Jünger, Jakob

Unklare Öffentlichkeit

Ein Experiment zum Einfluss von Öffentlichkeit auf Kommunikation

Vor allem mit der Verbreitung des Internets geht die Vorstellung einher, dass neue Formen von Öffentlichkeit entstehen und Menschen zum Beispiel auf Sozialen Netzwerkseiten persönliche Öffentlichkeiten aufbauen können. Gleichzeitig werden hier Probleme gesehen, etwa wenn sich persönliche Inhalte unbeabsichtigt im Netz verbreiten und damit unklare Öffentlichkeit entsteht. Doch sind die Mechanismen, an denen wir unser Handeln ausrichten, im Internet tatsächlich neu?

In der Studie wurde der Frage nachgegangen, welche allgemeinen Mechanismen die Bedeutung von Öffentlichkeit für das Handeln erklären können. Ganz grundsätzlich wird die Vermutung überprüft, dass Menschen unklare Öffentlichkeit eher vermeiden. Allerdings wurde gleichzeitig vermutet, dass es auf den Inhalt ankommt: Triviale Inhalte wie das Wetter machen hier vielleicht keinen so großen Unterschied wie persönliche Äußerungen über die Nachbarn. Zudem wurde vermutet, dass Situationen auf Facebook eher Vermeidungserwartungen wecken als Situationen an einer Bushaltestelle, weil potentielle und tatsächliche Öffentlichkeit in mündlichen Präsenzsitzuationen besser eingeschätzt werden können.

Diese Vermutungen werden durch die dreifaktorielle Experimentalstudie im Wesentlichen bestätigt. Schaut man sich dabei den Einfluss der untersuchten Faktoren im Vergleich an, so sind Vermeidungserwartungen am stärksten vom Ort und vom Inhalt der Kommunikation abhängig. Zusätzlich spielt die Anwesenheit nichtadressierter Dritter aber durchaus eine Rolle. Die Vermeidungsthese scheint besonders bei persönlichen Inhalten auf Facebook zu gelten.

Im zweiten Schritt sollte herausgefunden werden, ob Vermeidungserwartungen auch zu Kommunikationsvermeidung führen. Die Befragten wurden deshalb gebeten, eine dargestellte Kommunikationssituation fortzusetzen. Tatsächlich zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen diesen beiden Aspekten. Kommunikationsvermeidung bedeutet dabei, dass ausweichend oder auch mit einem Widerspruch reagiert wird. Die Antworten fallen zudem kürzer aus. Im Extremfall wird gar nicht geantwortet oder auf Facebook die Nachricht einfach gelöscht.

Die Befunde sprechen insgesamt dafür, dass unklare Öffentlichkeitsverhältnisse eher vermieden werden und die Mechanismen unter verschiedenen Umständen vergleichbar sind. Die Vermeidungstendenz gilt für Situationen auf Facebook sogar noch stärker als für Situationen an Haltestellen. Aus methodischer Sicht hat das Experiment gezeigt, dass eine solche Form der Befragung sich zur Untersuchung unklarer Öffentlichkeit eignet. In weiteren Studien können nun andere Situationen vergleichend untersucht werden, um mehr über die Bedeutung von Öffentlichkeit für das Handeln von Menschen zu erfahren.

Steckbrief

Titel (deutsch): Unklare Öffentlichkeit – Ein Experiment zum Einfluss von Öffentlichkeit auf Kommunikation
Titel (englisch): Unclear public – an experiment about how public influences communication
Erhebungszeitraum: 03/2016
Stichprobe (effektiv): 974
Stand der Informationen: 22.06.2016

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Jakob Jünger, Universität Greifswald

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Jakob Jünger

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