Waubert de Puiseau, Berenike; Holtmann, Birte & Musch, Jochen

Der Einfluss sozialer Erwünschtheit auf die selbstberichtete Gewaltanwendung in der Kindeserziehung

Für eine sinnvolle Prävention und Intervention ist die Kenntnis der Häufigkeit der Anwendung physischer Gewalt in der Erziehung erforderlich. Bei der Prävalenzschätzung durch Selbstauskünfte sehen sich Wissenschaftler jedoch mit mehreren Problemen konfrontiert. Die Mehrheit der deutschen Eltern lehnt Gewalt als Erziehungsmittel ab (BFSFJ, 2003), sie ist demzufolge sozial unerwünscht. Seit dem 2000 in Kraft getretenen Gesetz der gewaltfreien Erziehung sind körperliche Erziehungsmethoden zudem verboten (Stadler, 2012). Zusammen führt dies in direkten Befragungen vermutlich zu unehrlichem Antwortverhalten derjenigen Eltern, die Gewalt in der Erziehung angewandt haben, was in einer Unterschätzung der Häufigkeit dieser Verhaltensweisen resultieren kann.

In der vorliegenden Studie wurden knapp 4000 Mütter oder Väter dazu befragt, ob sie Gewalt in der Erziehung ihrer Kinder anwenden. Der Grad der Vertraulichkeit der Antworten wurde manipuliert, indem die Studienteilnehmer/innen nach dem Zufallsprinzip die Fragen entweder in indirekter oder in direkter Form präsentiert bekamen. Zu Beginn gaben die Studienteilnehmer/innen an, wie viele leibliche bzw. adoptierte Kinder sie haben. Weitere Kontrollvariablen wurden erfasst.

Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass über die Hälfte der Eltern schon einmal einen Klaps auf den Po und etwa ein Drittel eine Ohrfeige als Mittel in der Erziehung ihrer Kinder eingesetzt haben. Eltern, die in ihrer Kindheit selber gezüchtigt wurden, ältere Eltern und solche, die ihr Kind als schwierig empfanden, wiesen zudem höhere Prävalenzen bezüglich beider Gewaltformen auf. Es konnten insgesamt keine signifikanten Verzerrungen durch ein sozial erwünschtes Antwortverhalten festgestellt werden.

Diese Ergebnisse sind für die Präventions- und Interventionsmaßnahmen bezüglich erzieherischer Gewalt von Bedeutung. Darüber hinaus liefern sie einen Hinweis auf die Gültigkeit früherer Studien, da in der vorliegenden Untersuchung kein systematischer Messfehler in Form von sozialer Erwünschtheit gefunden wurde.

Literatur

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (2003). Gewaltfreie Erziehung. Eine Bilanz nach Einführung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung 2003 (Broschüre. Online verfügbar).

Stadler, L. (2012). Misshandlungen in der Kindheit: Epidemiologie, Risikofaktoren und Reviktimisierung im Erwachsenenalter. In Sektion Rechtspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (Hrgs.). Praxis der Rechtspsychologie, 2, S. 419-446.

Steckbrief

Titel (deutsch): Der Einfluss sozialer Erwünschtheit auf die selbstberichtete Gewaltanwendung in der Kindeserziehung
Titel (englisch): The influence of social desirability on self-reports of violence in education
Erhebungszeitraum: 08/2014
Stichprobe (effektiv): 3.749
Stand der Informationen: 05.12.2014

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Berenike Waubert de Puiseau

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