Clément, Celina; Kauter, Hanna; Schneider, Clara & Anderl, Christine

Der Zusammenhang des weiblichen Menstruationszyklus mit Entscheidungsverhalten und Emotionsverarbeitung

Im Rahmen der Studie wurde untersucht, ob sich Entscheidungsverhalten sowie Emotionsverarbeitung im Verlauf des natürlichen weiblichen Menstruationszyklus verändern. Im Speziellen untersucht wurden die Zusammenhänge zwischen Zyklusphase und...

  1. der Emotionserkennung bei komplexen Stimuli,
  2. der Bereitschaft, zivilcouragiert zu handeln,
  3. der Risikobereitschaft bei Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen und
  4. der Wahrnehmung von humorvollen Cartoons.

1. Emotionserkennung bei komplexen Stimuli

Aufbauend auf früheren Studien, die darauf hindeuten, dass sich die Fähigkeit zur Emotionserkennung im Laufe des weiblichen Menstruationszyklus verändern (z.B. Derntl et al., 2008), untersuchten wir im ersten Teil der Studie, ob sich dieser Befund auf komplexe, nichtmenschliche Stimuli generalisieren lässt. Dazu präsentierten wir unseren Probandinnen kurze Videosequenzen, in denen geometrische Figuren sich in einer Weise bewegen, die viele Menschen dazu veranlasst, den Figuren bestimmte menschliche Emotionen zuzuschreiben (Boraston et al., 2007) und brachten die Emotionszuschreibungen unserer Probandinnen mit eigenen Angaben über ihren Menstruationszyklus zum Zeitpunkt der Testung in Verbindung. Entgegen unserer Hypothese fanden wir für dieses komplexe Stimulusmaterial keine Veränderungen der Fähigkeit zur Emotionserkennung im Verlauf des Menstruationszyklus.

2. Bereitschaft, zivilcouragiert zu handeln

Da frühere Studien darauf hindeuten, dass sich die Fähigkeit zur Emotionserkennung, eine Komponente der Empathie, im Verlauf des Menstruationszyklus verändert (z.B. Derntl et al., 2008) und andere Studien darauf hindeuten, dass erhöhte Empathie mit einer höheren Bereitschaft, prosozial zu handeln, einhergeht (z.B. Telle & Pfister, 2012), waren wir zudem daran interessiert, ob die veränderte Fähigkeit zur Emotionserkennung mit einem erhöhten Ausmaß an einer besonderen Form des prosozialen Verhaltens, nämlich der Zivilcourage, einhergeht. Dafür wurden die Probandinnen mithilfe des Münchner Zivilcourage-Instruments (Kastenmüller et al., 2007) gebeten, ihre Bereitschaft, zivilcouragiert zu handeln, einzuschätzen. Anders als von uns vermutet, fanden wir keine Veränderungen der Bereitschaft zur Zivilcourage über den Menstruationszyklus hinweg.

3. Risikobereitschaft bei Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen

Eine Vielzahl an Studien zeigt, dass sich Menschen aufgrund einer allgemeinen Verlustaversion in Gewinnsituationen risikoaversiv und in Verlustsituationen risikosuchend verhalten. Diese Antwortpräferenzen können auch dann beobachtet werden, wenn lediglich die Formulierung die möglichen Antwortoptionen als Gewinn oder Verlust darstellt, was als Framing-Effekt bezeichnet wird (Kahneman & Tversky, 1979). Gleichzeitig deuten Studien daraufhin, dass Frauen im Vergleich zu Männern tendenziell stärkere Framing-Effekte zeigen (z.B. Fagley & Miller, 1990). Da hormonelle Einflüsse eine mögliche Ursache für diese geschlechtsspezifischen Unterschiede darstellen können, waren wir nun daran interessiert, ob sich Framing-Effekte von Frauen über den Menstruationszyklus verändern.

Dazu wurde ihnen unseren Probandinnen das Dilemma „Asian Disease“ von Tversky und Kahneman (1981) präsentiert. Die Probandinnen hatten dabei die Aufgabe zwischen einer sicheren und risikoreichen Methode zur Behandlung einer fiktiven tödlichen Krankheit zu wählen. Abhängig von der jeweiligen Bedingung wurden beide Optionen entweder positiv (z.B. 200 von 600 Menschen werden gerettet) oder negativ (z.B. 400 von 600 Menschen werden sterben) formuliert. Unsere Ergebnisse deuten hypothesenkonform daraufhin, dass sich Framing-Effekte über den Menstruationszyklus hinweg verändern. Um eine weitere Interpretation dieser Ergebnisse zu ermöglichen, sollte dieser Befund in weiteren Studien repliziert werden.

4. Wahrnehmung von humorvollen Cartoons

Eine Vielzahl an Studien weist darauf hin, dass Frauen in ihrer fruchtbaren Phase in Männern Merkmale bevorzugen, die auf eine gute genetische Ausstattung hindeuten(z.B. Gangestad et al., 2004; Puts, 2005), sowie selbst verstärkt Verhalten zeigen, das von Männern als attraktiv wahrgenommen wird und diesen sexuelles Interesse signalisiert (z.B. Durante et al., 2008; Cantú et al., 2013). Da Humor bei der Partnerwahl im Gegenüber als wünschenswert angesehen wird (z.B. Bressler & Balshine, 2006) und mit weiteren positiven Eigenschaften im Zusammenhang steht (z.B. Greengross& Miller, 2011) und somit als Fitnessindikator angesehen werden kann, wollten wir untersuchen, ob Frauen in der fruchtbaren Phase positiver auf Humor reagieren. Dafür präsentierten wir im letzten unseren Probandinnen sechs Cartoons, die hinsichtlich ihrer Lustigkeit bewertet werden sollten und brachten diese Einschätzungen mit ihrer Zyklusphase zum Zeitpunkt der Testung in Verbindung. Entgegen unserer Hypothese fand sich kein bedeutsamer Unterschied in der Bewertung der Cartoons; die Cartoons wurden von Frauen in der fruchtbaren und der unfruchtbaren Phase im Durchschnitt als gleich lustig bewertet.

Literatur

Boraston, Z., Blakemore, S-J., Chilvers, R. & Skuse, D. (2007). Impaired sadnessrecognition is linked to social interaction deficit in autism. Neuropsychologia, 45, 1501-1510.

Bressler, E. R. & Balshine, S. (2006). The influence of humor on desirability. Evolution and Human Behavior, 27(1), 29-39.

Cantú, S. M., Simpson, J. A., Griskevicius, V., Weisberg, Y. J., Durante, K. M., & Beal, D. J. (2013). Fertile and selectively flirty Women’s behavior toward men changes across the ovulatory cycle. Psychological Science.

Derntl, B., Kryspin-Exner, I., Fernbach, E., Moser, E. & Habel, U. (2008). Emotion recognition accuracy in healthy young females is associated with cycle phase. Hormones and Behavior, 53, 90-95.

Durante, K. M., Li, N. P., & Haselton, M. G. (2008). Changes in women’s choice of dress across the ovulatory cycle: Naturalistic and experimental evidence. Personality and Social Psychology Bulletin, 34, 1451–1460.

Fagley, N. S. & Miller, P. M. (1990). The effect of framing on choice: Interactions with risk-taking propensity, cognitive style, and sex. Personality and Social Psychology Bulletin, 16 (3), 496–510.

Gangestad, S. W., Simpson, J. A., Cousins, A. J., Garver-Apgar, C. E., & Christensen, P. N. (2004). Women’s preferences for male behavioral displays change across the menstrual cycle. Psychological Science, 15, 203-207.

Greengross, G. & Miller, G. (2011). Humor ability reveals intelligence, predicts mating success, and is higher in males. Intelligence, 39(4), 188-192.

Kahneman, D. & Tversky, A. (1979). Prospect Theory: An analysis of decision under risk. In Kahneman, D. & Tversky, A. (Eds.), Choices, values and frames (S.17-43). NewYork: Russel Sage.

Kastenmüller, A., Greitemeyer, T., Fischer, P. & Frey, D. (2007). Das Münchner Zivilcourage-Instument (MüZI). Entwicklung und Validierung. Diagnostica, 53(4), 205-217. Puts, D. A. (2005). Mating context and menstrual phase affect women’s preference for male voice pitch. Evolution and Human Behavior, 26(5), 388-397.

Telle, N.-T. & Pfister, H.-R. (2012). Not only the miserable receive help : Empathy promotes prosocial behaviour toward the happy. Current Psychology, 31, 393-413.

Tversky, A. & Kahneman, D. (1981). Framing of decisions and the psychology of choice. Science, 211(4481), 453-458.

Steckbrief

Titel (deutsch): Der Zusammenhang des weiblichen Menstruationszyklus mit Entscheidungsverhalten und Emotionsverarbeitung
Titel (englisch): The relationship of the female menstrual cycle with decision behaviour and emotion processing
Erhebungszeitraum: 03/2014–04/2014
Stichprobe (effektiv): 1.083
Stand der Informationen: 18.07.2014

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