Goecke, Sebastian

Onlinekommunikation in Zeiten von Massenüberwachung

Staatliche Überwachung hat im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ein bislang unübertroffenes Ausmaß erreicht. Ziel der Studie war es deshalb, zum Verständnis dessen beizutragen, wie deutschsprachige Internetnutzer damit umgehen.

Der Umgang mit Überwachung wurde anhand dessen untersucht, ob und wie die Befragten Facebook nutzen, wie sie staatliche Überwachung in Bezug auf ihre Privatsphäre bewerten sowie ob sie sich wegen staatlicher Überwachung darin einschränken, wie sie im Allgemeinen online auftreten.

Die untersuchte Stichprobe zeichnet sich durch eine überdurchschnittlich hohe formale Bildung, ein junges Durchschnittsalter von 37 Jahren und eine deutlich unterdurchschnittlich intensive Nutzung von Facebook aus.

Entsprechend ihrer Bildung und der anhaltenden großen medialen Aufmerksamkeit für die Thematik verfügen die meisten Befragten über ein umfangreiches Wissen über staatliche Online-Überwachung und fühlen sich folgerichtig großteils mindestens etwas von ihr betroffen. Je geringer die gefühlte Betroffenheit der Studienteilnehmer ausfällt, desto positiver sind sie zu Überwachung eingestellt. Insgesamt herrscht innerhalb der Stichprobe eine durchschnittlich eher negative Einstellung zu Überwachung.

Assoziationen der Befragten zum Whistleblower Snowden wie „Held“ und „Todesstrafe“ verdeutlichen, dass es sich bei Überwachung um ein stark emotional geprägtes Thema handelt. Entsprechend fallen Zusammenhänge mit wertgeladenen Faktoren stärker aus als solche mit den erhobenen rationalen Größen.

Staatliche Überwachung wird innerhalb der Stichprobe seltener als Ursache einer starken Privatsphäre-Einschränkung bewertet als Privatsphäre-Eingriffe anderer Akteure wie Nachbarn und der Werbeindustrie. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass staatliche Überwachung und ihre Konsequenzen für die meisten Menschen nicht real wahrnehmbar bzw. nicht zuzuordnen sind.

Während etwa ein Fünftel der Studienteilnehmer staatliche Überwachung als wichtige Sicherheitsmaße begrüßt und deren Ausweitung befürwortet, lehnt sie ein ebenso großer Anteil der Befragten ab. Dass etwa 20 Prozent wegen staatlicher Online-Überwachung bereits Selbstzensur betrieben haben verdeutlicht, wie effektiv panoptische Überwachung funktioniert (vgl. Elmer 2012) und dass derartige Phänomene nicht ausschließlich ein Problem autoritärer Staaten sind. Keiner der Befragten hat wegen staatlicher Überwachung die Nutzung von Facebook eingestellt. Stattdessen schränkten sich etwa 14 Prozent der Facebook-Nutzer darin ein, wie häufig und wie umfangreich sie innerhalb des sozialen Onlinenetzwerks in Erscheinung treten.

Derartige Folgen von Überwachung haben das Potenzial demokratische Werte und Kontrollmechanismen zu untergraben (vgl. Clayton Newell 2014: 482; Rule 2007: 3). Dadurch, dass Überwachungspraktiken im Laufe der Zeit tendenziell zunehmen, bleibt Überwachung und ihre Folgen ein relevantes Forschungsgebiet.

Literatur

Clayton Newell, B. (2014). The Massive Metadata Machine. Liberty, Power, and Secret Mass Surveillance in the U.S. and Europe. I/S A Journal of Law and Policy, 10(2), 481-522.

Elmer, G. (2012). Panopticon—discipline—control. In: Ball, K; Haggerty, K. & Lyon, D. (Hrsg.): Routledge Handbook of Surveillance Studies. London: Routledge, S. 21-29.

Rule, J. B. (2007). Privacy in Peril. How We Are Sacrificing a Fundamental Right in Exchange for Security and Convenience. Oxford: Oxford University Press.

Steckbrief

Titel (deutsch): Onlinekommunikation in Zeiten von Massenüberwachung
Titel (englisch): Online communication in times of mass surveillance
Erhebungszeitraum: 07/2015–08/2015
Stichprobe (effektiv): 162
Stand der Informationen: 18.10.2015

Kontakt

Sebastian Goecke

© 2009-2024 SoSci Panel