and the justice gap: A question of attitude. Portland, OR: Bloomebury.

Tuckey, M. R. & Brewer, N. (2003). The influence of schemas, stimulus ambiguity, and interview schedule on eyewitness memory over time. Journal of Experimental Psychology: Applied, 9, 101-118.

Steckbrief

Titel (deutsch): Belästigungsmythenkonsistente Erinnerungsfehler
Titel (englisch): Sexual harassment myths acceptance leads to schema-consistent memory biases
Erhebungszeitraum: 10/2016
Stichprobe (effektiv): 338
Stand der Informationen: 04.01.2017

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