Rudolph, Dominik

YouTube und das Ende des Fernsehens?

Zum Verhältnis neuer und etablierter Medien(-Formate).

Neuen Medien(-Formate) wird oft im Sinne eines Determinismus ein Verdrängungspotential gegenüber etablierten Medien unterstellt, insbesondere wenn es sich um Internetmedien handelt. Ein aktuelles Beispiel sind Videoportale wie YouTube, deren enormes Wachstum häufig als Beleg für die Bedrohung des Mediums Fernsehen gesehen wird. Bislang fehlen der Kommunikationswissenschaft Werkzeuge, um ein Konkurrenzpotential zwischen neuen und alten Medien valide prognostizieren zu können. Viele Studien messen lediglich die Wirkungen, d.h. Verschiebungen der Nutzungszahlen oder der Werbeeinahmen und können damit keine Ursachenerklärungen liefern. Auch Studien, die sich ausschließlich auf den Vergleich der Nutzungsmotive konzentrieren, blenden wichtige Anhaltspunkte wie die tatsächliche Nutzungsweise, die Nutzungskosten oder das Themeninteresse aus. Deshalb wird zunächst ein Modell entwickelt, das diese Faktoren einbezieht und einen differenzierten Vergleich der beiden Medien ermöglicht. Außerdem können durch Einbeziehung von Diffusionstheoretischen Annahmen auch die relativen Vorteile jedes Mediums identifiziert werden.

Bezogen auf das Beispiel YouTube und Fernsehen lassen die Ergebnisse die These zu, dass das Verhältnis beider Medien in vielen Fällen eher als komplementär zu bezeichnen ist. Dies gilt insbesondere für die Nutzung des Fernsehens als allgemeines Informationsmedium, während auf YouTube Musikinhalte überragende Bedeutung haben. Auch im Bereich der Nutzungsweise lassen sich noch Differenzen beobachten, vor allem bei der Zielgerichtetheit im Auswahlprozess oder bei der Habitualisierung der Nutzung, die in beiden Fällen beim Fernsehen deutlich ausgeprägter ist. Allerdings weisen beide Medien in einigen Bereichen eine erstaunliche Ähnlichkeit auf, die in diesen Teilbereichen eher für ein Konkurrenzverhältnis spricht. So erfüllen beide Medien Unterhaltungsbedürfnisse nahezu gleich gut, das gilt auch für die Eignung als Themenlieferant für die Anschlusskommunikation oder bei Ratgeberinhalten. Da beide jeweils spezifische relative Vorteile haben, kann die Richtung einer möglichen Verdrängung nicht prognostiziert werden. Die Vorteile des Fernsehens liegen bei der Erfüllung klassischer Journalistischer Normen wie Glaubwürdigkeit, Professionalität und Aktualität, während an YouTube vor allem Inhalte aus anderen Ländern sowie die zeit- und ortsunabhängige Nutzung geschätzt werden.

Steckbrief

Titel (deutsch): YouTube und das Ende des Fernsehens? Zum Verhältnis neuer und etablierter Medien(-Formate).
Titel (englisch):
Erhebungszeitraum: 04/2012
Stichprobe (effektiv): 2.267
Stand der Informationen: 03.08.2012

Publikationen

Rudolph, D. (2014). YouTube und Fernsehen: Konkurrenz oder Ergänzung? Eine mehrstufige, vergleichende Analyse aus Nutzersicht unter besonderer Berücksichtigung der Digital Natives. Reihe Rezeptionsforschung, Band 34. Baden-Baden: Nomos. Weitere Informationen

Kontakt

Dominik Rudolph

© 2009-2024 SoSci Panel