Waubert de Puiseau, Berenike; Hoffmann, Adrian & Musch, Jochen

Eine Untersuchung der Bereitschaft zur Vergewaltigung und zur Falschbezichtigung

Die Kenntnis der Häufigkeit von Vergewaltigungen und von Falschbezichtigungen der Vergewaltigung ist von hohem gesellschaftlichem Interesse. Bei der Schätzung dieser Häufigkeit durch Selbstauskünfte sehen sich Wissenschaftler jedoch mit mehreren Problemen konfrontiert. Erstens verstoßen sowohl eine Vergewaltigung, als auch eine Falschbezichtigung der Vergewaltigung gegen soziale Normen; beide Verhaltensweisen sind sozial in hohem Maße unerwünscht. Zweitens sind beide Verhaltensweisen laut Strafgesetzbuch strafbar. Zusammen führt dies in direkten Befragungen vermutlich besonders bei Täterinnen und Tätern zu unehrlichem Antwortverhalten, was in einer Unterschätzung der Häufigkeit dieser Verhaltensweisen resultieren kann.

Um diesem Problem zu begegnen, wurde neben einer direkten Befragung eine indirekte Befragungstechnik eingesetzt. Die Vertraulichkeit der Antworten wurde so gesteigert, und die Kooperationsbereitschaft insbesondere von Täterinnen und Tätern erhöht.

Laut Bundeskriminalamt (2011) wurden im Jahre 2010 insgesamt 7721 Anzeigen wegen Vergewaltigung oder schwerer sexueller Nötigung (nach §177 StGB) erstattet. Relativiert an den ca. 35 Millionen erwachsenen Frauen (Statistisches Bundesamt, 2011) ergibt dies eine 1-Jahres-Prävalenz von 0,02%. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil von Falschbeschuldigungen noch geringer ausfällt. Den durch die Seltenheit der untersuchten Verhaltensweisen entstehenden Problemen bei der Prävalenzschätzung wurde deshalb dadurch Rechnung getragen, dass anstelle tatsächlich gezeigten Verhaltens die hypothetische Bereitschaft abgefragt wurde, ein entsprechendes Verhalten künftig zu zeigen (Bohner, 1998; Eyssel, Bohner, Süssenbach & Schreiber, 2009; Malamuth, 1989a, 1989b). Dazu wurde die Vergewaltigungsbereitschaft bei Männern und die Bereitschaft zur Falschbezichtigung bei Frauen in fiktiven Szenarios erfasst.

Ergebnisse und Diskussion

Die Auswertung der Umfrageergebnisse ergab in Abhängigkeit von der Befragungstechnik, dass zwischen 6 und 17% der befragten Männer eine hypothetische Vergewaltigungsbereitschaft einräumten. Im Vergleich hierzu gaben 1 bis 9% der befragten Frauen an, unter bestimmten Umständen zu einer Falschbezichtigung wegen Vergewaltigung bereit zu sein. Diese Ergebnisse unterstreichen zum einen die Bedeutung von Präventions- und Therapiemaßnahmen für Opfer sexueller Gewalt. Zum anderen heben die Ergebnisse auch die Relevanz einer validen Begutachtung in Strafprozessen zu Sexualstraftaten hervor, bei denen Zweifel an der Schuld des Angeklagten bestehen.

Literatur

Bohner, G. (1998). Vergewaltigungsmythen. Landau: Verlag Empirische Pädagogik.

Bundeskriminalamt (2011). Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik Deutschland. Berichtsjahr 2010. Wiesbaden/Rheinbreitbach: Bundeskriminalamt/medienHaus PLUMP.

Eyssel, F., Bohner, G., Süssenbach, P., & Schreiber, P. (2009). Neuentwicklung und Validierung eines szenariobasierten Verfahrens zur Erfassung der Neigung zu sexueller Aggression. Diagnostica, 55, 117-127.

Malamuth, N. M. (1989a). The attraction to sexual aggression scale: Part one. The Journal of Sex Research, 26, 26–49.

Malamuth, N. M. (1989b). The attraction to sexual aggression scale: Part two. The Journal of Sex Research, 26, 324–354.

Statistisches Bundesamt (2011). Statistisches Jahrbuch 2010. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.

Steckbrief

Titel (deutsch): Eine Untersuchung der Bereitschaft zur Vergewaltigung und zur Falschbezichtigung
Titel (englisch): Assessing the prevalence of rape proclivity and false rape accusations
Erhebungszeitraum: 05/2013
Stichprobe (effektiv): 4.000
Stand der Informationen: 04.09.2013

Weitere Informationen

Abteilung für Diagnostik und Differentielle Psychologie, Institut für experimentelle Psychologie, Universität Düsseldorf

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