Überschätzt oder unterschätzt?
Ein Umfrageexperiment zur Messung politischer Beteiligung
Aussagen darüber, ob sich unsere Demokratie aufgrund mangelnder Beteiligung ihrer Bürger in einer Krise befindet oder ob sich die Ungleichheit in der Partizipation verschärft, stützen sich häufig auf Ergebnisse aus Bevölkerungsumfragen. Politische Partizipation wird darin meist über Fragen erhoben, die Auskunft darüber geben, ob der/die Befragte sich in einem gewissen Zeitraum in verschiedenen Formen beteiligt hat oder nicht.
In der Regel liegt keine Information darüber vor, wie intensiv sich die Befragten in der jeweiligen Form beteiligt haben und über welche Themen sich die ausgeübten Aktivitäten erstreckt haben. Unklar ist auch, wie stark die berichtete Beteiligung vom gewählten Frageformat (z.B. Wortlaut, Antwortkategorien) und der Platzierung im Fragebogen abhängt. Während bei der Wahlbeteiligung die Möglichkeit besteht, die berichtete Beteiligung in einem Gebiet mit offiziellen Wahlstatistiken zu vergleichen, ist das für andere Beteiligungsformen nicht möglich.
Daher untersuchen wir in unserer Studie, welche Auswirkungen Variationen der Messinstrumente auf die berichtete Partizipation der Befragten haben. Wir konzentrieren uns auf die drei folgenden Beteiligungsformen: Politiker kontaktieren, Teilnahme an einer öffentlichen Demonstration, Beteiligung an einer Unterschriftensammlung. Wir fragen nicht nur, ob sich der/die Befragte beteiligt hat, sondern erheben die erinnerte Zahl der Teilnahmen und die Themen der ausgeübten Aktivitäten. Die Ergebnisse der Studie beziehen sich auf die Befragten aus Deutschland und bringen ein hohes Partizipationsniveau der Befragten aus dem SoSci-Panel zum Ausdruck (23 Prozent berichten für die letzten zwölf Monate von einer Demonstrationsteilnahme, 27 Prozent von Politikerkontakten etc. und 62 Prozent von der Mitwirkung an einer Unterschriftensammlung). Es zeigt sich zudem, dass zahlreiche Befragte im letzten Jahr einzelne Partizipationsformen mehrere Male ausgeübt haben. In unserem Experiment testen wir die Auswirkungen von zwei Varianten der Frageeinleitung, zwei Varianten von Antwortkategorien und von zwei unterschiedlichen Platzierungen der Frage nach politischer Beteiligung (vor und nach einer Fragebatterie zu Staatsbürgerpflichten). Die Befragten bekommen zufällig jeweils eine der Varianten in ihrem Fragetext eingeblendet. Unsere Annahmen sind:
- Eine einflussbetonende Frageeinleitung führt zu höheren Anteilen berichteter Partizipation als ein direkter Frageeinstieg
- Ausweichoptionen in den Antwortvorgaben (z.B. habe ich früher gemacht) führen zu geringeren Anteilen berichteter Partizipation als dichotome (ja/nein) Vorgaben
- Den Partizipationsfragen vorgelagerte Fragen zu Staatsbürgerpflichten führen zu höheren Anteilen berichteter Partizipation als den Partizipationsfragen nachgelagerte Fragen zu Staatsbürgerpflichten.
Als erster Befund kann festgehalten werden, dass das berichtete Niveau politischer Partizipation über die Befragten hinweg relativ robust gegenüber den getesteten Veränderungen im Fragewortlaut ist, insbesondere auch im Vergleich mit Effekten der Platzierung im Fragebogen. Weitere Auswertungen folgen.
Steckbrief
Titel (deutsch): | Überschätzt oder unterschätzt? Ein Umfrageexperiment zur Messung politischer Beteiligung |
Titel (englisch): | Overestimated or underestimated? A survey experiment on the measurement of political participation |
Erhebungszeitraum: | 05/2015 |
Stichprobe (effektiv): | 1.411 |
Stand der Informationen: | 05.08.2015 |
Weitere Informationen
Abteilung Politische Systeme und Politische Soziologie (SOWI I)
Kontakt
Eva-Maria Trüdinger (Eva-maria.truedinger[at]sowi.uni-stuttgart.de)