Habicht, Isabel Maria

Gerechtigkeitsprinzipien bei der Aufteilung von Elternzeitmonaten zwischen Paaren

Die Inanspruchnahme von Elternzeit für die Betreuung eines Kindes ist zwischen Müttern und Vätern nach wie vor sehr ungleich verteilt. Im Jahr 2022 nehmen Väter in Deutschland durchschnittlich 2,8 Monate der möglichen 12-14 Monate Elternzeit in Anspruch, während Mütter durchschnittlich 11,6 Monate Elternzeit nehmen (Statistisches Bundesamt, "Basiselterngeld"). Trotz der im Jahr 2007 eingeführten politischen Maßnahmen zur Förderung einer egalitären Aufteilung der Elternzeit (durch sogenannte „Partnermonate“) deutet dieses Ungleichgewicht darauf hin, dass vorherrschende gesellschaftliche Normen das individuelle Verhalten bei der Inanspruchnahme von Elternzeit prägen. Ziel dieser Studie ist es daher, die vorherrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen zu untersuchen, die den Entscheidungen über die Aufteilung der Elternzeit zwischen Paaren zugrunde liegen.

Konkret werden die Hypothesen zur Aufteilung der Elternzeit zwischen Paaren anhand von drei Gerechtigkeitsprinzipien (Gleichheit, Anspruch, Gerechtigkeit) und dem Prinzip der Normabweichung untersucht:

1) Gleichheitsprinzip (equality): Unabhängig von sozioökonomischen Einflussfaktoren wird eine gleiche Aufteilung der Elternzeit zwischen Müttern und Vätern als gerecht empfunden.

2) Anspruchsprinzip (entitlement): Elternzeit wird auf der Basis zugeschriebener Rollenverteilungen (female caregiver und male breadwinner) verteilt.

3) Gerechtigkeitsprinzip (equity): Unabhängig vom Geschlecht werden Haushaltsressourcen innerhalb einer Paarbeziehung so aufgeteilt, dass der Gesamtnutzen für das Paar maximiert wird (unitary household model): Geringverdiener/innen nehmen mehr Elternzeit in Anspruch als ihre Partner/innen mit höherem Einkommen.

4) Normdevianzprinzip: Rollenvorstellungen werden aufgebrochen und kompensiert, so dass besser verdienende Mütter dennoch mehr Elternzeit in Anspruch nehmen als ihre schlechter verdienenden männlichen Partner, um die Diskrepanz zur female caregiver-Rolle auszugleichen.

Methode

Ich verwende ein Befragungsexperiment (factorial survey), das verschiedene Merkmale von hypothetischen Doppelverdienerpaaren (Geschlecht, Einkommen, Beruf und Arbeitszufriedenheit) manipuliert. Jede/r Befragte erhält drei zufällig ausgewählte Beschreibungen von Paaren und ihrem beruflichen Kontext (Vignetten), basierend auf denen sie 12 (bzw. 14) Monate Elternzeit gerecht zwischen den Paaren aufteilen sollen. Da es sich um ein experimentelles Design handelt, ist nur eine Befragungswelle erforderlich, um kausale Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Während mein Hauptaugenmerk auf den Charakteristika der Vignettenpersonen und den zugrundeliegenden Gerechtigkeitsprinzipien bei der Verteilung von Elternzeit liegt, können Interaktionseffekte mit Befragtencharakteristika wertvolle Erkenntnisse liefern: Gibt es Unterschiede in der Verteilungsgerechtigkeit zwischen weiblichen und männlichen Befragten, Verheirateten und Unverheirateten sowie Personen aus Ost- und Westdeutschland?

Ergebnisse

Um die Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit bei Elternzeitentscheidungen zu untersuchen, soll in dieser Studie gezeigt werden, wie in Deutschland lebende Personen Elternzeitmonate gerecht zwischen Müttern und Vätern aufteilen. Trotz politischer Bemühungen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter ist die Inanspruchnahme von Elternzeit nach wie vor stark geschlechtsspezifisch und zwischen Paaren ungleich verteilt. In Deutschland nahmen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2022 Mütter 11,6 Monate der möglichen 12-14 Monate Elternzeit in Anspruch, Väter dagegen nur 2,8 Monate, was einer Differenz von 8,8 Monaten bzw. 76 % entspricht.

Um diese Ungleichverteilung näher zu untersuchen, wurden in dieser Studie die Merkmale fiktiver Doppelverdienerpaare mit Hilfe eines experimentellen Untersuchungsdesigns manipuliert. Teilnehmer/innen des SoSci-Panels wurden dann gebeten, 12 Monate Elternzeit fair zwischen Müttern und Vätern aufzuteilen, die sich lediglich hinsichtlich des Einkommens, des Berufs und der Arbeitszufriedenheit unterschieden. Die Befragten des SoSci-Panels bewerteten dabei drei zufällig ausgewählte "Vignetten" (fiktive Situationsbeschreibungen der Paare). Insgesamt nahmen 1004 Personen an dem Experiment teil.

Die experimentelle Studie zeigt, dass die Befragten eine Ungleichheit von nur 11 % bei der Aufteilung der Elternzeitmonate zwischen Müttern und Vätern akzeptieren, um diese als gerecht zu empfinden. Darüber hinaus zeigt sich, dass die Arbeitszufriedenheit (bzw. -unzufriedenheit) die wichtigste Rolle bei der gerechten Aufteilung der Elternzeit innerhalb eines Paares spielt. Die Ergebnisse zeigen weiterhin keine geschlechtsspezifischen Ergebnisse in Bezug auf Arbeitszufriedenheit, Führungspositionen oder Einkommensunterschiede. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Arbeitszufriedenheit zwar der stärkste Prädiktor für weniger Elternzeitmonate ist, dieses Ergebnis aber sowohl auf Mütter als auch auf Väter zutrifft und somit nicht geschlechtsspezifisch ist.

Die Studie geht der Frage nach, warum die "ideale und gerechte" Aufteilung der Elternzeit mit einer Differenz von nur 11 % zwischen Müttern und Vätern in dieser Studie so stark von der tatsächlichen Statistik in Deutschland abweicht, die einen Gender Gap von 76 % aufweist.

Steckbrief

Titel (deutsch): Gerechtigkeitsprinzipien bei der Aufteilung von Elternzeitmonaten zwischen Paaren
Titel (englisch): Justice principles in the allocation of parental leave within couples
Erhebungszeitraum: 11/2023
Stichprobe (effektiv): 1.004
Stand der Informationen: 04.03.2024

Weitere Informationen

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Kontakt

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