Viererbl, Benno; Meier, Adrian; Schmidt, Sophia; Schmidt, Helena; Louis, Inga; Busche, Nora; Kaulitzky, Karole & Schemer, Christian

„Ich habe nichts gegen Muslime, aber…“

Ein Online-Experiment zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Muslimen durch evaluative Konditionierung

Mit dem Experiment wurde untersucht, ob sich (unbewusste) vorurteilsbehaftete Wahrnehmung von Muslimen durch das Lesen positiver Berichterstattung über Muslime abschwächen lässt. Als Erklärungsrahmen wurde der Ansatz der evaluativen Konditionierung gewählt. Hierbei wurde zwischen einer Personengruppe (bspw. Muslime) und einer positiven Bewertung (bspw. gesellschaftliches Engagement) eine Verknüpfung hergestellt, die die Studienteilnehmer durch eine Aufgabe eingeübt (d.h. „konditioniert“) haben.

Um darüber hinaus den Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen der Studienteilnehmer überprüfen zu können, beantworteten die Teilnehmer Fragen zu ihrer „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ (bspw. gegenüber Juden und Homosexuellen) sowie zum „Autoritarismus“ und zu ihrer bewussten Islamfeindlichkeit. Als weitere mögliche Einflüsse wurden u.a. die Häufigkeit des Kontakts mit Muslimen sowie die Religionszugehörigkeit der Studienteilnehmer erfragt.

Um die Wirkung von alltäglicher Medienberichterstattung auf den Abbau von Vorurteilen zu untersuchen, erhielt eine Gruppe der Teilnehmer vor allem Zeitungsschlagzeilen, die Muslime positiv dargestellt haben (bspw. soziales Engagement). Eine zweite Gruppe an Teilnehmern erhielt hingegen vor allem Schlagzeilen, die Muslime neutral dargestellt haben (bspw. das Feiern des Ramadan). Eine weitere Gruppe an Teilnehmern erhielt ausschließlich neutrale Überschriften ohne Bezug zu Muslimen (bspw. zum aktuellen Tagesgeschehen). Um einen „Lerneffekt“ beim Lesen der Überschriften zu erzielen, ordneten die Teilnehmer die Überschriften beim Lesen den Kategorien „positiv“ und „neutral“ zu.

Im Anschluss an die Schlagzeilen absolvierten die Teilnehmer einen „impliziten Assoziationstest“ (IAT), durch den unbewusste Vorurteile gegenüber Muslimen erfasst werden können. Die Teilnehmer kombinierten dabei Bilder von Muslimen (erkennbar an religiöser Kleidung) und Nicht-Muslimen (ohne religiöse Kleidung) mit positiven und negativen Wörtern. Die Reaktionszeiten der Teilnehmer ließen dabei einen Schluss über ihre unbewussten Vorurteile zu.

In einer ersten Sichtung der Ergebnisse (die sich auf die Berechnung klassischer Testwerte des IAT stützt, siehe Greenwald et al., 2003), zeigte sich kein Einfluss der evaluativen Konditionierung. Das heißt: Unbewusste Vorurteile gegenüber Muslimen konnten durch die positiven Muslim-bezogenen Schlagzeilen nicht abgebaut werden. Hierbei ist anzumerken, dass die Erhebung in einem Zeitraum mit besonders islamkritischen deutschen Meinungsklima stattfand (unmittelbar nach „Charlie Hebdo“-Anschlag, PEGIDA & ISIS). Die Anmerkungen mancher Teilnehmer lassen vermuten, dass die positiven Schlagzeilen über Muslime zu diesem Zeitpunkt „unrealistisch“ wirkten und nicht oder nur unzureichend wirken konnten.

Allerdings konnte gezeigt werden, dass sowohl die Kontakthäufigkeit mit Muslimen als auch die Religionszugehörigkeit der Probanden einen Einfluss auf die unbewussten Vorurteile hatten. Teilnehmer mit häufigem Kontakt zu Muslimen wiesen eine geringere unbewusste Muslimfeindlichkeit auf als Teilnehmer, die sehr wenig oder gar keinen Kontakt zu Muslimen haben. Probanden, die dem Christentum angehörten, zeigten mehr unbewusste Vorurteile gegenüber Muslimen als konfessionslose Teilnehmer. Die Untersuchung der weiteren erhobenen Persönlichkeitsmerkmale zeigte gemischte Befunde. Insgesamt weisen die Daten also trotz der Einschränkungen durch den Erhebungszeitraum auf Unterschiede bei den unbewussten Vorurteilen gegenüber Muslimen hin.

Somit bedarf es einer gründlicheren statistischen Auswertung, um verlässliche Schlüsse aus diesem Experiment zu ziehen. Eine entsprechende Aufbereitung und Vorstellung der Befunde ist geplant.

Steckbrief

Titel (deutsch): „Ich habe nichts gegen Muslime, aber…“ - Ein Online-Experiment zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Muslimen durch evaluative Konditionierung
Titel (englisch): „I have nothing against Muslims, but…“ – An online experiment on the reduction of prejudices against Mulims through evaluative conditioning
Erhebungszeitraum: 01/2015–02/2015
Stichprobe (effektiv): 410
Stand der Informationen: 03.06.2015

Weitere Informationen

Forschergruppe „Dynamics of Society and Communication (DySCo)“ am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Kontakt

Adrian Meier

Prof. Dr. Christian Schemer

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