Rohkohl, Finja & Flatau, Jens

Schätzung des monetären Wertes von olympischen Medaillen

Mit dem Ende der Olympischen Sommerspiele 2012 in London beginnen derzeit die Vorbereitungen der Athleten auf die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro. Zwar haben die Siege im Spitzensport, wie beispielsweise der Gewinn von Medaillen bei den Olympischen Sommerspielen, einen Kollektivgutcharakter und ihre Produktion ist eindeutig gewünscht (Daumann, 2011, S. 267). Dennoch bleibt die Frage bisher unbeantwortet, wie viel es den Mitgliedern einer Gesellschaft wert ist, beispielsweise den Prestigewert, der von einer Goldmedaille ausgeht, genießen zu können und wie hoch ihre Investitionsbereitschaft in das immaterielle Gut ist.

Theoretischer Hintergrund

Die theoretische Grundlage der Kontingenten Bewertungsmethode besteht in der Bildung von hypothetischen Märkten, auf welchen das öffentliche Gut direkt gehandelt wird. Über die Bildung von Szenarien kann die Zahlungsbereitschaft von Individuen und somit deren Präferenzen für ein verändertes öffentliches Gut ermittelt werden (vgl. Pruckner, 1995).

Den Ausgangspunkt bilden die Individuen mit der Nutzenfunktion . Wobei der Konsum dieser Marktgüter durch den Vektor für private Güter und den Vektor für öffentliche Güter angegeben wird. Das Nutzenmaximierungs-problem des Konsumenten lautet folglich unter der Budgetrestriktion , wobei das Einkommen des Haushaltes und den Preisvektor für die privaten Güter bezeichnet. Das Vorhandensein des öffentlichen Gutes suggeriert die Nichtexistenz von Preisen, da es keinen Markt gibt, auf welchem dieses Gut gehandelt wird. Bei der Lösung des Maximierungsproblems resultiert die indirekte Nutzenfunktion , die mit wachsendem Preis abnimmt und in steigt.

Aus der Ausgabenminimierung der Individuen () folgt die Ausgabenfunktion . Im Folgenden soll angenommen werden, dass ein Element des -Vektors (z. B. die Anzahl der gewonnenen Medaillen) steigt. Es findet demnach eine Veränderung von nach statt. Eliminiert man das Vorhandensein von öffentlichen Gütern im Sport (), so erreichen die Ausgaben notwendigerweise das Referenzniveau der Nutzenfunktion. Der Unterschied zwischen den Ausgabenfunktionen ist die Willingness To Pay (WTP = Zahlungsbereitschaft) für öffentliche Güter im Sport: (vgl. Humphrey, Johnson, Mason & Whitehead, 2011, S. 4 ff.).

Methode

Um den Gesamtwert des immateriellen Gutes monetär zu quantifizieren, steht hierfür seit relativ kurzer Zeit das Verfahren der Kontingenten Bewertungsmethode (englisch: Contingent Valuation Method (CVM)) zur Verfügung, welches originär zur Schätzung des monetären Gegenwertes von Umweltgütern entwickelt wurde. In der Literatur werden unter der CVM Verfahren zusammengefasst, die unmittelbar darauf abzielen, die Zahlungsbereitschaft von Wirtschaftsakteuren für die Bereitstellung öffentlicher Güter zu ermitteln (Bogusch, Spellberg, Topp & West, 2009). Mittels einer schriftlichen Online-Befragung unter Anwendung der Kontingenten Bewertungsmethode wird den Befragten ein Szenario im Zusammenhang mit dem Medaillenerfolg einheimischer Athleten bei Olympischen Sommerspielen präsentiert. Daraufhin wird ihre Zahlungsbereitschaft für olympische Medaillen im Falle einer Einführung von Steuern oder der Möglichkeit einer Spende für die Spitzensportförderung ermittelt. Die Ergebnisse ermöglichen somit eine Schätzung des monetären Werts von Medaillen innerhalb der Bevölkerung.

Im Rahmen einer sportökonomischen Fragestellung haben erstmals Johnson und Whitehead (2000) den Ansatz der CVM genutzt und die Verwendungsfähigkeit für nachfolgende sportökonomische Fragestellungen aufgezeigt. In verschiedenen Untersuchungen wurde die Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung eines Landes hinsichtlich bestimmter sportlicher Erfolge ermittelt. So befragten Atkinson, Mourato, Szymanski und Ozdemiroglu (2008) die britische Bevölkerung in Bezug auf die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2012 in London vor dem Hintergrund möglicher externer Effekte. Humphrey, Johnson, Mason und Whitehead (2011) ermittelten die Zahlungsbereitschaft der kanadischen Bevölkerung für ein Athleten-Förderprogramm und Süssmuth, Heyne und Maennig (2010) untersuchten die außerordentliche Bedeutung von externen Effekten, die durch die Ausrichtung der FIFA-WM 2006 entstehen würden.

Ergebnisse

Die Rücklaufquote dieser Untersuchung beträgt 20,2 %. 464 deutsche Staatsbürger ab einem Alter von 25 Jahren haben den Fragebogen beantwortet. 332 Personen, deren Angaben für die folgende Analyse verwendet werden, haben den Fragebogen beendet. Die Ausschöpfungsquote beträgt somit bezogen auf die Gesamtstichprobe 71,6 %. Die Stichprobe zeigt in Bezug auf die Verteilung der Geschlechter ein nahezu gleichverteiltes Verhältnis. Die Mehrheit (56,6 %) der Befragten ist zwischen 25 und 40 Jahre alt. Ein Alter über 60 Jahre haben nur 7,8 % der Befragten. Zusätzlich verfügt etwa ein Drittel der Haushalte monatlich über mehr als 3.000 € und 13,9 % über ein Nettoeinkommen, das unter 1.000 € liegt.

Zu Beginn des Fragebogens wurden die Befragten gebeten einzuschätzen, für wie bedeutsam sie persönlich den Gewinn von Olympiamedaillen einheimischer Athleten erachten. Während nur knapp ein Drittel (34,7 %) den Gewinn von Medaillen als wichtig bzw. sogar sehr wichtig erachtet, freuen sich 74,9 % mit den deutschen Athleten mit, wenn diese eine Medaille gewinnen. 42,4 % geben sogar an, sehr glücklich bzw. glücklich darüber zu sein, dass deutsche Sportler viele Medaillen gewinnen. 44,9 % der Befragten geben zudem an, dass sie sehr stolz bzw. stolz sind, wenn deutsche Sportler viele Medaillen bei Olympischen Sommerspielen gewinnen.

Zusammenfassend betrachtet ist fast die Hälfte der Befragten (48,8 %) mit dem Medaillenerfolg der deutschen Sportler bei den Olympischen Sommerspielen in London zufrieden.

In Bezug auf die Zahlungsbereitschaft geben 19 % der Befragten an, einen erhöhten Geldbetrag in Form von Steuern dafür ausgeben zu wollen, wenn die Anzahl der gewonnenen Medaillen der einheimischen Athleten bei den Olympischen Sommerspielen 2016 dadurch wahrscheinlich ansteigt.

63 (96,9 %) der zahlungsbereiten Teilnehmer gaben dabei einen Wert zwischen 1 € und 70 € an, über die Hälfte der zahlungsbereiten Teilnehmer (61,6 %) einen Wert zwischen 1 € und 10 €. Zwei Teilnehmer (3,1%) wären bereit 100 € zu zahlen. Das arithmetische Mittel der Zahlungsbereitschaft liegt somit bei 17,69 € pro Haushalt und Jahr. Unter Hinzuziehung der 267 Zahlungsverweigerer (Zahlungsbereitschaft = 0 €) reduziert sich der durchschnittliche Zahlungsbereitschaftswert auf 3,46 €.

Ergänzend dazu würden 77 % der Befragten die Einrichtung eines Spendenfonds gegenüber einer steuerlich finanzierten Förderung bevorzugen. 30 % von ihnen wären bereit, für die Förderung des nationalen Spitzensports Geld zu spenden. Der durchschnittliche Betrag einer einmaligen Spende beträgt 70,10 €. Unter Hinzuziehung der 233 Nichtspender reduziert sich der durchschnittliche einmalige Spendenbeitrag auf 20,90 € pro Befragtem.

Die Ergebnisse dieser Vorstudie zur Untersuchung der Zahlungsbereitschaft für einen erhöhten Medaillenerfolg deuten auf eine im Vergleich zur derzeitigen der Spitzensportförderung gewidmeten Steuerlast höhere Zahlungsbereitschaft innerhalb der Bevölkerung hin. Insbesondere die Möglichkeit einer Spende für die Spitzensportförderung weist eine höhere Zahlungsbereitschaft als eine Finanzierung aus Steuermitteln auf.

Literatur

Atkinson, G., Mourato, S., Szymanski, S. & Ozdemiroglu, E. (2008). Are We Willing to Pay Enough to “Back the Bid”?: Valuing the Intangible Impacts of London’s Bid to Host the 2012 Summer Olympic Games. Urban Studies, 45, 419-444.

Bateman, I. J. et al. (2004). Economic Valuation with Stated Preference Techniques – A Manual. Cheltenham: Elgar.

Bogusch, S., Spellberg, A., Topp, H. H. & West, C. (2009). Organisation und Folgewirkung von Großveranstaltungen. Interdisziplinäre Studien zur FIFA Fussball-WM 2006. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Breuer, C. & Hallmann, K. (2011). Die gesellschaftliche Relevanz des Spitzensports in Deutschland. Köln: Sportverlag Strauß.

Daumann, F. (2011). Grundlagen der Sportökonomie. München: UVK Lucius.

Humphrey, B. R., Johnson, B. K., Mason, D. S. & Whitehead, J. C. (2011). Estimating the Value of Medal Success at the 2010 Winter Olympic Games. Working paper/University of Alberta, Department of Economics. Zugriff am 29.01.2013 unter http://ideas.repec.org/p/ris/albaec/2011_020.html

Johnson, B. K. & Whitehead, J. C. (2000). Value of public goods from sports stadiums. Cotemporary economic policy: a journal of Western Economic Association International, 18 (1), 48-58.

Pruckner, G. J. (1995). Der kontingente Bewertungsansatz zur Messung von Umweltgütern. Stand der Debatte und umweltpolitische Einsatzmöglichkeiten. In: Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht, S. 503-536.

Süssmuth, B., Heyne, M. & Maennig, W. (2010). Wie viel ist den Deutschen die Ausrichtung der FIFA-WM 2006 wert und warum? Eine repräsentative Studie auf Grundlage der Contingent-Valuation-Methode. Zugriff am 01.12.2012 unter http://www.vwl.wi.tum.de/forschung/wievielistdendeutschendieausrichtungderfifawm.pdf

Steckbrief

Titel (deutsch): Schätzung des monetären Wertes von olympischen Medaillen
Titel (englisch): Estimating the Existence Value of Olympic Medals
Erhebungszeitraum: 03/2013
Stichprobe (effektiv): 463
Stand der Informationen: 16.07.2013

Publikationen

Rohkohl, F. & Flatau, J. (2014). Zur Zahlungsbereitschaft für nationale Sporterfolge bei den Olympischen Sommerspielen 2016 – eine Schätzung unter Anwendung der Kontingenten Bewertungsmethode. Sport und Gesellschaft – Sport and Society, 11(2), 105–129. Stuttgart: Lucius & Lucius.

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